Der Trick mit der Unterbelichtung

Jürgen Pagel

Der Trick mit der Unterbelichtung

Zunächst ein Plädoyer für die Automatikmodi: Ja. Nutze - vor allem, wenn es schnell gehen muss - die Automatikmodi. Die Kameras - die Systemkameras von Fujifilm (hier X-T4), aber auch die anderer Marken - sind heutzutage so gut, dass sie wissen, was sie tun. Meistens. Welche Automatikmodi es gibt und wie Du sie nutzt - hier ein kurze Übersicht.
  • Modus P - Alle Einstellungen Blende, ISO, Belichtungszeit werden von der Kamera vorgewählt. Diesen Modus solltest Du nur dann verwenden, wenn Du Dich definitiv um nichts kümmern möchtest und der Kameratechnik die volle Kontrolle überlassen willst.
  • Modus A - Du triffst die Wahl der Blende, die Kamera macht den Rest. Die Blende bestimmt den Look. Bedenke dabei, dass eine offene Blende kürzere Belichtungszeiten ergibt, als eine geschlossene Blende. Dieser Modus ist vor allem dann geeignet, wenn der Bildlook für Dich der wichtigste Aspekt ist.
  • Modus S - Du gibst die Belichtungszeit vor, die Kamera macht den Rest. Vor allem dann geeignet, wenn bewegende Motive aufgenommen werden sollen. Um die 1/125-1/500 werden je nach Bewegungsschnelligkeit die Motive noch etwas verwischt sein. Ab 1/1000 solltest Du knickscharfe, eingefrorene Motive erhalten können. Das bedeutet jedoch auch, dass die Blende weit geöffnet sein wird und die ISO bei schlechten Lichtverhältnissen in den Bereich des "Rauschens" driftet. Und die offene Blende verringert den Schärfentiefebereich deutlich. Aber besser ein Bild mit Rauschen, als gar kein Bild.
  • Modus M - Hier triffst Du in allen Bereichen Deine eigene Wahl. Blende, Belichtungszeit, ISO - alles wird manuell eingestellt. Das geht immer und überall dort, wo Du ausreichend Zeit hast. Selbst in der Streetphotography kannst Du so Deine Voreinstellungen machen und dann warten, bis jemand im richtigen Abstand durch das Bild läuft oder fährt. 
  • ISO-Automatik - Hierbei triffst Du die Entscheidung über die ISO nicht selbst. Die Kamera wählt je nach eingestellter Blende und Belichtungszeit, die dafür erforderliche ISO. Bei guten Lichtverhältnissen kein Problem, bei schlechterem Licht kann das schnell kritisch werden.

Was hat das nun mit dem Trick zu tun?

Mit der Belichtungskorrektur kannst Du Dein Bild bewusst unter- oder überbelichten. Dazu wird Dir im Sucher bzw. im Live-View eine senkrechte Skala mit einem kleinen Pfeil angezeigt, der sich bei "korrekter" Belichtung (also das, was die Kamera als korrekte Belichtung meint zu erkennen) auf oder an der Null befindet. Minuszahlen bedeuten "Unterbelichtung", Pluszahlen bedeuten "Überbelichtung". Dark & Moody erfordert in aller Regel eher eine Unterbelichtung, High-Key tendenziös eine Überbelichtung.
Um nun nachträglich in der Bildbearbeitung ein rauscharmes und dennoch korrekt belichtetes Bild zu erhalten, solltest Du unbedingt im RAW-Modus fotografieren. Denn die JPEG's werden gnadenlos unterbelichtet sein und die Bearbeitungsmöglichkeiten der JPEG's sind bedingt durch die reduzierte Bildinformation stark begrenzt.

Bild 1 zeigt Dir das unbearbeitete Original. Viltrox 23mm f/1.4, ISO 160, 1/125. Das nennt man mal gewaltig unterbelichtet. Im Grunde nicht zu gebrauchen.

Bild 2 zeigt Dir das unbearbeitete, korrekt belichtete Original. Viltrox 23mm f/1.4, diesmal ISO 2.000, wie Bild 1 mit 1/125 Verschlusszeit.

Bild 3 zeigt Dir nun die gleiche Fotografie mit dem Viltrox 23mm f/1.4, ISO 160, 1/125, bei dem in der Bildbearbeitung die Belichtung um 3,5 Stops hochgezogen wurde.

Siehst Du den Unterschied? Nein? In der "normalen" Ansicht ist kein Unterschied erkennbar. Dennoch hat das Bild 2 mit ISO 2.000 ein deutliches Rauschen. Bei normalem Betrachtungsabstand fällt das nicht auf, was übrigens dem entspricht, was ich in dem Artikel bezüglich der Angst vor hoher ISO propagiere. Die Fujifilm X-T4 verhält sich auch bei einer 2.000er ISO noch recht entspannt. Aber wechseln wir die Ansicht und gehen auf 200% (was nur Fotografen machen).

Bild 1.1 - das entspricht dem Bild 1 also unbearbeitet mit ISO 160 (alle anderen Werte wie Belichtungszeit und Verschlüsselt bleiben jeweils unverändert). Es lässt sich nur erahnen, was das sein soll. Somit ist das Thema Rauschen obsolet.

Bild 2.2 zeigt Dir die Vergrößerung des Bildes mit ISO 2.000 im unbearbeiteten Original. Das Rauschen ist deutlich erkennbar und beeinflusst die Gesamtschärfe deutlich.

Bild 3.3 nun zeigt Dir das Bild des bearbeiteten Fotos mit ISO 160, bei dem die Belichtung nachträglich um 3,5 Stops hochgezogen wurde. Ergebnis weniger Rauschen, mehr Gesamtschärfe.

Was bedeutet das nun für Dich und Deine Fotografie?
1. Besser unterbelichtet, als überbelichtet. Ausgebrannte Bereiche sind unrettbar verloren, weil in ihnen keine Informationen mehr enthalten sind.

2. Eine Unterbelichtung um bis zu 5 Stops ist in der Nachbearbeitung (vorausgesetzt Du fotografierst im RAW-Format) problemlos möglich.

3. Wähle eine niedrige ISO, belichte bewusst zu niedrig und korrigiere das im Nachhinein in der Postproduction. Das Rauschen wird (ohne die Rauschreduzierung in Deinem Bildbearbeitungsprogramm bemühen zu müssen) bei niedrigerer ISO und anschließender Belichtungskorrektur geringer ausfallen - mindestens jedoch gleich bleiben.

4. Die niedrigere ISO erlaubt Dir auch bei schlechten Lichtverhältnissen eine um bis zu 5 Stops höhere Blendenzahl. So lässt sich auch bei schlechten Lichtverhältnissen ausreichend Tiefenschärfe erzielen.

Viel Spaß bei Deiner Fotografie!


© Jürgen Pagel 2022 LICHTWERK.DESIGN

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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