Ist die klassische Fotografie nun tot oder nicht?

Jürgen Pagel

Ist die klassische Fotografie tot oder nicht?

Was im ersten Moment sehr provokativ klingt, ist ein Thema, mit dem sich die Fotografenwelt schon seit geraumer Zeit beschäftigt.

Der Grund für diese Provokation ist wohl vielmehr der Wunsch nach Sicherheit. Vor allem selbstständige Fotografen treibt das Thema um. Dem Hobbyisten kann es schlussendlich egal sein. Der muss mit der Fotografie nicht seinen Lebensunterhalt verdienen, nicht jeden Tag einen Mindestumsatz von 600 Euro und mehr erzielen, nicht auf der „Jagd“ nach Aufträgen sein und selbst wenn sein Hobby vollkommen an Bedeutung verlieren sollte, kann er es dennoch weiter betreiben und eine Menge Spaß damit haben. Im Zweifelsfall passt er sich an und fotografiert eben nur noch mit dem Handy.

Der selbstständige Fotograf jedoch benötigt Sicherheit. Sicherheit für die Zukunft. Wie geht das weiter? Wie kann man künftig sich und seine Familie ernähren? Wie schaut die Zukunft aus? Das kommt derzeit einem Blick in die Glaskugel gleich, dennoch lässt sich die Eingangsfrage mit dem einen oder anderen Blick über den Tellerrand ziemlich gut beantworten.

Schauen wir uns zunächst die Fakten an, ohne sich allzu sehr in technische Details zu verlieren.

Fakt 1

Die Kamerahersteller scheinen nach wie vor einen riesigen Markt zu sehen. Während bei den Handyherstellern die Kamerafunktionen mitzulaufen scheinen und der Entwicklung klare Grenzen gesetzt sind, ein Handy nicht per se dem Fotografieren, sondern dem Telefonieren dient und die Fotografie eine Nebensache ist, setzen die Kamerahersteller auf neue Modelle, beleben den APS-C-Sensor neu (der wurde übrigens auch kürzlich für tot erklärt). Allen voran Canon und Fujifilm mit neuen herausragenden APS-C-Modellen. Aber auch das Vollformat führt alles Andere, als ein Nischendasein. In diesen Unternehmen sitzen eine Menge gut bezahlter Köpfe, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als Märkte zu analysieren und Produkte zu erfinden, die das Überleben einer Marke so gut es geht zu sichern. Wir sollten nicht glauben, dass die alle keine Ahnung von ihrem Geschäft haben. Und die renommierten Marken setzen nach wie vor auf die klassische Kamera.
Es wird in diesem Markt ohne Frage Veränderungen geben. Aber die werden sich im Rahmen (halten) müssen, denn man setzt nicht einfach mal so nebenbei hunderttausende Mitarbeiter:innen auf die Straße – in Japan nicht, in China nicht und in Deutschland schon mal gar nicht.


Fakt 2

Anders als im klassischen Kameramarkt sind die Hersteller von Mobilfunktelefonen an gewisse Baugrößen gebunden. In ein Handy (der Name sagt es ja schon aus) passt nun mal kein Vollformatsensor und auch kein APS-C-Sensor. Und die winzigkleinen Mikrosensoren in den Handy’s sind schon bauartbedingt in ihrer Leistungsfähigkeit begrenzt. Sie sind mittlerweile grandios, aber eben immer noch klein. Mit allen Vor- und vor allem Nachteilen. Zwangsläufig muss also die Interpolation her. Und das sieht man deutlich. Im Instagram-Format ist alles gut. Aber sobald man das Bild auch nur ansatzweise vergrößert, zeigen sich die Schwächen sehr kleiner, mit Software aufgepimmter Sensoren. Es gibt also eine eindeutige Begrenzung des Nutzens, wohingegen eine klassische Kamera alle Arbeitsfelder zu bedienen weiß. Kleiner geht immer. Wie heißt es so schön: „Lieber haben, als brauchen“.


