Ist die Kamera egal?

Jürgen Pagel

Ist die Kamera egal? Macht tatsächlich der Fotograf die Bilder
und nicht die Kamera?

Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen.
Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit.

Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“.

Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.

Hinweis: An dieser Stelle ein Hinweis für die professionell fotografierenden Kollegen/ Kolleginnen, die sicher die eine oder andere Erläuterung hinsichtlich Crop-Faktor, Sensorgröße und weiterer technischer Details vermissen werden. Erklärung: Ich wollte kein dickes Buch schreiben. Die gibt es nämlich schon. Mir geht es eher um das große Ganze und um Zusammenhänge sowie um einfache Antworten auf vermeintlich einfache Fragen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.


Sind Sie auf der Suche nach Vor- und Nachteilen verschiedener Kamerasysteme oder nach Objektiven bzw. auf der Suche nach einer günstigen Einstiegskamera mit einem ebenso günstigen Einstiegsobjektiv, stolpern Sie zwangsläufig über die vorgenannten Aussagen. Besonders beliebt sind diese in den zahlreichen Anfänger-Foren in Facebook.
Selten sind das professionelle Fotografen, die solche Sätze sagen bzw. schreiben. Meist handelt es sich dabei um (erfahrene) Hobbyisten, die Ihre eigene Art der Fotografie wenig vorangebracht haben und mit teilweise 15 Jahre alten DSLR-Kameras ohne weitreichende Kenntnisse der Bildentwicklung in beispielsweise Adobe Lightroom fotografieren. Sie lehnen zumeist auch die Bildbearbeitung ab, fotografieren zwar in RAW, nutzen aber die Ihnen dadurch zur Verfügung stehenden Bildetwicklungsmöglichkeiten nicht aus.
Es ist müßig, darüber zu diskutieren, warum sie das tun. Mir scheint es relativ einfach zu sein, an einem alten System, dass bis vor ein paar Jahren der Status Quo für viele Fotografen war, festzuhalten, in dem man zum Ausdruck bringt, dass das System bzw. die Kamera sowieso egal wäre. Tatsächlich lautet ein anderer Spruch und der ist wirklich wahr: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Sich dem Fortschritt zu verweigern und sich hinter der „guten alten Zeit“ zu verstecken, kann keine Lösung sein und schon mal gar keine Antwort auf die Frage, welches Kamerasystem oder welche Marke besser oder schlechter ist.

Hierzu bedarf es etwas Hintergrundwissen.
Zurzeit gibt es vier (marktübliche) Bildformate und die dazu entsprechenden Kamerasysteme.
• Kleinbild- oder Vollformat
• APS-C-Format
• MFT (Micro for Thirds)
• Mittelformat
Das Mittelformat würde ich ausklammern wollen, weil sich erfahrungsgemäß kein Anfänger eine Mittelformatkamera kauft, deren Body allein schon 8.000 Euro kostet, ganz zu schweigen von den Objektiven, die in der Regel nicht unter 2.500 Euro (pro Stück) zu haben sind. Ich denke nicht, dass ein Investitionsrahmen von 15.000 bis 17.000 Euro für den Einstieg in ein Mittelformat den Kriterien eines Anfängers entspricht. Wenn man noch nicht fotografieren kann oder sehr wenig Erfahrung in der Fotografie hat, gilt für das Mittelformat tatsächlich: Eine Kamera für 8.000 Euro macht keine besseren Bilder, als ein Smartphone und das wird dem Mittelformat in keinster Weise gerecht.

Ich würde mich vielmehr auf zwei Systeme beschränken, nämlich dem Vollformat- und dem APS-C-System, weil der Kundenkreis im MFT-Segment relativ klein ist (unter 5% Marktanteil), technisch an’s Ende stößt und derzeit nur von wenigen Herstellern angeboten wird, die da wären, OM-Systems (früher Olympus), Panasonic und Black Magic Designs. Letztere produziert allerdings vornehmlich Studiokameras für das professionelle Film- und Videosegment. MFT bietet auf Grund des Crop-Faktors von 2.0 gegenüber den Vollformat Vorteile hinsichtlich der scheinbaren Brennweitenverlängerung (100mm Brennweite entsprechen 200mm an MFT). Allerdings sind auch die Sensoren deutlich kleiner, bei höheren Megapixel-Zahlen rauschempfindlicher und erlauben wesentlich weniger Freistellung als ein Vollformat- oder ein APS-C-Sensor.

