Minder ist oft mehr

Jürgen Pagel

Minder ist oft mehr ...

Das Zitat entstammt dem 1774 erschienenen Gedicht "Neujahrswunsch" von Christoph Martin Wieland.
Aber hier geht es nicht um Gedichte, sondern um die Fotografie, bei der dieses Zitat durchaus bedeutsam ist.

Fotografischer Minimalismus zeichnet sich v.a. durch Beschränkung aus. Beschränkung auf Formen und Farben, auf Linien, Muster, negativen Raum und Kontraste.
Allzu oft sehen wir als Fotograf ein Motiv, sind davon begeistert, bemerken jedoch nicht, dass das Bild dem Motiv gar keinen Raum lässt. Zu viel Hintergrund. Zu viel, welches vom eigentlichen Sehenswerten ablenkt.
Oftmals fehlen klare Linien, das Bild wirkt flau, weil kontrastarm, irgendwie langweilig.
Dann wird es höchste Zeit, dass Du Dich reduzierst. Die Firma Smart prägte 1997 das Motto: RTTM – Reduce to the Max. Bedeutet die Reduktion auf das absolute Minimum und damit auf die Essenz einer Sache/eines Dings – sozusagen auf eine Kernbotschaft.

Welche Botschaft soll Dein Bild vermitteln, was bezweckst Du damit, was willst Du damit aussagen? Verstehe mich nicht falsch – nicht jedes Bild muss gleich eine ganze Geschichte erzählen, auch wenn das überall nachzulesen ist. Dem ist keineswegs so, zumal die Bilder, welche tatsächlich „Geschichten“ erzählen, allzu oft ein Produkt des Zufalls sind. Die wenigsten Fotografen laufen den ganzen Tag herum und suchen nach Motiven, aus denen sie dann eine Geschichte machen können. Wenn Dir das gelingt, ist das großartig. Aber diese Geschichten müssen erstens jemanden interessieren und zweitens vor allem gefallen. 

Ein Bild darf auch nur schön sein. Und dazu bedarf es keiner Geschichte, vor allem jedoch der Kreativität. Im Idealfall bestimmst Du das bereits bei der Bildkomposition. Du kannst dies jedoch auch nachträglich in der Bildentwicklung herausarbeiten. Lightroom u.a. bieten Dir hierfür eine Vielzahl an Maskenfunktionen. 

Spiele mit Farben
Farben bieten Dir unendliche Kombinationsmöglichkeiten. Suche nach Komplementärfarben. Zum Beispiel Rot und Blau oder Grün und Lila. Ein Farbrad hilft Dir dabei, die richtige Farbkombination zu finden.
Suche Dir Motive, bei der die Farbe eine besondere Rolle spielt. Das kann eine in Rot gekleidete Frau im Regen oder an einem dunklen, tristen Herbsttag sein. Oder ein gelbes Auto, welches als einziges in einer Stadt über eine Straße fährt. Oder Du isolierst eine einzige kraftvolle Farbe und hältst den Rest dunkel und eintönig.

Linien
Linien sind ein führendes Element in der Fotografie. Linien tragen maßgeblich dazu bei, eine dreidimensionale Vorstellung von etwas Eindimensionalen zu bekommen. Dabei müssen das nicht Linien im eigentlichen Sinne sein. Ebenen in Landschaften, senkrechte, horizontale oder diagonale Anordnungen sind dazu hervorragend geeignet. Auch der perspektivische Verlauf einer Straße kann eine Linienführung beinhalten.

Kontraste
Kontraste beziehen sich nicht ausschließlich auf Unterschiede zwischen Hell und Dunkel. 
Kontrast in der Fotografie bedeutet Unterschied zwischen den verschiedenen Bildelementen
Unterschiede können in der Helligkeit, Farbgebung, Struktur oder inhaltlichen Aussage bestehen
Der Hell-Dunkel-Kontrast arbeitet mit den Lichtverhältnissen im Bild und der Verteilung der Töne auf der Skala zwischen weiß und schwarz. Farbkontraste können zwischen Komplementärfarben, kalten bzw. warmen, analogen Farben oder ähnlichen Farbtönen entstehen. Strukturkontraste zeigen sich zwischen Objekten mit unterschiedlicher Oberfläche oder Beschaffenheit, oder zwischen einem Motiv und seinem Hintergrund. Dazu zählen Eigenschaften wie weich-hart, glatt-rau, zart-grob. Konzeptioneller Kontrast ist eher inhaltlich und hängt vom persönlichen Empfinden ab. Er entsteht zwischen gegensätzlichen Motiven mit Eigenschaften wie alt-neu, groß-klein, künstlich-natürlich.

