20 vs. 60 (Megapixel)

Jürgen Pagel

Beitrag wurde am 22.04.2023 aktualisiert.

20 vs. 60 (Megapixel) - Wunsch vs. Realität

Angesichts immer besser werdender Bildbearbeitungssoftware (Lightroom hat gerade mit einer KI-basierten Noise Reduction in der aktuellen Version 12.3 mit DXO bzw. Topaz AI gleichgezogen) stellt sich Frage, ob und wozu man hochauflösende Kameras bzw. Sensoren mit 40, 60 und mehr Megapixeln braucht, ob eine solche Anschaffung Sinn macht und welchen Mehrwert man davon erwarten darf. Schließlich kosten die Kameras auch deutlich mehr Geld. So beträgt der Unterschied zwischen einer Canon R6 und einer Canon R5 rd. 2.000 Euro. Bei Nikon beträgt der Unterschied zwischen einer Nikon Z6II und einer Nikon Z7II immerhin noch 1.000 Euro. Diesen Mehrpreis könnte man ohne weiteres auch in gute Objektive investieren.

Bei meiner Recherche bin ich auf einen Artikel von Dr. Schuhmacher gestoßen, der sich als Naturwissenschaftler sehr intensiv und umfangreich, wie kaum ein  Zweiter mit den physikalischen Eigenarten der Fotografie auseinandersetzt.

An dieser Stelle betone ich, dass es mir nicht darum geht, hochauflösende Produkte der verschiedensten Hersteller schlecht zu reden – mitnichten. Alles hat seine Berechtigung und schlussendlich ist jeder seines Glückes Schmied und kann kaufen, was ihm beliebt. Nur wissen wir alle, dass Hersteller sehr schnell markige Sprüche parat haben, wenn es darum geht, Verkaufszahlen zu generieren. Ich komme ursprünglich aus der Fitnessszene und bleibe in diesem Zusammenhang bei meiner Behauptung, dass nirgends mehr gelogen wird als in der Fitnessbranche. Auf dem zweiten Platz folgt dann tatsächlich die Fotografie.

Ich verlinke an dieser Stelle den betreffenden Artikel und darf jedem empfehlen, sich vor der Entscheidung zu einem Upgrade seines Equipments, den Werbeversprechen der Hersteller nicht zu vertrauen.


Zum einen sind da die Anforderungen der Kunden (ich weiß, Sie sind Hobbyist und haben keine Kunden – lesen Sie dennoch weiter, denn im Zweifelsfall sind Sie Ihr eigener Kunde).

Zitat Anfang
  • Berufsfotografen liefern an Privatkunden meist Dateien mit maximal 3.000 * 2.000 Pixel. Das sind 6 MP. Das reicht definitiv für hochwertige Hochglanz-Ausdrucke im Format 20 * 30 Zentimeter.
  • Selbstredend erhält man mit 4.500 * 3.000 Pixeln etwas mehr Details sowie eine größere Auflösung und kann noch größer ausbelichten. Aber viele - vor allem private - Kunden empfinden dies bereits als zu große Dateien, die ihnen keinen Vorteil, sondern nur noch Nachteile bringen und beschweren sich darüber.
  • Zeitungen, die Ihre Fotos auf Klopapier drucken, wollen in der Regel weniger angeliefert erhalten. Die verschobenen Dreifarbendrucke übereinander sehen nicht selten sowieso fürchterlich aus.
  • Im Artikel Gute Fotos machen habe ich bewiesen, dass man mit dem beschnittenen Foto einer 8-MP-Kamera die Titelseite (DIN A4) eines internationalen Magazins beschicken kann.
  • Mit 20 MP können Sie somit problemlos eine Hochglanz-Doppelseite in höchster Druckqualität bespielen. Das entspricht DIN A3.
  • Allerdings habe ich sogar schon 12 MP-Porträt-Fotos alter digitaler Kameras auf 1*1,5 Meter aufgezogen gesehen, die wirklich beeindruckend aussahen.
  • Für große Ausdrucke über DIN A2 würde ich heute dennoch sicherheitshalber eine höhere Auflösung empfehlen.
  • Dennoch bleibt […] der physikalisch nicht hinwegzudeutende Umstand, dass man auf einer hochwertigen Ausbelichtung ab ca. 75 * 50 Zentimeter bei genauer Betrachtung (aus der Nähe) den Unterschied zwischen 20 und 45 / respektive 60 Mega-Pixeln mit geschultem Auge erkennen kann.
  • Dasselbe gilt selbstredend beim starken Beschneiden von Bildern, weil man entweder die schnellen Tiere anders nicht einfangen konnte […]. Da stößt man dann manchmal auch mit 800 mm Teleobjektiv, Zweifachkonverter und KI-gestützter Vergrößerungssoftware an eine Grenze.
Zitat Ende

Der andere Bereich konzentriert sich den Wunsch des Fotografen selbst.