Was ist besser – eine DSLR (Digitale Spiegelreflexkamera) oder eine DSLM (Digitale spiegellose Systemkamera)?
„Es kommt darauf an.“ Wer eine DSLR zu Hause liegen hat und in das Thema Fotografie einsteigen möchte (vom Opa, vom Vater oder von der Mutter geerbt), soll das ohne Einschränkungen tun. Es besteht zunächst keine Notwendigkeit in ein anderes Kamerasystem zu wechseln, weil das vorhandene zunächst einmal alle Bedingungen erfüllt. Es belichtet, es macht Fotos und solange der Klappmechanismus des Spiegels keine Zicken macht, sind die Folgekosten sowie die laufenden Kosten gering. Besteht bereits ein Objektivpark (meist sind das „alte“ Zoomobjektive, Kit-Objektive, zwei bis drei Festbrennweiten) ist das perfekt für den Einstieg. Das reicht auf jeden Fall für das erste Jahr tägliches Fotografieren und das Sammeln von Erfahrung.

Hatte ich schon erwähnt, dass Fotografie ein echtes Geduldsspiel ist?

DSLR sind perfekt für alles, was sitzt, liegt oder steht. Sie sind ebenso geeignet für bewegende Darstellungen, wie vorbeifahrende Autos, spielende Kinder und anderes mehr. Hier muss man vor allem bei Serienaufnahmen mit einigen Zwangspausen rechnen, welche die Prozessoren benötigen, um die Daten auf die Karte zu schreiben. Damit hat mein Vater gut gelebt und Sie werden es auch.
Für die Sportfotografie ist dieses System auch geeignet, aber eben auf Grund der reduzierten Serienbildgeschwindigkeit gegenüber modernen Systemkameras nur bedingt. Wer also Autorennen oder Fußballspiele auf dem Schirm hat, muss mit Ausschuss leben – lieber ein paar Bilder mehr als am Ende das Entscheidende zu wenig.
Die Autofokus-Systeme der frühen Jahre 2010 bis 2018 sind technisch gegenüber heutigen Systemen zumeist „lahme Krücken“. Nicht, dass sie schlecht sind, aber sie sind nicht gut bis sehr gut. Ob Sie damit klarkommen, hängt von Ihren Ansprüchen und der Art Ihrer Fotografie ab. Sie wollen die Kosten geringhalten? Dann müssen Sie hinsichtlich des Autofokus, was seine Treffgenauigkeit und Geschwindigkeit betreffen, ein paar Abstriche machen.

Macht Fotografieren mit einer DSLR aus dem Jahre 2014 Spaß? Klar, ohne jede Frage. Sind diese Kameras zum Einstieg geeignet? Auf jeden Fall. Würde ich einem Einsteiger eine solche Kamera als Neu- oder Gebrauchtkauf empfehlen? Nein!
Die Gründe sind so einfach wie logisch: Der Werterhalt ist äußerst gering. Es ist ein mittlerweile veraltetes System, das funktioniert. Nicht weniger, aber keineswegs mehr. Geschenkt? Ok, aber Geld dafür ausgeben und wenn es nur 150-250 Euro sind? Auf keinen Fall. Für ein paar hundert Euro mehr gibt es bereits spiegellose, gebrauchte und gut erhaltende Kameras. Kein Grund also, frisches Geld in ein altes Kamerasystem zu stecken, dass schon längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Ein weiterer Grund ist, dass alle Hersteller dieses Systems den Support weitestgehend eingestellt haben. Man bekommt zwar noch Ersatzteile, aber die letzte Firmware ist meist aus dem Jahre 2018. Seitdem ist nichts mehr passiert. Und da wird auch nichts mehr passieren.

DSLR-Kameras gibt es übrigens sowohl mit Vollformat- wie auch mit APS-C-Sensoren.

