Lichtstärke Vollformat vs. APS-C

Jürgen Pagel

Muss man die Lichtstärke auf das Vollformat umrechnen? 

Eine interessante Frage, auf die ich kürzlich in einem Artikel David Lee auf der Seite von digitec.ch gestoßen bin.
Tatsächlich ist es so, dass die gleiche Brennweite an verschiedenen Sensorgrößen unterschiedlich aussieht, weswegen man beispielsweise ein APS-C-Format auch auf Kleinbildformat umrechnet.

Aber muss man das auch mit der Blende und mit der Lichtstärke machen?

Die Antwort auf diese Frage ist gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Fakt ist, dass sich die Sensorgröße auf die Kamera und sich die Blende sowie die daraus resultierende Lichtstärke auf das Objektiv beziehen. Bei der Verwendung unterschiedlicher Sensorgrößen (also beispielsweise Vollformat vs. APS-C) bleiben jedoch beim Objektivwechsel sowohl die Blende wie auch die Lichtstärke gleich.

Ausgangslage für die Idee, die Lichtstärke umzurechnen, ist Folgende: Wenn man den gleichen Bildausschnitt mit der gleichen Blende mit unterschiedlichen Sensorgrößen fotografiert, dann sieht das Foto trotzdem nicht ganz gleich aus: die Tiefenschärfe ist unterschiedlich. Am großen Sensor verschwimmt der nicht fokussierte Hintergrund stärker.

Quelle: www.youtube.com/watch?v=f5zN6NVx-hY


Der Einfluss auf die Tiefenschärfe ist im Fenster deutlich zu erkennen.


Man kann nun die Blendenzahl ebenfalls mit dem Crop-Faktor verrechnen, um auf eine vergleichbare Tiefenschärfe zu kommen. Beispiel: APS-C 75 mm und f/4 entspricht einem Bild in Vollformat mit 112,5 mm Brennweite und f/6.

Man muss jedoch sehr aufpassen, dass man keine falschen Schlussfolgerungen zieht. Insbesondere darf man nicht die umgerechneten Werte mit den Realen verwechseln.


Wenn man den Bildausschnitt bei verschiedenen Sensorgrößen angleicht, ist die reale Brennweite unterschiedlich. Und die Tiefenschärfe hängt von dieser physischen Brennweite ab, nicht von der Sensorgröße. Wenn man die gleiche reale Brennweite verwendet - etwa mit einem Festbrennweitenobjektiv, dann ist die Tiefenschärfe mit gleicher Blende an beiden Sensorgrößen gleich. Das zeigt zumindest der Praxistest.


Es ist nun nicht so, dass ein Objektiv mit Lichtstärke f/4 am Vollformatsensor, dann nur noch Lichtstärke f/6 hätte. Die reale Lichtstärke bleibt weiterhin bei f/4, sie verändert sich nicht, da sie Objektivabhängig ist.

Die Blende sagt bekanntlich nicht nur etwas über die Tiefenschärfe, sondern auch, wie lange unter bestimmten Bedingungen belichtet werden kann – und darum gehts hauptsächlich, wenn man von «Lichtstärke» redet.

Wie stark die Belichtung ist, hängt von drei Faktoren ab: Belichtungszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit. Wenn ein bestimmtes Foto mit 1/60 Sekunde, f/2 und 100 ISO richtig belichtet ist, dann ist das immer so, unabhängig von der Sensorgröße und vom verwendeten Objektiv. Wenn ich anfange, die Blende umzurechnen, dann stimmt die Belichtung nicht mehr.


Tatsächlich ist es so – zumindest in meinem eigenen Versuchsaufbau, dass ein Bild mit einer Nikon Z6II (Vollformat), 35mm, ISO 160 und f/5 eine Belichtungszeit von 1/15 aufweist - genauso wie das gleiche Motiv mit einer Fujifilm X-T4 (APS-C) mit 35mm, ISO 160 und f/5 nach angleichen der Belichtung ebenfalls 1/15 beträgt.


Es gibt nun Leute, die behaupten, man müsse den ISO-Wert auch noch umrechnen, nämlich den Crop-Faktor im Quadrat multiplizieren. 1,5 im Quadrat ist 2,25. Im obigen Beispiel: APS-C: f/2 und 100 ISO entspricht im Vollformat f/3 und 225 ISO.

