Kann man in der Fotografie den falschen Weg einschlagen?

Jürgen Pagel

Vom Holzweg oder welcher Weg führt zur Erleuchtung

Der viel zitierte Konfuzius (immer wenn man ein Zitat erwähnt, dessen genauen Ursprung man nicht kennt, ist es entweder von Konfuzius oder Laotse - die kann man ja nicht mehr fragen) soll einmal gesagt haben: "Der Weg ist das Ziel." Meines Wissens stimmt das jedoch so nicht. Sein Ausspruch war vielmehr: "Wer das Ziel erreicht hat, wird den Weg dorthin vermissen." Denn der Weg und das Ziel sind ein paar vollkommen verschiedene Schuhe. Und wenn man denn sein Ziel wirklich erreicht, wird man voller Ehrfurcht auf den Weg zurückblicken. Mit Stolz und Wehmut. So, jetzt aber Schluss mit der Philosophie.

Gibt es in der Fotografie einen falschen Weg?

Um das einer näheren Betrachtung zu unterziehen, sollten wir mit dem beginnen, was als falsch angesehen wird. Wobei wir trefflich darüber diskutieren können, wer oder was bestimmt, was falsch und logischerweise richtig ist. Wenn etwas falsch ist, muss etwas anderes zwangsläufig richtig sein und das wäre mir zu einfach.

Der Automatikmodus

Der Automatikmodus ist falsch. Der manuelle Modus ist der einzig richtige Weg, Fotografie zu erlernen.

Ist das so? Ist nicht der Automatikmodus derjenige, der überhaupt die ersten Bilder entstehen lässt und der es dem Fotografen (an dieser Stelle wie immer der Hinweis, dass ich gendern verabscheue) überhaupt erst ermöglicht, sich auf das Wesentliche der Fotografie zu konzentrieren - nämlich auf sein Motiv und die Bildgestaltung? Moderne Kameras verfügen heute über ein gehöriges Maß an künstlicher Intelligenz, die eine Bildwirkung sinnvoll unterstützen kann. Ich finde, niemand muss sich schämen, wenn er im Automatikmodus (P, S, A) fotografiert und das Produkt Gefallen findet. Natürlich überlasse ich dann der Kamera die Entscheidung, mit welcher Blende und/ oder welcher Belichtungszeit das Bild "geschossen" wird. Aber das muss keineswegs "automatisch" schlecht sein. Und für Anfänger in der Fotografie ist das ein hervorragender Weg zur gestalterischen Arbeit. Wie lange ist man übrigens ein Rookie?
Selbst Profis verwenden den A- oder S-Modus relativ häufig. Ich persönlich fotografiere nahezu ausschließlich im A-Modus und gebe lediglich eine Begrenzung der ISO vor. Das macht für mich auch Sinn, da ich selten in der Landschaftsfotografie unterwegs bin, wo die Motive nicht weglaufen können.

Die Antwort auf die Frage, ob der Automatikmodus grundsätzlich falsch ist, wäre also: "Nein. Es kommt darauf an."

Kamera kaufen ohne technisches Verständnis

Das kann zu einem Problem werden (das erlebe ich ständig bei meiner Frau [Smilie]). Den Smilie muss ich dazu setzen - sie liest nämlich auch meine Artikel.

Muss es aber nicht. Als ich mir meine erste Kamera gekauft habe - eine Canon 1300D, hatte ich keinerlei Ahnung davon, wie eine Kamera funktioniert. Das hat mich auch nicht interessiert. Ich wollte einfach fotografieren. Nicht mehr und nicht weniger. Und ich denke, so geht es den meisten von uns - auch denjenigen, die später Berufsfotograf geworden sind. Technisches Verständnis ist zu Beginn der fotografischen Aktivität m.E. keines erforderlich. Das Kenn dr Bedienungselemente - ja. Aber wie ein Sensor funktioniert, welche Auflösung der Monitor oder der Sucher haben, spiet zunächst keine Rolle. Nicht jeder ist ein Technik-Nerd und muss es auch nicht werden.


Alles verwackelt

Wichtiger ist das schon die Erkenntnis, dass trotz vermeintlich ruhiger Hand alles verwackelt. Ist das gewollt, so stellt es einen künstlerischen Ausdruck dar. Geschieht es versehentlich, ist ein Stativ durchaus hilfreich. Oder eben die Erkenntnis, das die maximale Verschlusszeit, die man verwackelungsfrei mit der Hand halten kann, dem Kehrwert aus dem Produkt von Brennweite und dem Coop-Faktor besteht. Also 50mm Brennweite entspricht in etwa 1/50 Sekunde, 35mm ca. einer 1/35 Sekunde. Kameras mit IBIS (In-Body-Image-Stabalizer), also einer internen Stabilisierung oder einer Objektivstabilisation erlauben bis zu 3 Blendenstufen und mehr Verlängerung der Verschlusszeit. Falscher Weg? Mitnichten. Beherrscht man diese einfache Regel, ist die Erleuchtung nahe.