Welche Vorteile bietet deine DSLM?
Weniger mechanische Bauteile, kleiner, leichter, riesiger Zubehörmarkt, großer Objektivmarkt auch in Bezug auf Dritthersteller, die zumeist deutlich günstiger sind als native Objektive. Höhere Auslösegeschwindigkeit, schnelleres Kartenlese- bzw. Schreibverhalten, schnellerer Autofokus, deutlich schnellere Prozessoren, höhere Serienbildgeschwindigkeiten. Ach, es nimmt kein Ende. Sie merken schon – ich will Ihnen mit aller Macht eine DSLM verkaufen. Nein, Spaß, will ich nicht. Ich bin durchaus ein Fan alter analoger DSLR-Kameras (das sind solche, in die man noch einen Film einlegen muss) und habe einen Schrank voll mit Modellen, die bis in das Jahr 1950 zurück reichen. Darunter eine sehr schöne Rollei TE35 – immer noch die kleinste Filmkamera der Welt. Alle Modelle funktionieren einwandfrei und werden zwar selten, aber immer wieder mal genutzt – die Nichtbenutzung ist entgegen der landläufigen Meinung, der Tod einer jeden analogen DSLR.
Ich kann nichts dafür, dass die DSLM-Kameras so viele Vorteile haben – ist halt so.

Noch einmal in aller Deutlichkeit: Sie haben eine DSLR und wollen mit dem Fotografieren beginnen? Dann starten Sie durch. Fotografieren Sie und machen Sie sich erst einmal keinerlei Gedanken über einen Systemwechsel. Sie wollen Ihren DSLR-Objektivpark erweitern? Super. Es gibt viel gutes Altglas für 20-30 Euro, das qualitativ gut ist und seinen ihm zugedachten Zweck erfüllt. Stehen größere Reparaturen an oder fehlt eine wichtige Brennweite? Dann sollte das Invest deutlich unter dem Zeitwert der Kamera liegen. Ansonsten nutzen Sie den Zeitpunkt zu einem Systemwechsel. Es hat wohl so sein sollen.

Was ist besser, eine Vollformat- oder eine APS-C-Kamera?
Auch das ist eine Frage, die sich nicht so nebenbei in drei Zeilen beantworten lässt. Obwohl, doch. Anfänger? Finger weg vom Vollformat. Danke. Ende der Durchsage.

Nein, das ist nur die Kurzform. Ich versuche es mal so einfach wie möglich zu erklären. Ein Vollformatsensor ist um den Faktor 2,3 größer als ein APS-C-Sensor. Das ist zunächst weder besser noch schlechter. Es ist so – ein physikalischer Fakt.
Daraus ergeben sich einige Spielmöglichkeiten mehr als bei einem APS-C-Sensor.
Eine größere Fläche kann entweder mehr oder größere Pixel aufnehmen. Werden auf die größere Fläche mehr Pixel aufgebracht, erhöht sich die Auflösung, d.h. Sie haben also statt 24MP beispielsweise 40MP oder 60MP. Dadurch erhöht sich bei ansonsten gleichen Voraussetzungen die Auflösungsfähigkeit. Sie haben mehr Detailreichtum und eine höhere Schärfe (Letzteres ist theoretisch der Fall, aber es zeigt sich auch, dass der wesentliche Schärfeaspekt vom Objektiv selbst kommt und weniger vom Sensor).
Eine andere Möglichkeit wäre es, auf die gleiche Fläche weniger Pixel zu „packen“. Das verringert zunächst zwar die Auflösung, aber dafür kann der einzelne Pixel sehr viel mehr Licht aufnehmen und auch besser mit diesem umgehen. Das verschafft Ihnen immense Vorteile bei Low Light, also in schlechten Lichtsituationen. Das sogenannte Luminanzrauschen (das sind die Krisel, die Ihnen in den dunklen Bildbereichen begegnen) fällt bedeutend geringer aus und beim Hochziehen der Tiefen (der unterbelichteten Bildbereiche) bleibt sehr viel mehr Detailinformation erhalten. Einen höherer Dynamikumfang (Darstellung der unterschiedlichen Helligkeits- und Farbbereiche) erhalten Sie nebenbei auch noch.

