Ist das APS-C-Format noch zeitgemäß?

Jürgen Pagel

Beitrag wurde aktualisiert am 21.04.2023

Ist das APS-C-Format noch zeitgemäß?

Oder sollte man lieber gleich zum Vollformat wechseln?
Das sind Fragen, die Hobbyfotografen wie Profis gleichermaßen beschäftigen.

Beide Kamerasysteme haben sowohl Vor- wie Nachteile und eine Entscheidung für oder gegen ein System ist von vielen Faktoren abhängig.

Zunächst die alles entscheidende Frage: Was fotografierst Du (überwiegend)?

Bist Du viel unterwegs? Dann hat die APS-C-Kamera gegenüber einem Vollformatsystem meist den Vorteil, leichter zu sein (zumindest was den Body anbelangt). Auch die Objektive sind in aller Regel etwas kleiner und damit zumeist leichter. Ach, die 100 Gramm mehr oder weniger magst Du sagen. Bedenke, bei einem Städtetrip oder einem Fotowalk durch die Landschaft legst Du gut und gerne 12 – 15.000 Schritte zurück. Das ergibt in Summe ein Mehrgewicht von 1.500 Kilogramm. Wenn Du bedenkst, dass jedes Gramm mehr, das Du mit Dir herumträgst, Deine Gelenke auch mehr belastet, ist das schon ganz schön viel. Gut, Du könntest ein paar Kilo abspecken oder endlich mal mit dem Krafttraining anfangen. Das wäre in der Tat zielführend, hilft Dir aber zunächst nicht bei Deiner Entscheidung.


Du fotografierst die meiste Zeit vom Stativ aus?
Dann wäre der Gewichtsvorteil eines APS-C-Systems nicht mehr so sehr relevant.


Du willst bei einem Städtetrip weitestgehend unerkannt bleiben?
Da die APS-C-Systeme meist kleiner sind, fällst Du weniger auf. So ein „fettes“ Objektiv auf einer Vollformat-Kamera macht den meisten Menschen Angst. Du wirst als „Profi“ (wer auch sonst läuft mit einem „Klopper“ wie der Nikon Z9 mit einem 24-200er Zoom durch die Gegend, was in Bezug auf die Streetfotografie allerdings auch wenig zielführend wäre) identifiziert und niemand will auf’s Bild. Der Erklärungsbedarf steigt und Du musst schon sehr extrovertiert sein, um die Fragen, die zwangsläufig auftreten, auszuhalten. Da ist so eine Fujifilm X100F/V oder eine Nikon Z50 die bessere Wahl.
Das bringt mich gleich zur nächsten Frage.


Du willst Dir das Geld für teure Zoom-Objektive mit großen Brennweiten sparen?

Auch dann ist APS-C die bessere Wahl. Eine 50mm Standardbrennweite entspricht im Vollformat-Äquivalent auf Grund des Cropfaktors einer Brennweite von ca. 80mm. Der Bildausschnitt wird kleiner, aber dafür bist Du näher dran. Eine 135mm Brennweite entsprechen dann schon ca. 210mm und eine 200mm Brennweite immerhin einem 320mm-Zoom. Das können dann schon entscheidende Unterschiede sein – vorausgesetzt, Du hast eine Stabilisierung im Objektiv, in der Kamera oder in beidem, um auch mit längeren Verschlusszeiten noch aus der Hand fotografieren zu können.


Ist der Preis für Dich ein Argument?

Auch dann hat das APS-C-System deutliche Vorteile – v.a. hinsichtlich der Objektivauswahl. Die nämlich stehen mittlerweile qualitätsmäßig ihren vollformatigen Konkurrenten kaum noch etwas nach, sind aber in der Regel deutlich günstiger. Auch die APS-C-Kamera ist zumeist 20-30% günstiger.


