Streetphotography
Die Streetphotography lebt vom Zufall. Kein Fotograf der Welt zieht los, um heute bei bedecktem Himmel oder gar Regen – eigentlich ideale Bedingungen, wie sie gerade während des Schreibens dieses Beitrages vorherrschen – einer Dame in Rot zu begegnen. Bei der Streetphotography nimmst du mit, was du bekommst. Spiegelungen, Reflexe, wartende Menschen, Dynamik – was sich dir bietet. Aber auch hierbei ist ein „roter Faden“ sehr hilfreich. Zufall bedeutet nicht Verzicht auf eine Strategie, auf eine Idee. So ist bei der Streetphotography bisweilen Geduld gefragt, um eine vorbeilaufende Person genauso so positioniert zu bekommen, wie das deiner Bildidee entspricht. Nur kann das deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen, als ein Foto an einer Location zu machen, deren Fotografie du von langer Hand vorbereiten konntest. Und selbstverständlich ist es anders als ein Portrait, weil viele Fragen, die du einem Portrait stellst, um eine Stimmung, eine Pose, einen Gesichtsausdruck optimal einfangen zu können, obsolet sind.
Der rote Faden kann zum Beispiel eine Straße sein, entlang derer du Geschäfte und die Besucher sowie die Inhaber der Ladenlokale darstellst. „Gesichter der Hauptstraße“ – ein mögliches Projekt.
Produktfotografie
Die Detailfotografie von Produkten, deren Wirkung auf den Betrachter, ist definitiv kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis detaillierter Planung – von der Objektivwahl über die Kamerawahl, die Lichtsetzung bis zum Hinter- und Untergrund. Oftmals sehen Produktfotos aus, als wenn sie in Photoshop einer intensiven Bearbeitung unterzogen wurden. Tatsächlich jedoch sind solche exzellenten Fotos das Ergebnis eines „roten Fadens“, der sich durch die gesamte Produktfotografie zieht.
Wo wird fotografiert? Im Studio oder vor Ort in einem Unternehmen? Welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung? Welches Licht herrscht vor? Werden künstliche Lichtquellen benötigt? Viel wichtiger als die Kamera, ist die Wahl der Objektive. Welche Brennweiten sind für das Produkt optimal, welche Blende soll zum Einsatz kommen? Welche Perspektiven sind gewünscht? Welche Emotionen sollen vermittelt werden, denn Emotionen beeinflussen Kaufentscheidungen und dabei geht es in aller Regel bei der Produktfotografie? Sind die Fotografien Bestandteil deines Portfolios oder ausschließlich für den Kunden gedacht? Du siehst also, hier brauchst du den roten Faden unbedingt, sonst sehen die Bilder womöglich gut aus, erfüllen aber keinen Zweck.
Landschaftsfotografie
Foodphotography
Landschaftsfotografie
Der rote Faden in der Landschaftsfotografie beginnt mit der Wahl der Location. Google Maps oder analoge Karten sind dabei ausgesprochen hilfreich. Die Wahl des Standortes, der Lichteinfluss, die Blende, die Brennweite, das Stativ, evtl. beabsichtigter Crop und damit auch das Sensorformat sind Teilabschnitte deines roten Fadens in der Landschaftsfotografie.
Wildlife
Neben den oben genannten Aspekten der Landschaftsfotografie kommen in der Wildlife-Fotografie noch die Verschlusszeiten hinzu. Diese spielen in der Landschaftsfotografie nur dann eine Rolle, wenn du wechselnde Lichtverhältnisse berücksichtigen musst, wenn starker Wind vorherrscht (lange Verschlusszeiten sorgen dann für eine Unschärfe im Blattwerk oder durch sich im Wind bewegende Gräser und Baumwipfel) oder du eine Wasseroberfläche glätten möchtest. Bei letzterem sind der Einsatz eines Filters und entsprechend lange Verschlusszeiten ein Muss.
In der Wildlife-Fotografie wirst du auf Grund der sich schnell und oftmals unvorhersehbar bewegenden Motive eher sehr kurze Verschlusszeiten verwenden wollen. Das bedingt zwangsläufig eine gute Ausleuchtung deiner Motive. Viele Tiere lassen eine Nähe nicht zu. Deswegen wird eher eine Telebrennweite zum Einsatz kommen, die den internen Stabilisator an seine Grenzen bringt. Deswegen wird auch hier ein Stativ unabdingbar sein.