Sie merken, alles nicht so einfach und es gibt immer Für und Wider - allein auf nur den Sensortyp bezogen. Sind deswegen höhere Auflösungen besser als niedrigere? Nein, es kommt darauf an, was Sie mit der Kamera anstellen. Sind Sie viel in dunklen Ecken, nachts auf der Straße oder innerhalb unbeleuchteter Gebäude unterwegs, verzichten Sie auf eine Pixeldichte, nutzen Vollformat mit wenig Auflösung (12-20MP sind vollkommen ausreichend) und halten so die ISO niedrig. Sind Sie ein Schönwetter-Landschaftsfotograf, sollten Sie (wahrscheinlich) eher auf eine hohe Auflösung setzen (die ISO können Sie auf Grund der vorhandenen Helligkeit trotzdem niedrig halten), um mehr Raum für einen Bildbeschnitt zu haben, bei denen Ihnen am Ende immer noch genug Auflösung übrigbleibt. Fotografieren Sie mit Ihrem 40MP-Vollformatsensor in der Nacht, müssen Sie notgedrungen die ISO erhöhen, erhalten deutlich mehr Rauschen, welches Sie im Nachgang in ein oder zwei zusätzlichen Bearbeitungsschritten in der Bildentwicklung wieder in den Griff bekommen müssen. Dadurch verlieren Sie allerdings wieder an Schärfe.

Tatsächlich kann man nicht alles haben und irgendwo ist dann doch vieles ein Kompromiss. Wie immer im Leben.

Und APS-C? Ist das nun schlechter?
Nein, keineswegs. Kameras mit APS-C-Sensoren sind nämlich 
1. kleiner,
2. leichter,
3. deutlich günstiger,
4. haben weniger hohe Folgekosten
5. und die Objektive sind um ein Vielfaches preiswerter - bei gleicher Qualität.
So eine „fette“ Vollformatkamera mit 85mm-Brennweite oder einem Telezoom bringt schnell 2 bis 3 Kilogramm auf die Waage. Das mag sich nach nicht so viel anhören. Aber aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen verraten, dass Sie einen solchen Klopper nicht den ganzen Tag durch das sonnige Rom tragen wollen. Deswegen haben viele ambitionierte Fotografen meist zwei Kamerasystem – eine Vollformat-Kamera für Ihre Kundenaufträge und eine APS-C-Kamera für das tägliche Fotografieren unterwegs oder im Urlaub.
Also genug Gründe, sich für ein APS-C-Format zu entscheiden.

„Butter bei die Fische“ in Sachen Vergleich
Tatsächlich ist es so, dass nur dem geschulten Auge der Unterschied zwischen APS-C und Vollformat hinsichtlich Schärfeleistung, Dynamikumfang, Rauschverhalten und Detailreichtum überhaupt auffällt und auch das nur bei 100 bis 200% Vergrößerung. Sehr wahrscheinlich ist der Unterschied nicht wahrnehmbar, weil in Vergleichstest stets unterschiedliche Kameramodelle getestet werden und da ist ja nicht nur ein Sensor drin, sondern auch unterschiedlich Hard- sowie v.a. Software. Solche Vergleiche sind also nicht relevant.
Tatsache ist, SIE sehen den Unterschied nicht!

Ein weiterer Vorteil des APS-C-Formats ist der sogenannte Crop-Faktor. Der beträgt von APS-C zu Vollformat 1,5 (je nach Hersteller auch 1,6). Wie hoch der in Ihrem geplanten APS-C-System ist, müssen Sie im Handbuch der Kamera nachlesen.
Das bedeutet für die verwendeten Objektive:
• APS-C 23mm entspricht Vollformat gerundet 35mm
• APS-C 50mm entspricht Vollformat 75mm
• APS-C 200mm entspricht Vollformat 300mm
• und so weiter
Somit verlängert sich vom APS-C- zum Vollformat die Brennweite jeweils um den Faktor 1.5. Umgekehrt verringert sich von Vollformat zu APS-C die Brennweite.
• Vollformat 85mm entspricht APS-C rd. 56mm
• Vollformat 200mm entspricht APS-C rd. 135mm
• und so weiter
Die Brennweite verändert nicht physikalisch. Ein 50mm-Objektiv bleibt ein 50mm-Objektiv. Jedoch zeigt sich ein anderer (APS-C zu Vollformat) kleinerer Bildausschnitt, weil auch der Sensor kleiner ist. Das lässt die Hersteller die Objektive für APS-C-Kameras kleiner, leichter und günstiger bauen. Ein klarer Vorteil gegenüber Vollformat.
Gleiches gilt auch für die Blende. So wie Sie die Brennweite mit dem Crop-Faktor multiplizieren oder dividieren, müssen Sie gleiches auch mit der Blende machen.
• APS-C f/1.4 entspricht Vollformat rd. f/2.0
• APS-C- f/5.6 entspricht Vollformat f/8.4
Auch hierbei ist es so, dass sich die Blende physikalisch nicht verändert, sondern sich der Effekt in der Bildwirkung zeigt. So zeigt sich bei einer f/2.0 ein unscharfer Hintergrund, während dieser bei einer Blende von f/5.6 schon komprimierter und größer wirkt.