Nutze negativen Raum
"Der Blick des Betrachters wird vielleicht auf eine zentrale Figur gelenkt, doch der große leere Bereich, der diese Figur umgibt und sie definiert, fällt ebenfalls ins Auge." (“Fotografie des negativen Raums l Leitfaden für Einsteiger l Adobe”) Die Leere (egal, in welcher Form) definiert und betont das Motiv. "„Wenn das Model oder das Motiv das Substantiv ist“, erklärt Fotograf Jimmy Marble, „dann ist der negative Raum das Adjektiv.“" (“Fotografie des negativen Raums l Leitfaden für Einsteiger l Adobe”)
„Es ist Minimalismus in fotografischer Form“, so Fotograf Will Milne. „Das Bild enthält einen Fokuspunkt und sehr wenige andere Elemente.“ Der Fokuspunkt oder das Hauptmotiv ist der positive Raum. Der Rest des Bildes – ob ein leerer Himmel oder ein weißer Studiohintergrund – ist der negative Raum.
     
Unabhängig von Deinem Fokuspunkt oder Motiv darf der Raum darum herum nicht zu übersehen sein. „Der negative Raum soll dem Motiv die Schau stehlen“, rät Petecia Le Fawnhawk-Maggiori. Eine gute Faustregel ist, dass die Menge des negativen Raums mindestens die Hälfte des Fotos einnehmen sollte, um den richtigen Effekt zu erzielen. Ein Beispiel für die Fotografie des negativen Raums ist ein Landschaftsfoto, auf dem eine einzige Person in der Ferne zu sehen ist und dass hierdurch ein Gefühl der Weite und Einsamkeit vermittelt.

Versuche Dich in der minimalistischen Fotografie und Du wirst begeistert sein.

