Woran erkennst Du einen sehr guten Fotografen?

Jürgen Pagel

Woran erkennst Du einen sehr guten Fotografen?

In diversen Foren werden gerne Fragen gestellt wie: „Woran erkenne ich einen guten Personal Fitness Trainer“ oder „wie finde ich einen guten Physiotherapeuten“ o.ä..

Ich finde die Fragestellung durchaus gerechtfertigt, hat doch jeder Kunde durchaus das Recht auf eine seinen Vorstellungen entsprechende Leistung und wir wissen alle, dass genug Scharlatane unterwegs sind, die viel versprechen, aber nichts halten (können).

Wie unterscheidet man also die Spreu vom Weizen?

Zunächst solltest Du definieren, was für Dich „gut“ ist. Machst Du eine Abstufung zwischen „gut“, „sehr gut“ oder „mittelmäßig“? Was bedeutet das für Dich?

Grundsätzlich solltest Du Wert auf eine „sehr gute“ Leistung legen. „Sehr gut“ bedeutet, dass alle Deine Anforderungen zu Deiner vollsten Zufriedenheit erfüllt wurden.
Beispiel: Du möchtest von Dir ein oder mehrere Passbilder. Du wirst freundlich begrüßt, findest ein sauberes und ordentliches Studio vor, die technische Ausstattung kann blenden – ist also für die Ausführung selbst nur von geringem Belang. Die Fotosession verläuft entspannt, das Bild wird im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bearbeitet (die Möglichkeiten sind hier recht begrenzt, aber Kontrast, Pickel entfernen und Farbe gehen immer) und nach 15 Minuten hältst Du Dein fertiges Bild in den Händen. Es „wandert“ zusammen mit einer Visitenkarte in einen Umschlag, nachdem bereits ein Zuschnitt des Bildes oder der Bilder erfolgt ist und Du bist voll zufrieden. Du zahlst 15 Euro mit einer Rechnung und alles ist gut. Sehr gut sogar. Mehr kannst Du nicht erwarten.

„Gut“ wäre die Leistung dann, wenn das Bild in Ordnung ist, aber Umschlag, Visitenkarte und Zuschnitt fehlen.
„Mittelmäßig“, wenn Umschlag und Visitenkarte passen, aber keine Bildbearbeitung erfolgte, die Farben blass und unwirklich sind.
„Schlecht“ wäre, wenn Du auf den Fotos die Augen halb geschlossen hast, weil Du dann nämlich die Bilder nicht für den Zweck verwenden kannst, der ihnen zugedacht war.

Eine Bewertung ist also zunächst davon abhängig, was Du erwartest und vom Ergebnis, welches Du bekommst. Je weiter beides auseinander driftet, desto unzufriedener wirst Du sein.
Aber das Beispiel mit dem Passfoto ist natürlich nur ein klitzekleiner Teil der Wahrheit, denn das Reportoire der meisten Fotografen und Filmer geht darüber weit hinaus.

Woran erkenne ich nun einen „sehr guten“ Fotografen?

o Dein Fotograf nimmt sich Zeit. Er fragt nach Deinen Vorstellungen, erklärt Dir was geht und was nicht, was technisch umsetzbar ist und hat einen Plan, wie er das am Besten gestaltet.

o Dein Fotograf ist kreativ, hat Ideen und weiß, was für Dich passend ist, was zu Deinem Charakter, zu Deinem Aussehen passt.

o Ein wirklich sehr guter Fotograf wird keine Bilder „aus der Hüfte“ machen, sondern mit einem Pre-Shooting die für Dich und Deinen Auftrag entsprechenden Einstellungen testen, um das Optimale herauszuholen – egal ob bei einem Passfoto, beim Portraitieren, bei der Architektur- oder der Produktfotografie.

o Dein Fotograf hat ein Netzwerk, das es ermöglicht, Kundenaufträge schnell und unkompliziert auch dann umzusetzen, wenn einmal mehr Unterstützung von Extern notwendig sein sollte. Zum Beispiel hinsichtlich des Stylings, des Make Up oder auch mal schnell ein Loch stopfen.

o Dein Fotograf ist einfühlsam, passt sich Deinen Vorstellungen an, ohne seine eigene Kreativität, seinen Stil aus den Augen zu verlieren.

o Dein Fotograf hat seinen eigenen Stil, wegen dem Du ihn letztendlich ausgewählt hast. Davon lässt er sich nicht abbringen. Eingehen auf den Kunden ja, aber nicht um jeden Preis. Dann passt Ihr eben nicht zusammen und Du musst weiter suchen.

o Dein Fotograf wird mit Dir VOR der Annahme eines Auftrages die Kosten transparent darstellen und Dich nicht mit Beträgen überraschen, die jenseits Deiner Vorstellungskraft liegen.

o Dein Fotograf erstellt ordnungsgemäße Rechnungen.

o Dein Fotograf wird auch zugeben, wenn er etwas nicht kann oder wenn er nicht über die technischen Mittel für einen Auftrag verfügt.