Aber was ist mit der Abbildungsleistung?
Auch hier steht das APS-C-System keineswegs hintenan. Die Abbildungsleistung ist nämlich nicht ausschließlich von der Sensorgröße abhängig, sondern vor allem vom Aufbau des Objektivs. Es macht also durchaus Sinn, mehr Geld in gute Objektive zu investieren. Abgesehen vom Bildausschnitt kann ein fotografischer Laie kaum einen Unterschied zwischen einer Aufnahme, die mit einer Vollformatkamera gemacht wurde, von einer APS-C-Aufnahme ausmachen. Gleiches gilt auch für das MFT-Format. Hierbei gibt es ein paar „Spezialitäten“, aber im Großen und Ganzen kann man auch damit für nahezu alle Anwendungszwecke großartige Bilder machen, die den Ansprüchen der meisten Hobby-Fotografen gerecht werden. 


Worin liegen aber nun die Vorteile einer größeren und schwereren Vollformatkamera?

Kameras mit größeren Pixeln liefern in der Regel bessere Bildqualität bei hohen ISO-Empfindlichkeiten als Kameras mit kleineren Sensorgrößen. Daher profitieren Besitzer einer Vollformatkamera nicht nur von einer besseren Bildqualität bei einem höheren ISO-Wert, sondern können auch bei sich verschlechternden Lichtverhältnissen weitere Aufnahmen machen.


Ein weiterer Vorteil einer Vollformatkamera ist der Dynamikbereich. Kleine Pixel können sich schneller mit Licht füllen als größere Pixel, was einen direkten Einfluss auf die Details im betroffenen Bereich der Aufnahme hat, es wird wesentlich wahrscheinlicher, dass feiner Details in diesem Bereich verloren gehen. Auf der anderen Seite des Spektrums ist es schwierig, in schattigen Bereichen eine detailreiche Aufnahme zu machen, denn kleinere Pixel werden typischerweise stärker durch das Verhältnis von Bildrauschen zum aufgenommenen Licht gestört. Das bedeutet, dass es für die Kamera schwierig ist, feine Details in dunklen Bereichen aufzunehmen, ohne das Bildrauschen deutlich zu erhöhen.


Ein Vorteil bei der Fotografie von Landschaften mit einer Vollformatkamera ist, dass bei gleichbleibender Brennweite ein größerer Bildwinkel entsteht. Das bedeutet, was Du mit einer APS-C-Kamera mit einem Objektiv mit 10 mm Brennweite aufzeichnet, kannst Du mit einer Vollformatkamera bereits mit einem Objektiv mit 16 mm Brennweite aufnehmen.


Der entscheidendste Unterschied zwischen einer Vollformatkamera und einer Kamera mit kleinerem Sensor ist, dass bei letzterer der sogenannte „Crop-Faktor“ bei Objektiven berücksichtigt werden muss.

APS-C- oder MFT-Kameras benutzen nur einen kleineren Ausschnitt des Objektivs, um ein Bild aufzunehmen. Das bedeutet, dass die effektive Brennweite länger ist als beim selben Objektiv an einer Vollformatkamera. So sehen Bilder, die mit einem 50 mm-Objektiv an einer APS-C Kamera (Crop-Faktor von 1,6) aufgenommen wurden so aus, als ob sie tatsächlich mit einem 80mm-Objektiv aufgenommen wurden. Aufnahmen, die mit einem 100 mm-Objektiv aufgenommen wurden, sehen dann schon so aus, als ob sie mit einem 160 mm-Objektiv aufgenommen wurden. Wie bereits beschrieben - für den Laien kaum ein Unterschied, dennoch wirkt auf Grund der größeren Brennweite der Hintergrund komprimierter.

Für manche Aufnahmen ist es von Vorteil, wenn eine lange Brennweite genutzt wird. Wenn es sich aber um Landschaftsaufnahmen, Architekturfotografie oder sonstige Aufnahmen handelt, die üblicherweise eine lange Brennweite erfordern, kann dies ein Hindernis darstellen, denn solche Fotografien entfalten ihre größte Wirkung mit einem Weitwinkelobjektiv.


Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine Vollformatkamera größere Flexibilität bei der Gestaltung der Schärfentiefe ermöglicht.