©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design

Neunzehn58 Photographie

Kamera von Fujifilm
von Jürgen Pagel 12. Juni 2025
Ich bin immer wieder überrascht (nein, nicht wirklich), wie YouTuber und damit wirklich fast alle YouTuber gemeint, die sich mit Kameras und Fotografie beschäftigen, sich mit Meldungen über ein neues Kameramodell geradezu überschlagen. Kaum ist es veröffentlicht, findet man in den kommenden 14 Tagen keinen Kanal, in dem nicht genau über diese Kamera, auf die angeblich alle gewartet haben, gesprochen wird. Diesmal ist es die Nachfolgerin der Fujifilm X-E4, die Fujifilm X-E5. Die X-E4 war kein Flop, sondern eher ein Liebhaberstück mit kleiner, aber treuer Fangemeinde. Sie verkaufte sich solide, aber nicht in dem Maße, dass Fujifilm sie weitergeführt hätte. Daher kann man sagen: kein „Verkaufsschlager“ im Mainstream, aber ein Achtungserfolg unter Kennern. Nun ist der Vorhang für das Nachfolgemodell gefallen.
Frau auf E-Scooter
von Jürgen Pagel 7. Juni 2025
Nur zwei Wochen mit dem E-Scooter (Segway Ninebot Max G3) zeigen mir als Radfahrer wichtige Unterschiede hinsichtlich Agilität, Lenk- und Bremsverhalten auf, die VOR der ersten Fahrt oder dem ersten Bodenkontakt wichtig wären zu wissen.
Ski fahrende Kinder
von Jürgen Pagel 2. Juni 2025
Anfänger erhalten viele Empfehlungen, die nur schwer umzusetzen sind, weil sie ein Mindestmaß an technischem Verständnis voraussetzen. Ok, das Belichtungsdreieck sollte tatsächlich verinnerlicht sein. Aber vieles andere überfordert. Die Folge ist häufig misslungene Bilder, die trotzdem den Weg in die sozialen Medien finden – mit der Konsequenz teils harscher Kritik, welche nicht gerade dazu motiviert, weiter zu fotografieren. Deswegen habe ich fünf Tipps für Dich als Einsteiger und Anfänger in der Fotografie, die Dir helfen werden, Dich mehr mit Deinen Bildern und Deiner Kamera auseinanderzusetzen und die dazu geeignet sind, Deine Bilder mit der Kamera besser zu machen, die Du gerade zur Hand hast.
E-Scooter in Reih und Glied
von Jürgen Pagel 2. Juni 2025
Ein kurzes Resümee nach hundert Kilometern. Ich habe mir den E-Scooter von Segway nicht gekauft, um umweltschonend unterwegs zu sein. Denn der muss mit Strom geladen werden, der zwar aus meiner Öko-Steckdose kommt, aber ich habe weder eine Solaranlage auf dem Dach, noch erzeuge ich den Strom dafür durch Treten auf dem Fahrrad-Hometrainer. Und hergestellt werden musste er ja auch - mit Aluminium, seltenen Erden und anderem mehr.
Fantasy Göttin
von Jürgen Pagel 1. Juni 2025
Diesmal geht es um die Aussagen, die häufig als Lösung für das „richtige“ Fotografieren oder für Krisensituationen verkauft werden. Eine kritische Betrachtung tut Not und jeder, der sich in einer fotografischen Krise befindet, sollte sich bewusst sein, dass Phrasen schnell gedroschen sind und meist dazu dienen, schnelle, universelle und dennoch selten funktionierende Lösungen zu verkaufen. Deswegen beachtet bitte, dass ich keine Tipps geben möchte, was richtig oder falsch ist. Es ist stets eine individuelle Betrachtung erforderlich, um Ratschläge zu geben und die eigenen Erfahrungen müssen nicht zu dem passen, was Du im Besonderen erwartest.
Frau auf E-Scooter
von Jürgen Pagel 21. Mai 2025
Als Fotograf mobil unterwegs: Warum ein E-Scooter wie der Segway Max G3 D ein echter Vorteil im Fotoalltag ist. Flexibler arbeiten, neue Locations erreichen und Gelenke schonen – erfahre, wie moderne Mobilität die Fotografie verändert.
Drachen Mythos
von Jürgen Pagel 18. Mai 2025
Mythen sind traditionelle Erzählungen, die sich Menschen seit Jahrhunderten erzählen, um die Welt, das Leben oder bestimmte Phänomene zu erklären. Sie stammen oft aus frühen Kulturen und Religionen und haben meist einen symbolischen, belehrenden oder erklärenden Charakter. In der Fotografie halten sich viele Mythen hartnäckig. Sie stammen überwiegend aus einer Zeit, in der die Kamera- und die Technik des Fotografierens in den Kinderschuhen steckte, wie beispielsweise „Wenn die Sonne lacht, nimm‘ Blende 8“.
Jubelndes Publikum im gleißenden Scheinwerferlicht
von Jürgen Pagel 5. Mai 2025
Eine Sigma BF ist kein Gamechanger. Wenn ein Hersteller die Einstellungsmöglichkeiten seiner Kamera deutlich reduziert und dieses als wichtige Essenz der Fotografie verkauft, wird das angesichts des Preises von 2.400 Euro zum Marketing-Gag. Die Specs sind bescheiden und jede Einsteigerkamera für unter 1.500 Euro verfügt über die Leistung, die eine Sigma BF erbringt. Das diese aus einem Aluminiumblock gearbeitet, gefräst und geschliffen wurde, mag beeindruckend sein, aber einen Nutzen hat davon kein Fotograf. Eine Fujifilm GFX100RF begeistert mich tatsächlich auf Grund der Bildqualität und über 5.000 Euro sind für eine Mittelformat-Kamera schon fast ein Schnäppchen. Dennoch ist sie kein Gamechanger, weil sie die Motivsuche, die Bildkomposition und das Können des Fotografen zwar im positiven Sinn unterstützt, aber eben nicht ersetzen kann. Man muss sehr gut fotografieren können, um mit einer Kamera aus dieser Klasse (ohne IBIS), großartige Bilder zu erzeugen.
Fujifilm GFX100RF
von Jürgen Pagel 3. Mai 2025
Eine der meines Erachtens besten Neuerscheinungen im Jahr 2025 ist die Fujifilm GFX100RF, eine kompakte Mittelformatkamera mit einem festverbauten Objektiv.
Sony Vollformatkamera
von Jürgen Pagel 30. April 2025
Die kurze Antwort: Nicht immer. Ob ein Vollformatsensor tatsächlich einem APS-C-Sensor überlegen ist, hängt stark vom Anwendungsfall ab. Es gibt objektive Unterschiede zwischen den Sensorformaten, aber „besser“ ist nicht automatisch gleich „Vollformat“.
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