o Dein Fotograf bearbeitet die Bilder entsprechend. So lässt sich ein schon gutes Ergebnis um bis zu 100% optimieren. „SOOC“ – Straight Out of Cam – ist so ein Modebegriff, der letztendlich nur zeigt, dass Dein Fotograf offensichtlich nicht die Fähigkeit zu einer Bildbearbeitung besitzt. Eine dem Auftrag angemessene manuelle Bildbearbeitung gehört heutzutage zum Handwerk des Fotografen dazu. Die Automatik kann viel und das Ergebnis kann durchaus ansprechend sein, aber sie kann eben nicht alles.

o Bewerte die Qualität, das Ergebnis nicht anhand des Preises. Du kannst für wenig Geld tolle und für viel Geld schlechte Ergebnisse erhalten. Aber sei Dir darüber im Klaren, dass Du nicht für wenig Geld „sehr gute“ Bilder oder Filme erwarten kannst. Als Orientierung gebe ich Dir 100 Euro vor. Das ist ein guter Stundensatz, der es dem Fotografen ermöglicht, von seinem Beruf auch zu leben – das Ziel eines jeden Berufes. Bis 150 Euro pro Stunde bzw. Tagessätze (8-10 Stunden) von 1.500 Euro sind vollkommen in Ordnung. Hinzu kommen dann noch Kosten für die Bildbearbeitung (Zeitaufwand bei Portraitshootings pro Bild ca. 10 bis 20 Minuten). Bei 10 Portraitaufnahmen mit unterschiedlichen Lichtsituationen und Posings sind das gut und gerne noch einmal 2-3 Stunden á beispielsweise 150 Euro.
Alle Preise verstehen sich übrigens Netto. Außerhalb der Kleinunternehmerregelung (die auf Rechnungen vermerkt sein muss) kommt also die Umsatzsteuer noch hinzu.

o Dein Fotograf wird schnell und unkompliziert Änderungen an der Konzeption vornehmen, wenn das Ergbnis doch einmal Deinen Vorstellungen nicht entsprechen sollte. Das nennt man übrigens Kundenservice.


Ganz schön viel, nicht wahr? Es war schon immer etwas schwieriger, gute Leute zu finden. Wir - und da beziehe ich mich durchaus mit ein – tendieren in dieser multimedialen, hyperschnelllebigen Zeit gerne dazu, schnelle Entscheidungen zu treffen, die wir im Nachhinein bitter bereuen. Wenig mehr zeitlicher Invest bringt oftmals sehr viel mehr Freude an dem, was wir für unser „sauer verdientes“ Geld erwarten.

Lass‘ Dich nicht blenden. Es gibt gewaltige Unterschiede zwischen einem Editing (Bearbeitung wie leichte Retusche) und einem Composing (umgestalten eines Bildes, z.B. das Austauschen des Himmels, das Ausschneiden Deiner Person und die Neuplatzierung vor einem anderen Hintergrund). Welche Methode bei dem von Dir erteilten Auftrag zum Tragen kommt, bestimmst letztendlich Du als Kunde. Dein Fotograf wird Dich dahingehend beraten. Beherrschen sollte er beide Methoden. Mag er das Composing nicht, wird er es Dir auch nicht anbieten.
Lass‘ Dich nicht durch Instagram- und Facebook-Postings beeindrucken. „Papier“ ist geduldig. Um in den Social Media Kanälen eine große Reichweite zu erzielen, ist nahezu täglicher Content Pflicht und da greift mancher Fotograf auf Mittel des Copy&Paste oder des Composings zurück, um Aufmerksamkeit zu erzielen und den Ansprüchen gerecht zu werden. Das lässt wenig bis gar keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Qualität seiner Arbeit zu.
Auch Google-Bewertungen solltest Du mit einer gewissen Vorsicht behandeln. Die Leute sind heute mit negativen Bewertungen schnell bei der Hand und viele dieser negativen Kommentare basieren auf einem Missverständnis, einem Irrtum oder einfach nur auf purer Lust am Stänkern. Blöd ist, dass der Betroffene sie nicht so ohne Weiteres entfernt bekommt. Das geht zwar grundsätzlich, ist aber mit Zeit und Mühen verbunden. Andersherum lassen sich positive Bewertungen für kleines Geld leicht und schnell kaufen. 

Mit dieser Checkliste kannst Du nun in Deinem Umfeld nach sehr guten Fotografen suchen – Du wirst sie finden. Das ist ein wenig mühselig – ich weiß. Und bisweilen auch lästig. Aber es erspart Dir Ungemach. Lerne Deinen Fotografen persönlich kennen. Rede mit ihm – auch per Telefon oder per Zoom. Frage nach einem kleinen, mehrminütigem Probeshooting und beurteile das, was Du siehst. So erfährst Du viel über das Vorgehen, die Ideen und deren Umsetzung.

Ich wünsche Dir viel Erfolg bei der Suche nach DEINEM Fotografen.

© Jürgen Pagel 2022

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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