Die ISO

Die ISO (Lichtempfindlichkeit eines Filmes) wurde in analogen Zeiten eingeführt. Heute lehnt sich das System moderner Digitalkameras an diesen Standard an. Damit kann man ganze Seiten füllen. Machen wir aber nicht. Einfach ausgedrückt verdoppelt sich die Helligkeit bei einer Verdoppelung der ISO-Zahl. ISO 400 ergibt also ein doppelt so helles Bild, wie eine ISO 200. Die meisten Kameras vertragen Werte von ISO 3200 recht problemlos. Auch ISO 6400 sind je nach Kameratyp durchaus machbar. Werte darüber führen zu einem sogenannten digitalen Rauschen, das gerne als "Korneffekt" bezeichnet wird (vergleichbar mit dem "Korn" analoger Filme. Das ist es jedoch nicht. Dieses Rauschen lässt das Bild etwas grob wirken und sieht bei entsprechender Vergrößerung nicht wirklich schön aus. Mit Bildbearbeitungsprogrammen lässt sich das in den Griff bekommen - aber nur bis zu einem gewissen Grad. Greift man zu sehr zur Rauschunterdrückung, wirkt das Bild matschig und unscharf. Selbst Nachschärfen bringt hierbei nicht immer den gewünschten Effekt. Aber in den meisten Fällen fallen ISO-Werte jenseits der 3200 erst bei 100facher Vergrößerung und mehr auf - dem sogenannten Pixel-Peeping. Das macht aber kein normaler Betrachter. Und bis DIN A4 ist das auch im Druck nicht wirklich ein Problem. Ansonsten hilft schlicht ein größerer Betrachtungsabstand.
Hohe ISO-Werte sind also nicht grundlegend falsch. Vielmehr ist es so, dass ein verwackelungsfreies Bild mit einem hohen ISO-Wert immer noch besser ist, als gar kein Bild.

Das Blitzen

Mit Blitz zu arbeiten ist eine Wissenschaft für sich. Was auf's Erste einfach klingt, ist im Grunde höchst komplex. Nicht kompliziert, aber komplex. Oftmals hörst Du: "Ich bin Available Light Fotograf. Ich halte nichts vom Blitzen." Meist ist das nur eine Ausrede von jemandem, der sich noch nie richtig mit dem Blitzen auseinandergesetzt hat (ich gehörte übrigens auch eine Zeitlang dazu). Du bist aber keineswegs auf dem Holzweg, wenn Du nur mit natürlichem Tageslicht arbeitest. Du wirst früher oder später das Bedürfnis haben, Dich mit der Belichtungsmessung auseinanderzusetzen und Dir den ersten externen Blitz zulegen wollen. Alles gut. Es geht auch ohne. Das ist allerdings etwas teurer, als einen Blitz zu verwenden, da lichtstarke Objektive (f/2.0 oder weniger) und Kameras mit IBIS blöderweise deutlich kostspieliger sind, als die Anschaffung eines Blitzgerätes. Außerdem lassen sich mit Blitz (oder Dauerlicht) Effekte erzielen, die mit dem natürlichen Licht nicht funktionieren. Nicht zu Blitzen ist also nicht falsch. Blitzen bereichert die Fotografie, aber es ist nicht zwingend.

Ähnlich verhält es sich mit dem nächsten Punkt.

Die Bildmitte

Viele Beiträge vermiesen einem das Fotografieren, weil sie die Bildmitte als Tabuzone bezeichnen. In der Tat wirken manche Bilder überhaupt nicht, wenn der sogenannte freie Raum, also der Raum, in der Bildaussage getroffen wird, rund um das Objekt zu finden ist. Aber deswegen ist die Bildmitte keineswegs tabu. Viele Motive vertragen es sehr gut, wenn man sie in die Mitte des Bildes platziert. Probiere es aus. Aber ein richtig oder falsch gibt es dabei nicht. Es gibt eine gute oder eine schlechte Bildwirkung. Dennoch kann und darf das Bild dem Betrachter durchaus gefallen.

Selbstüberschätzung

Ok, das ist tatsächlich der einzige Punkt, der falsch sein kann. Nicht muss, aber kann. Hier lauert der Holzweg und die Gefahr, sich von der Erleuchtung zu entfernen, ist groß. Aber dem lässt sich einfach entgegenwirken.
Zeige Deine Bilder Menschen, die keine Ahnung von dem haben, was Du da eigentlich treibst. Hier erwarten Dich die ehrlichsten Antworten.
Fotografiere weder für Facebook noch für Instagram. Das ist ein Refugium für Trolle, die ungefragt Bildkritiken abgeben. Falscher Ort. Definitiv. Und wenn Du doch einmal dort etwas postest, dann lebe damit, dass Du keine Likes bekommst. Das heißt nämlich nicht, dass Deine Bilder schlecht sind, sondern das der Algorithmus sie niemandem zeigt, weil Deine Reichweite zu gering ist. Also zurück auf dem Boden der Tatsachen. Schaue Dir Deine Bilder von Zeit zu Zeit und mit Abstand an. Drucke sie aus und notiere Dir, was Du das nächste Mal besser machen kannst und willst. Das nennt man übrigens Selbstkritik und dazu brauchst Du keine virtuellen Freunde. Und schon bist Du wieder auf dem richtigen Weg!


© Jürgen Pagel 2022 LICHTWERK.DESIGN

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