Was du jedoch vor allem benötigst, ist Geduld. Tiere lassen sich nun mal nicht auf Kommando positionieren, sondern sind zumindest in freier Wildbahn vollkommen frei in ihren Bewegungen. Da gilt es, den richtigen Moment abzupassen. Somit ist der Faktor Zeit ein wesentliches Element deines roten Fadens in der Wildlife-Fotografie.
Die Basis
Die Basis für den roten Faden in deiner Fotografie sind stets wiederkehrende Fragestellungen nach der Zielsetzung, dem Kameraformat (wobei sich das in erster Linie auf den Sensor – Vollformat o. APS-C bezieht) sowie dem zu verwendenden Objektiv, der damit verbundenen Bildwirkung und – soweit relevant – nach der Location. Letztere entscheidet auf Grund einiger Faktoren, die du selbst nur zum Teil beeinflussen kannst in erheblichem Maße über die Stimmung und deine Ausrüstung. Das Wetter (Wind, Regen, Schnee etc.) liegen nicht in deiner Hand. Ein Blick auf die Wetterkarte vor dem geplanten Outdoor-Shooting tut Not.
Fazit
Vielleicht ist der rote Faden das, was dich von den „Knipsern“ unterscheidet. Wenn es einen Unterschied zwischen „Knipsen“ und „Fotografieren“ gibt, dann ist es meines Erachtens dieser rote Faden. Knipsen ist spontan. Nicht unbedingt ohne jedweden Hintergedanken, dennoch spontan – im Vorbeilaufen. Schnell mal ein Familienfoto gemacht, nicht arrangiert, nicht auf den schlechtsitzenden Kragen des Hemdes geachtet, nicht in der optimalen Lichtsituation, auch nicht zwingend Inhaltsbezogen, sondern einfach so. Weil dir und den so Fotografierten einfach jetzt danach ist. Das hat keinen roten Faden, an dem du dich entlang orientierst. Das lässt die Situation gar nicht zu. Deswegen muss das, was dabei herauskommt, keineswegs schlecht sein. Und ich würde das auch gar nicht bewerten wollen. Es ist eben anders.
Ein roter Faden hilft dir dabei, nicht in ein Shooting „hineinzustolpern“, um dann festzustellen, dass ein Blitz Outdoor der Bildwirkung enorm gutgetan hätte, du aber den Blitz zu Hause gelassen hast.
Je nach vorhandener Ausrüstung gestaltet sich das Fotografieren suboptimal. Nicht, dass das, was dabei herauskommt, zwingend schlecht oder nicht brauchbar ist, aber es macht die Nachbearbeitung des Bildmaterials deutlich aufwendiger und ist sehr zeitintensiv.
Der rote Faden spart dir also vor allem Zeit. Zeit, die du sinnvollerweise für das Fotografieren nutzen kannst.
Mit dieser Ausrüstung bist du für alle Fälle gut gerüstet – ein roter Einkaufsfaden:
Wem das alles zu viel ist, der kann auch mit seiner Fujifilm X100T oder einer kleinen Sony A6400 großartige Bilder machen. Allerdings ist der Verwendungszweck dann kameratypisch eingeschränkt. Tatsächlich sind Kameras, bei denen sich die Objektive wechseln lassen, von erheblichem Vorteil. So kann der Situation angemessen die Bildwirkung optimiert werden. Ein 23mm APS-C-Objektiv ist für die Streetphotography hervorragend geeignet. Landschaften gehen auch noch, aber für die Architekturfotografie ist das meistens noch nicht weitwinkelig genug. Für Portraits sind 23mm ungeeignet, weil du sehr nah an dein Model herantreten musst und es zu unschönen Verzerrungen kommt – ein rundes Gesicht mit einer großen, dominanten Nase mag nun wirklich nicht jeder.
All das führt dich wieder zu der Kernfrage: Was willst DU fotografieren? Deiner Antwort zufolge brauchst du das entsprechende Equipment. Wenn du alles willst, wird’s teuer. Wenn du nur Portraits fotografieren willst, reicht zum Einstieg eine Fujifilm X-E4 und ein 56-Objektiv.
©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design
“Die Tatsache, dass eine (im konventionellen Sinn) technisch fehlerhafte Fotografie gefühlsmässig
wirksamer sein kann als ein technisch fehlerloses Bild, wird auf jene schockierend wirken, die naiv genug sind zu glauben, dass technische Perfektion den wahren Wert eines Fotos ausmacht."
Andreas Feiniger
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