Sind wir auf dem Holzweg?

Jürgen Pagel

Sind wir Fotografen auf dem Holzweg?

Immer mehr Unzufriedenheit macht sich unter Fotografinnen und Fotografen breit. Der Grund dafür ist überwiegend in den sozialen Netzwerken zu suchen.

Sind wir auf dem Holzweg? Sind Instagram und Facebook der Tod für die Fotografie?
Instagram gibt es seit 2010, Facebook seit 2004 Ich persönlich verfolge die Entwicklung beider Plattformen von Anbeginn an. War Facebook bis vor einigen Jahren der jüngeren Generation vorbehalten, so hat sich das im Laufe der Zeit deutlich gewandelt. Mittlerweile liegt der Altersdurchschnitt in FB bei 35+, der bei Instagram übrigens zwischenzeitlich auch bei 29+. Beide Kanäle sprechen also ein relativ reifes Publikum an. Wohingegen TikTok bisher den 13-24jährigen, die zusammen ca. 50% der User ausmachen, vorbehalten blieb. Letztere Plattform spielt jedoch nur eine untergeordnete Rolle, da diese ausschließlich von Kurzfilmen "lebt".

Wo ist nun das Problem?
Facebook erlaubt das klassische 3:2-Format und andere. Instagram dagegen erlaubt ohne Verschnitt nur das Hochkant- bzw. das quadratische Format. Das Hochkant-Format ist in der Fotografie allerdings selten geeignet. Die Bildaussage ist bei einem entsprechenden Beschnitt aus dem 3:2-Format heraus deutlich reduziert, da Information vor allem in der Breite des Bildes liegt, was durch unseren Sehwinkel von ca. 45 Grad begründet liegt. Natürlich wirken Bilder durchaus auch im Hochformat. Allerdings rückt dann - auf Grund fehlender Bildaussage in der Höhe (dort gibt es zumeist nur Boden und Himmel, was nun beides nicht sonderlich interessant ist) - ausschließlich das eigentliche Motiv ohne Kontext in den Blick. Das kann spannend sein, ist es aber meistens nicht. Gleiches gilt für das quadratische Format. Die wenigsten Fotografen fotografieren freiwillig im Quadrat. Zuviel Information und damit Bildaussage gehen verloren.
Warum Instagram sich für diese Formate entschieden hat, bleibt deren Geheimnis. Sehr wahrscheinlich ist der Grund in der nahezu ausschließlichen Handynutzung zu suchen.
Wir Fotografen wissen jedoch, dass eine Fotografie mit viel Bildinhalt auf dem Handy nicht wirklich wirkt. Ein Sonnenuntergang am Meer lebt vom Nichts. Vom Nichts, außer dem Meer und der untergehenden Sonne. Bleibt nur noch die Sonne sichtbar, fehlt der Kontext. Ein Ganzkörperportrait wirkt im quadratischen Format gar nicht und hochkant nur sehr eingeschränkt, weil die Person auf dem Handy betrachtet recht klein ist, die Bildinformationen in der Breite völlig fehlen und ein Zoomen erforderlich wird, um das Gesicht erkennen zu können.

Warum machen wir das mit?
Warum unterwerfen wir uns einem Algorithmus, der alles kann, aber nix richtig und der dazu noch alle Nase lang geändert wird? Warum schneiden wir unsere 3:2 auf 4:5, obwohl wir wissen, dass es eigentlich nicht das ist, was wir damit aussagen wollten? Wenn Likes, wegen Herzchen? Wieso investieren wir mehr als Jahr in kontinuierlichen kostenlosen Content für Herzchen? Wer - und jetzt mal Hand auf's Herz - verdient denn wirklich seinen Lebensunterhalt als Fotograf mit Kundinnen und Kunden, die er aus Instagram und Facebook generiert hat? Für Mode und Kosmetik lasse ich das gelten, aber für Fotografie und Film? Wieviele sind es, die in Deiner Stadt aus Instagram & Co. wieder erkennst? Das ist deutlich eher die Ausnahme, als die Regel. Zumal die Meisten noch nicht einmal ein anständiges Profilbild haben.
Wozu also das alles? Falls Du darauf jetzt eine Antwort erwartest, muss ich Dich enttäuschen. Ich will auch gar nicht gegen Instagram oder Facebook schimpfen. Ich nutze es selbst und poste auch ein, zwei Bilder pro Woche mit Texten aus meinem Blog. Aber nichts von dem treibt den Bekanntheitsgrad wesentlich nach oben. Wer 200 Follower erreicht hat, kann sich glücklich schätzen. Wer mehr als Tausend hat, ist ein Star. Aber was kannst Du Dir dafür kaufen? Nichts. Selbst wenn künftige Werber daran Interesse finden, sind die monetären Gewinne nach Steuern vernachlässigter gering. So gering, dass sich der Aufwand nicht rechnet. Wenn Du mehr willst, sitzt Du jeden Tag Stunden an Videoschnitten, denn Bilder ziehen schon lange nicht mehr. Außer sie sind richtig krass. Am Besten krass übel oder krass gefaked, also composited. Aber niemals real. Ich würde tatsächlich unterstellen wollen, dass derjenige, der etwas anderes behauptet, sich die Welt schön redet.

Was also tun?
Pause machen. Mach' mal eine Pause in den sozialen Netzwerken. Die Menschen haben sich jahrelang ohne diese Netzwerke hervorragend verstanden und toll miteinander kommuniziert. Und das Gegenteil ist nicht erst seit Corona der Fall. Das ist gerade einmal zwei Jahre her und es war davor auch schon komisch. Durch Corona ist das alles nur schlimmer geworden. 95% der gepusteten Inhalten sind Werbung und Bullshit. Die restlichen 5% bekommen Du und ich gar nicht zu sehen, weil der Algorithmus das nicht will. Du siehst nur das, was der will. Und der will Werbung platzieren von Leuten, die dafür bezahlen. Das ist das Geschäftsmodell. Nichts anderes. Und wir machen alle brav mit, ärgern uns über eine zunehmende Werbeflut und darüber, dass wir für ein geiles Bild nur 20 Likes erhalten.
Also Pause. Du wirst sehen, Du hinterfragst Deine Fotografie. Deine Art zu fotografieren, denn Du machst das plötzlich nicht mehr für andere, sondern für Dich. Und für Deine Kundinnen und Kunden, die Du nicht über Instagram gewonnen hast, sondern im realen Leben. Und das ist gut so.

Denk' einmal darüber nach. Wenn viele mitmachen, entziehen wir Instagram die Macht, die Geldquelle. Denn wenn weniger das anschauen, macht auch das Platzieren von Werbung irgendwann keinen Sinn mehr.

Alternativen? Gibt es bestimmt. Netzwerken geht ganz real. Lokale Interessengruppen, deren Existenz gerne durch soziale Medien bekannt gemacht werden kann. Die aber ihre Bilder nicht wegen Instagram und Likes posten, sondern ihrer selbst wegen. Der Austausch, die Kommunikation sind wichtig - nicht die paar sinnfreien Zeilen unter einem Post. Wo? Keine Ahnung. Vielleicht hast Du eine Idee. Schreib' mir und wir packen das gemeinsam an.

© Jürgen Pagel 2022

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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