Durch diese Doppel-Umrechnung stimmt dann zwar die Belichtung wieder. Aber die ganze Rechnerei bezieht sich immer nur auf die Vergleichbarkeit von Bildern, nicht von Objektiven. Ein Objektiv mit Lichtstärke f/6 hat an APS-C nicht die Lichtstärke f/4, sondern immer noch f/6. 


Fazit

Wer ein Vollformat-Objektiv an einer APS-C-Kamera benutzen will, muss folgendes beachten:


1. Für den gleichen Bildausschnitt muss die Brennweite an APS-C durch den Crop-Faktor (1,5 bzw. 1,6 – je nach Kameramodell) geteilt werden. Die Tiefenschärfe bleibt dabei aber nicht dieselbe. Um die gleiche Tiefenschärfe zu erhalten, müsste man die Blendenzahl ebenfalls mit dem Crop-Faktor verrechnen.


2. Die reale Lichtstärke eines Objektivs, d.h. welche Blendenöffnung man maximal wählen kann, bleibt von diesen ganzen Rechnereien völlig unbeeindruckt. Ein Objektiv mit Lichtstärke f/4 liefert immer f/4, egal an welcher Sensorgröße.


Schlussendlich sollte man als Praktiker aber nicht das Fotografieren vergessen. Bei aller Rechnerei, die bisweilen mehr Verwirrung stiftet, als dass sie nutzt, gilt es, den Bildausschnitt im Auge zu behalten und durch die geeignete Blendenwahl die Tiefenschärfe zu bestimmen. Welche Belichtung dann am Ende dabei herauskommt, kann man getrost der Kamera überlassen.

Beachtet man ein paar Grundregeln, dann ist auch die Frage, was besser ist APS-C oder Vollformat, tatsächlich obsolet. Mit beiden Sensorgrößen lassen sich beeindruckende Fotos machen und einen Unterschied zwischen beiden lässt sich - wenn überhaupt - nur erahnen. Tatsächlich jedoch - legt man beide Bilder unmittelbar nebeneinander - sieht auch der Profi keinen Unterschied.


Quelle: https://digitec.ch/de/page/muss-man-die-lichtstaerke-auch-aufs-kleinbildformat-umrechnen-5480