Bei großen Blenden hast Du im Vollformat größere Gestaltungsmöglichkeiten als mit einer APS-C- oder MFT-Kamera. Die dargestellte Schärfentiefe ist geringer als bei einer solchen Kamera, so dass Du die Schärfe sehr selektiv auf ein bestimmtes Detail setzten kannst.

Dadurch können Porträtfotografen ihr Motiv stärker vom Hintergrund abheben, dies kann auch für Tierfotografen von Vorteil sein. Dazu kommt und das wird gerne vergessen, dass Du auch bei der Lichtstärke eines Objektivs den Crop-Faktor miteinbeziehen musst. So wird aus einer für Vollformat gültigen Offenblende von f/1.8 im APS-C-Format eine f/2.8. Gerade wenn es um Freistellung des Motivs bzw. um Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen geht, ist dieser Unterschied gewaltig und nur mit einer Verlängerung der Verschlusszeit oder einer höheren ISO zu kompensieren – was erstens zu mehr Rauschen führt und zweitens die Gefahr von Verwacklungsunschärfen erhöht.


Fazit

Du siehst also, es kommt darauf an, für welchen Zweck Du die Kamera überwiegend einsetzen willst. Ich würde die Bereiche Hobby und professionelle Fotografie gar nicht weiter differenzieren wollen. Der professionelle Fotograf unterscheidet sich vom Hobbyisten selten durch die Qualität seiner Bilder, sondern durch die Tatsache, dass er mit der seiner Art der Fotografie seinen Lebensunterhalt verdient.


Grundsätzlich lässt sich alles mit allem fotografieren. Jedes Bild ist besser als gar keines. Wenn ich es mir genau überlege, sind die Unterschiede deutlich geringer, als ich das zu Beginn meiner fotografischen Laufbahn dachte.

Größere Dynamik – auch APS-C-Kameras wie die Fujifilm X-T4 verfügen über eine ausgezeichnete Dynamik. Größerer Bildausschnitt – ja, der lässt beim Beschneiden des Bildes etwas mehr Spielraum, aber das lässt sich beispielsweise mit Topaz AI weitestgehend kompensieren. Schöneres Bokeh? Das Bokeh ist in erster Linie ein Produkt des Objektivs und nicht des Sensors. Seifenblaseneffekte im Gegenlicht lassen sich mit einem Helios 44-2 f/2.0 an einer APS-C-Kamera ebenso erzeugen, wie mit einer Vollformatkamera. Sie sind keineswegs besser oder schlechter – nur etwas anders. Gleiches gilt für die Freistellung. Auch die ist in erster Linie eine Leistung der Optik sprich der Blende und weniger die des Sensors. Ja, der Hintergrund sieht im APS-C-Format etwas anders aus. Aber die Unterschiede sind bei genauerer Betrachtung eher marginal.


Vielleicht ein Tipp als Kompromiss: Hauptkamera Vollformat, Backup-Kamera APS-C (oder MFT) = großer Geldbeutel. Hauptkamera APS-C mit erstklassigen Objektiven (gerne Vollformat, denn Vollformat-Objektive an APS-C geht problemlos, APS-C-Objektive an Vollformat geht nur mit Vignettierung, da der Bildkreis kleiner als der Sensor ist).


Ob das APS-C-Format überhaupt noch zeitgemäß ist, entscheidest Du als Nutzer. Wenn die Leute nur noch Vollformat-Kameras kaufen, verbunden mit der Hoffnung, damit die besseren Bilder zu machen, wird das APS-C-Format irgendwann in naher Zukunft zu Grabe getragen werden. Das jedoch dafür ein Markt für APS-C besteht, zeigen die Bemühungen von Canon, auch in dem Marktsegment Fuß zu fassen, in dem Fujifilm schon lange zu Hause ist.

Was jedoch in den Köpfen der Marketingstrategen vor sich geht, wissen nur diese selbst. Vieles ist nicht immer nachzuvollziehen, manche Entscheidungen bleiben im Dunklen und allzu oft sitzen wir als Fotografen den Werbeversprechen auf, um im Nachhinein festzustellen, das doch nicht alles Gold ist, was glänzt.

©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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