Das alles ist weder gut noch schlecht. Es ist, wie es ist und man kann hervorragend damit fotografieren. Im Vollformat finden Sie überwiegend Objektive, deren größte Blende bei f/2.8 liegt. Im APS-C-Bereich finden Sie eher f/1.8, die allerdings am Vollformat eben fast dieser f/2.8 entsprechen. Wollen Sie also annähernd die gleiche Bildwirkung erzielen, müssen Sie auch die Blende in Ihre Berechnungen einbeziehen.

Preisfalle Vollformat

Hatte ich schon erwähnt, dass Fotografie definitiv kein günstiges Hobby ist und das derjenige, der Ihnen das erzählt, gerade dabei ist, Ihnen einen Bären aufzubinden?

Vollformat kann schnell zur Preisfalle werden. Das Problem beim Kauf sind nicht die Kamera-Bodys selbst, sondern tatsächlich die Objektive. Die sind meistens mindestens doppelt so teuer, wie vergleichbare APS-C-Objektive. Große Zoom-Objektive schlagen dann mit 2.000 bis 3.000 Euro – pro Stück – dann schnell ein riesengroßes Loch ins Kontor. Braucht man das? Das müssen Sie entscheiden.

Was nun – Vollformat oder APS-C?
Noch immer ist keine deutliche Antwort möglich. Aber ich kann Ihnen verraten: Lassen Sie die Finger vom Vollformat. Es bringt Ihnen mit Blick auf die technische Ausstattung der Kamera und die Objektive keinen nennenswerten Vorteil. 
Wenn Sie einen Neukauf planen, dann sind Sie mit einer APS-C Systemkamera (DSLM) und „System“ meint hierbei ein Objektiv-Wechselsystem bestens bedient. Mehr brauchen Sie nicht und mehr wollen Sie auch nicht – glauben Sie mir. Lernen Sie erst die Grundlagen der Fotografie. Wenn die sitzen und Sie sich kontinuierlich weiterentwickeln und irgendwann mal in den Profimarkt einsteigen, bringt Ihnen eine Vollformatkamera mit Vollformatobjektiven den einen oder anderen Vorteil. Vor allem dann, wenn Sie das Vollformat mit einer höheren Auflösung (40,60 und mehr Megapixel) kombinieren.