Zitat Anfang

  • Bleibt also der Wunsch des Fotografen nach hoher Auflösung.
  • Das ist absolut legitim. Es ist für viele ein Hobby: Gönnen Sie sich etwas, sofern Sie es sich leisten können.
  • Allerdings ist dies nicht nur eine Preisfrage: Die Kameras und Objektive sind teuer, der PC muss aufwändiger sein, damit er die großen Fotos zügig verarbeiten und speichern kann etc. Das reicht hin bis zur aufwändigeren externen Datensicherung. Und wirklich genießen kann man die große Auflösung selbstredend auch nur auf einem entsprechend großen Monitor [dieses wurde von mir bereits in einem anderen Artikel meines Blog’s beschrieben].
  • Sondern es ist auch eine Frage des Gewichts und Volumens, da Sie die hohe potentielle Auflösung der Kameras nur wirklich in reale Detail-Auflösung in den Fotos umsetzen können, wenn Sie die lichtstärksten und schärfsten Objektive verwenden, welche schwer und voluminös sind. Das liegt an der Physik. Lassen Sie sich da nicht von den Kameragewichten alleine täuschen. Das heute minimale Kameragewicht spiegelloser Kameras spielt beim System-Gesamt-Gewicht kaum mehr eine Rolle. Vor allem sind die wenigen Gramm Gewichtsunterschiede bei den Modellen der geringsten im Vergleich zur höchsten Sensorauflösung in der Fotopraxis nicht spürbar. Aber selbst neueste Glasmischungen sind noch immer schwer - vor allem wenn man 10 und mehr Linsen in hochwertigen Objektiven verbaut.
  • Schließlich kommt noch ein weiterer gern übersehener Punkt hinzu: Während die meisten modernen Kameras über einen hoch wirksamen eingebauten Verwacklungsschutz in der Kamera (IBIS) und in den Objektiven (IS, VR) verfügen, den kaum ein vor allem älterer Fotograf aufgrund der zunehmenden Senioren-Oszillation aber auch kaum ein junger, frierender Fotograf im Winter mehr missen möchte, hängt dessen Wirkung in der fotografischen Praxis maßgeblich von der Sensorauflösung ab. So sind die bis zu 8 Blenden Verwacklungsschutz in der Canon R6 bei 20 Mega-Pixel definitiv hochwertiger als die ca. 5 Blenden Verwacklungsschutz in der Sony A7RIV bei 60 Mega-Pixel, um verwackelte Fotos zu vermeiden (siehe hierzu auch: Mein Verwacklungsschutz in der Kamera (IBIS) funktioniert nicht). Daraus folgt, dass man mit hoher Sensorauflösung für wirklich scharfe Fotos viel öfter zum Stativ greifen muss. Das stellt nicht nur einen signifikant erhöhten Aufwand dar, der die Arbeit verlangsamt, sondern wird zunehmend von immer mehr Menschen an immer mehr Orten untersagt.
Zitat Ende

Kommen wir zum abschließenden Fazit.

Zitat Anfang

  • Höher auflösende Sensoren bieten in gewissen Bereichen zweifelsfrei Vorteile.
  • Aber ein paar Mega-Pixel mehr oder weniger spielen bei modernen Kameras kaum mehr eine Rolle für die praktische Fotografie.
  • Erfreuen Sie sich an jeder Kamera jedes Herstellers.
  • Und bedenken Sie beim eventuell geplanten Aufstieg in die nächsthöhere Auflösungsklasse die obige Mathematik und Physik. Daran lässt sich leider nichts ändern. - Ja, ich weiß, Naturwissenschaften können so ernüchternd und desillusionierend sein.
  • Zu guter Letzt nun die salomonische Antwort auf die Frage, ob es sich lohnt, auflösungstechnisch in die nächsthöhere Klasse aufzusteigen: Es kommt darauf an. Es lohnt sich für den Einen oder Anderen in einigen seltenen Fällen durchaus, sofern er bereit ist, mit jenem hochwertigeren, aber auch anspruchsvolleren Werkzeug genauer zu arbeiten. Ketzerisch würde ich es so zusammenfassen: Es gibt sicherlich sinnvolle Anwendungsgebiete für das Uhrmacherwerkzeug. Aber die meisten Praktiker kommen mit einem handelsüblichen Schraubenzieher im Alltagsbetrieb […] bestens zurecht.
  • [Anmerkung des Verfassers: Ich würde als letzten Punkt noch ergänzen wollen, dass angesichts der zwischenzeitlich herausragenden Einsatzmöglichkeiten der KI (AI) in der Fotografie, sich selbst auf den ersten Blick unbrauchbar erscheinende Bilder, noch retten lassen. Mittels KI sind auch ISO-Werte von 12.800 kein allzu großes Problem mehr. Das sollte jedoch nicht dazu verleiten, unsauber zu arbeiten und alle Regeln der Fotografie außer Kraft zu setzen. Wie immer gibt es für alles Grenzen und die Sorgfalt eines jeden Fotografen gebiete es, gerade bei Kundenaufträgen äußerste Sorgfalt walten zu lassen.]
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©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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