Fakt 3

Die Anzahl der Profifotografen ist recht überschaubar. Verlässliche Zahlen gibt es kaum. Vielleicht sind es in Deutschland ca. 30.000 – wenn überhaupt. Und für die allermeisten von denen lohnt sich das Gewerbe nicht wirklich. Viele haben einen ersten Hauptjob – übrigens auch ich, mit dem sie wirklich Geld verdienen und betreiben die Fotografie als zweiten Hauptberuf. Vielleicht bleiben in Deutschland maximal tausend Fotografen übrig, die ihr gutes Geld wirklich mit ausschließlicher Fotografie verdienen. Für die sind die vielen neuen Produkte der Kamerahersteller aber nicht gedacht. Profifotografen sind meist sehr Markentreu – was einfach mit dem Equipment, das auf einen Hersteller ausgerichtet ist, zusammenhängt. Da tauscht man nicht einfach so die Kamera. Außerdem wissen die wohl, dass ihre Bilder oder Filme mit einer neuen Kamera, dazu noch von einem anderen Hersteller, nicht wirklich mehr besser werden.

Wer aber vor allem von neuen Modellen profitiert, ist der schier endlose Markt an Hobby- und semiprofessionellen Fotografen, die auf der Suche nach noch besserem oder besser händelbarem Equipment, schnell fündig werden. Diese fotografieren aus Prinzip nicht mit dem Handy, sondern vertrauen professionellen Kameras mehr und mehr. Die Absatzzahlen nahezu aller Unternehmen belegen das eindeutig.

Je weniger die Menschen rausgehen – sei es, weil sie es sich nicht mehr leisten können oder aus Angst vor Corona, desto mehr greifen sie zu alltagstauglichem, vollwertigem Kameraequipment.

Obwohl die Preise bei diesen Kameras gewaltig angezogen haben – unter 1.500 Euro ist fast nichts mehr zu bekommen, ist der Bedarf vorhanden.


Fazit

Die Antwort auf die Eingangsfrage: Nein. Ist sie nicht und sie wird nicht sterben. Nicht heute, nicht morgen und auch nicht in zehn Jahren. Alles, mit dem dieser Untergang begründet wird, ist so teuer, dass sich das nur sehr wenige werden leisten können. Wer kauft schon ein Objektiv für 10.000 Euro und mehr? Wer kauft eine hochintelligente Kamera für 12.000 Euro, selbst, wenn diese auch noch telefonieren könnte? Wohl nur eine Handvoll Menschen auf dieser Erde.

Unsere Generation Z merkt erstaunlicherweise sehr schnell, wie wichtig Lichtsetzung ist. Sie bekommen Feedback, dass sie in diesem oder jenem Licht besser ausschauen. Sie erkennen die Grenzen der Handyfotografie, nachdem sie die Möglichkeiten ausgeschöpft haben, die sich daraus ergeben.

Nein, ich bin nicht voller Hoffnung, denn das wäre ein schlechter Ratgeber, sondern ich bin überzeugt, dass die klassische Fotografie sehr viel mehr Möglichkeiten bietet und in Zukunft noch viel mehr Möglichkeiten bieten wird. Die KI (künstliche Intelligenz) ist eindeutig auf dem Vormarsch. Die neuesten Versionen von Luminar AI, Lightroom und Photoshop sind diesbezüglich in kürzester Zeit wegweisend geworden. Und da geht noch mehr. All das macht die Handyfotografie nicht überflüssig, aber es werden immer Menschen gebraucht werden, die sich mit Lichtsetzung und der Art und Weise, wie man ein Modell, ein Produkt, ein Unternehmen, die Mitarbeiter, die Autos und vieles andere mehr entsprechend in Szene setzt. Das alles spricht eher für eine optimierte Fortsetzung der klassischen Fotografie, als für deren Untergang.


©2022 Jürgen Pagel


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