Markenkampf
Puhhh, wie ich diese Markendiskussionen mittlerweile hasse. Egal ob Sony, Leica, Canon, Fujifilm, Nikon, Ricoh, Panasonic – allen liegt das gleiche Prinzip zu Grunde. Den Unterschied machen ein paar technische Features, von denen Sie wissen müssen, ob Sie diese benötigen oder nicht. Hinsichtlich Autofokus sind Sony und Canon führend, was aber nicht bedeutet, dass Nikon und Fujifilm schlecht sind. Wir reden hier tatsächlich zwischenzeitlich von Nuancen. Wenn die Trefferquote bei Canon und Sony bei 95% liegt, liegt sie bei Nikon und Fujifilm bei 93%. Alles hervorragend. Bei einer alten DSLR müssen Sie unter Umständen mit 50% klarkommen. Das ist immer noch ok. Sie brauchen eben doppelt so viele Bilder, die Sie im Nachgang sichten und bearbeiten müssen. DAS macht den Unterschied. Ob Ihnen 1/4000 Sekunde Belichtungszeit ausreicht, vermag ich nicht zu beurteilen – Sie übrigens am Anfang auch nicht. 1/8000 ist schon echt prima. 1/100.000 bedarf ausgesprochen spezieller Anwendungsgebiete und liegt fernab der „normalen“ Fotografie. Haben Sie eine nostalgische Ader, dann kommt Ihnen Fujifilm sehr entgegen. Sie wollen sich die Bildentwicklung ersparen (warum eigentlich)? Auch dann sind Sie bei Fujifilm, und zwar nur bei Fujifilm richtig.
Das Einzige, wo ich Ihnen beim Kauf wirklich ist, den Objektivkauf im Auge zu behalten. Hier liegt Canon preistechnisch weit abgeschlagen vorne. Keiner ist so teuer wie Canon – außer Leica. Und Canon hält dazu den Drittherstellermarkt bis auf ein, zwei Ausnahmen unter Kontrolle. Technisch sind sie ansonsten dem Baujahr entsprechend alle auf dem neuesten Stand.
Konkrete Tipps diesbezüglich möchte und kann ich Ihnen nicht geben. Jeder Besitzer einer Canon wird Ihnen eine Canon und keine Sony empfehlen. Ich persönlich bin eher Fujianer. Ich bleibe diesem System seit Jahren treu, habe die entsprechenden Objektive für den X-Mount und sehe keine Veranlassung, zu wechseln. Also würden Sie von mir eine klare Empfehlung für Fujifilm-Kameras bekommen (ausschließlich nur APS-C und Mittelformat). Und eine für Nikon, denn eine Nikon nutze ich für die professionelle Auftragsfotografie. Nicht groß, aber schwer. Damit werden Sie mich allerdings in meiner Freizeit nicht sehen.

Objektive
Nun habe ich viel über die Kameras geschrieben, jedoch noch gar nichts über das, was den Sensor einer Kamera, unabhängig des Formats, überhaupt in die Lage versetzt, etwas Sichtbares „zu produzieren“: Nämlich das Objektiv.
Zweifelsfrei ist das Objektiv – neben dem Kamerabody und dem Fotografen – das wichtigste Element in diesem Dreigestirn. Ein teures, großartiges Objektiv an einer billigen, 20 Jahre alten DSLR, kann ein qualitativ schlechtes Bild besser machen. Nicht gut, aber wenigstens besser. Ein schlechtes Objektiv mit einer alten Kamera kombiniert, kann das nicht. Es macht auch gute Bilder nicht besser und vermag auch keine Fehler des Fotografen auszugleichen. Eine sehr gute Vollformatkamera neuesten Datums kommt mit einem schlechten Objektiv schnell an ihre Grenzen. Billige Objektive sind für Abbildungsleistungen, wie sie für 40MP – Sensoren erforderlich sind, nicht zurecht. Die Auflösung, die der Sensor zu leisten in der Lage ist, kann so ein Objektiv nicht erfüllen. Neben dem Kamerabody sollte das Hauptaugenmerk folglich v.a. auf der Objektivauswahl liegen. Kameras mit hohen Auflösungsvermögen (ab 30MP aufwärts) benötigen Objektive, die diese Auflösung auch liefern. Und nicht jedes Objektiv passt an jedes Bajonett und an jeden Kameratyp. Fujifilm, Canon, Sony, Nikon u.a. haben ihren eigenen Mount. So verwendet Fujifilm beispielsweise den X-Mount, Nikon den Z- und F-Mount, Sony den E-Mount usw. 
Bei der Verwendung von Objektiven gleichen Mounts gibt es wieder Unterschiede zwischen Vollformat und APS-C. Ein Vollformatobjektiv mit einem Z-Mount für die Nikon Z – Serie passt auch an Nikons APS-C-Kameras mit Z-Mount. Aber ein APS-C-Objektiv lässt sich meist nur mit starken Einschränkungen im Bildkreis (Vignettierung) an einer Vollformatkamera verwenden. Auch das gilt es bei der Wahl des Kamerabodys zu beachten.