© 2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design


Neunzehn58 Photographie

Apokalyptische Szene
von Jürgen Pagel 24. April 2025
Wenn Fotograf:innen extrem niedrige Preise verlangen (oft weit unter dem marktüblichen Niveau), kann das tatsächlich dazu führen, dass Kund:innen ein verzerrtes Bild vom Wert professioneller Fotografie bekommen. Das Resultat: Der Preis wird als wichtigstes Kriterium wahrgenommen – nicht die Qualität, die Erfahrung oder der Service. Das ist gefährlich für alle, die nachhaltig und professionell arbeiten möchten.
Sammlung alter Kameras und Objektive
von Jürgen Pagel 23. April 2025
Viele schwören darauf, manche lehnen sie kompromisslos ab. Sehr wahrscheinlich haben beide Gruppen unrecht. Nur weil das Objektiv alt ist, ist es nicht zwangsläufig gut. Wenn eines seinen eigenen Charakter an einer Fujifilm X-T5 entwickelt, muss das an einer Nikon Z8 nicht unbedingt auch funktionieren. Richtig ist, dass sich am technischen Vorgang der Fotografie wenig geändert hat. Richtig ist aber auch, dass die Objektive aus den 50er bis in die frühen 90er Jahre in erster Linie für analogen Film entwickelt und gefertigt wurden. Und oftmals sind sie als Massenprodukt millionenfach hergestellt worden, ohne dass man Wert auf eine herausragende Qualität gelegt hat, denn auch nach 1950 saß das Geld nicht locker und wer sich schon für ein paar hundert Mark eine Kamera leisten konnte, dem kam die Industrie mit einigermaßen günstigen Objektiven entgegen.
Blitzlicht alt
von Jürgen Pagel 21. April 2025
Einer meiner großen Vorbilder in Sachen Blitzlichtfotografie ist - wie ich schon in einem anderen Blogbeitrag erwähnte - Aki Moosmann. Am 21.04.2025 erschien ein neues Video auf seinem YouTube-Channel, dass sich wieder einmal mehr mit dem Einsatz eines Blitzes bei Outdoor-Shootings und in einer U-Bahnhaltestelle beschäftigt. gerne teile ich dieses Video mit Euch!
Portfolio Personal Branding Mann im speziellen Licht
von Jürgen Pagel 20. April 2025
Erfahre, wie Personal Branding Fotografie deine Marke stärkt. Tipps, Bildideen & Strategien für authentische Businessportraits, die wirklich wirken.
Gemüse mit Preisbeschriftung auf einem Markt
von Jürgen Pagel 20. April 2025
Lerne, wie du als Fotograf realistische und faire Preise kalkulierst. Inklusive Beispielrechnungen, Tipps zur Preisgestaltung & Stundensatz-Berechnung.
Sezifikationsdaten der Fujifilm X-H2
von Jürgen Pagel 18. April 2025
In einer Welt, in der Kameras in technischer Hinsicht immer ähnlicher werden, gelingt es Fujifilm, aus der Masse hervorzustechen – nicht nur durch beeindruckende Technik, sondern auch durch ein ganz besonderes fotografisches Erlebnis. Als Besitzer der Fujifilm X100VI und X-H2 kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Diese Kameras begeistern nicht nur durch ihre 40 Megapixel Auflösung, sondern durch eine nahezu magische Verbindung aus Bildqualität, Design und Emotion.
Aufmerksamer Hund in Pose als Portrait
von Jürgen Pagel 18. April 2025
Das 50mm-Objektiv gilt nicht ohne Grund als einer der beliebtesten Brennweitenklassiker in der Fotografie. Leicht, kompakt, lichtstark und vielseitig einsetzbar – es begleitet Fotograf:innen seit Jahrzehnten durch alle Genres. Doch wie verhält sich das beliebte „Normalobjektiv“ an unterschiedlichen Sensorgrößen, insbesondere im Vergleich von APS-C zu Vollformat? Und welche Motive lassen sich damit besonders wirkungsvoll in Szene setzen?
KI generiertes Model
von Jürgen Pagel 13. April 2025
H&M nutzt neuerdings künstliche Intelligenz, um digitale Doppelgänger von 30 Models zu erstellen, die in Marketingkampagnen und sozialen Medien eingesetzt werden sollen Diese Entwicklung wirft Fragen zur Zukunft von Fotografen, Stylisten und Models auf, da die digitalen Avatare potenziell die Nachfrage nach realen Modellen reduzieren könnten Die Models selbst können jedoch über ihre digitalen Doppelgänger bestimmen, sie für virtuelle Shootings zu nutzen und an andere Marken zu verkaufen Trotzdem machen Agenturen in Berlin große Sorgen, da sie beobachten, dass Kunden vermehrt Anfragen stellen, um sich weitreichende Bild- und Persönlichkeitsrechte vertraglich zu sichern und diese dann für KI-Anwendungen zu verwenden. Ohne klare gesetzliche Grundlagen ist es schwierig, fundierte und nachhaltige Entscheidungen zu treffen oder Schutzmechanismen zu etablieren.
Leica Kamera M9
von Jürgen Pagel 13. April 2025
Der Begriff „Leica-Look“ ist ein regelrechter Mythos unter Fotografen – geliebt, diskutiert, manchmal auch belächelt. Ja, viele sagen: Den Leica-Look gibt es. Aber er ist kein rein technisches Phänomen, sondern ein Zusammenspiel aus Optik, Sensorcharakteristik, Farbwiedergabe – und einer gewissen Portion Subjektivität und Markenmystik.
Fujifilm X100VI
von Jürgen Pagel 6. April 2025
Die Fujifilm X100VI (mittlerweile ist sie wieder problemlos verfügbar) ist eine Edel-Kompaktkamera mit einem 40 MP-Sensor und Objekterkennung. Sie nutzt den gleichen Sensor wie die X-H2 und die X-T5. Die Bildqualität ist herausragend, die fast schon legendären Filmsimulationen von Fujifilm stets eine gute Wahl für JPEG-Enthusiasten. Die Kamera ist für Einsteiger in das Fujifilm-System ebenso geeignet, wie für ambitionierte Hobbyfotografen oder für Profis als Backup-Kamera.
Weitere Beiträge