Macht also tatsächlich der Fotograf die Bilder und sind die Kamera und das Objektiv egal?
Ja und nein. Ja, der Fotograf macht die Bilder und nein, die Kamera und das Objektiv sind nicht egal. Wenn Sie einen alten Ziegelstein in der Hand halten, wird Ihnen die Fotografie nicht lange Freude bereiten. Eine schwere Kamera und große Objektive sind – egal, was Sie gerade planen – nur dann akzeptabel, wenn sich so etwas als Anfänger in Ihrem Bestand befindet. Wenn Sie neu einkaufen (müssen oder wollen), sollten Sie einen anderen Weg gehen.
Eine Kamera mit schnellem und präzisem Autofokus erleichtert Ihnen das Fotografieren enorm. Und Sie lernen Fotografieren definitiv nicht schneller oder besser, wenn Sie mit einem veralteten System einsteigen. Genauso wenig, wie Sie die Fotografie nur dann erlernen, wenn Sie nahezu ausschließlich im manuellen Modus unterwegs sind – auch wenn das immer wieder behauptet wird. Niemand weiß genau, woher der Spruch überhaupt kommt. Er wird seit Jahrzehnten nachgeplappert. Der Weg des Lernens ist erstens lang und zweitens von Erfolgen und Misserfolgen geprägt. Sie brauchen zunächst Erfolge. Bleiben diese aus, sinkt die Motivation gegen Null. Warum sollte Sie mit der Kamera vor die Türe gehen, wenn jedes zweite Bild Sch…. aussieht? 
Klar, manchmal liegt das an der unglücklichen oder sinnbefreiten Motivwahl. Sehr oft jedoch an den falschen Einstellungen und an einem ungeeigneten Objektiv. Wenn Sie schon eine moderne Kamera haben, dann lassen Sie sich doch von ihr helfen. Die kann das nämlich prima. Und wenn die ersten Wochen und Monate von Erfolgen gekrönt werden und die ersten Nachbarn Sie zur Geburtsparty einladen, damit Sie ein paar nette Bilder machen, ist doch alles in Ordnung. Das technische Interesse und die Lust auf manuelle Einstellung kommen von selbst, wenn Sie die Entstehung Ihrer Bilder hinterfragen.

In Summe: Ein klares Ja für gute Technik.

Es muss nicht immer das Teuerste sein, aber es muss gut, zuverlässig und sicher funktionieren. Wenn Ihnen das mit dem Objektivwechsel alles zu kompliziert ist, habe ich (obwohl ich das eigentlich nicht wollte) einen Tipp für Sie: Schauen sie sich doch mal eine Ricoh GR III an. Sie erhalten für unter 1.000 Euro eine kompakte APS-C-Kamera mit einem 24MP-Sensor und einer Dreiachsen-Stabilisierung sowie einem 18mm Objektiv (entspricht 27mm Kleinbildformat) und einer Offenblende f/2.8. Sie ist ausgesprochen handlich, passt in jede Jackentasche und ist sehr gut geeignet für die Streetphotography.


Viel Erfolg wünscht Ihnen Jürgen Pagel

©2024 Jürgen Pagel | Neunzehn58 (vormals Lichtwerk.Design)


*) Radio Eriwan (auch Sender Jerewan oder Radio Jerewan) ist ein fiktiver Radiosender, der unter dem sozialistisch-kommunistischen Sowjetregime Zuhörerfragen beantwortete. Dies entspricht einer Kategorie politischer, teils unmoralischer Witze, die in den sozialistischen Ländern des 20. Jahrhunderts spielen. In der DDR kursierten diese Witze mit der typischen Einleitung „Anfrage an den Sender Jerewan: …?“, in der Bundesrepublik mit „Frage an Radio Eriwan: …?“ Die Antworten auf die Fragen beginnen zumeist mit „Im Prinzip ja, aber …“
Jerewan (Eriwan) ist der Name der Hauptstadt Armeniens, früher eine Sowjetrepublik der UdSSR. Der den Witzen zugrunde liegende Rundfunksender existierte nie, allerdings gab es in Jerewan damals eine Rundfunkstation, die als „R. Yerevan“ bezeichnet wurde und die ins Ausland sendete.
(Auszug Wikipedia vom 13.02.2024)

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