Werte, Geben und Nehmen

Jürgen Pagel

Werte, Geben und Nehmen


Vom Handschlag hatten wir ja zwischenzeitlich Abstand genommen. Mit großer Freude stelle ich fest - er zieht wieder ein in unser Bewusstsein und ich persönlich finde das ziemlich cool. Das hat doch deutlich mehr Persönliches, als die Faust oder der Ellenbogen oder gar nur ein freundliches Kopfnicken.

Was aber der Handschlag mit Wertigkeit zu tun? 
Das Händeschütteln (auch: der Handschlag) ist ein in vielen westlichen Ländern gängiges nonverbales Begrüßungs- und Verabschiedungsritual. In anderen Kulturen ist es hingegen traditionell unüblich oder auf gleichgeschlechtliche Kontakte – insbesondere unter Männern – beschränkt.

Ebenso wie viele andere Begrüßungszeremonien wird es normalerweise mit der rechten Hand ausgeführt, außer beim Handschlag des Pfadfindergrußes, dort mit der Linken. Die Hände umfassen sich dabei für einige Sekunden und werden oft rhythmisch auf und ab bewegt. Fehlt diese Bewegung, wird mitunter auch vom Händedruck gesprochen. Ein Vorläufer dürfte das Winken sein, welches ursprünglich wohl dazu diente, dem Gegenüber die leere Waffenhand zu präsentieren. Beim Händeschütteln kommt noch der unmittelbare Körperkontakt hinzu. Als noch intimer können – je nach Kultur – die Umarmung und der Wangenkuss gesehen werden.

In der westlichen Welt gilt beim Händeschütteln ein kräftiger Händedruck gewöhnlich als Zeichen für Selbstbewusstsein, Kraft und Willensstärke. Ein sehr schwacher Händedruck kann indes negative Assoziationen hervorrufen. In anderen Regionen, vor allem in asiatischen Ländern, gilt ein starker Händedruck hingegen als unhöflich grob. [Wikipedia]

In dem wir jemanden (herzlich) begrüßen, zeigen wir ihm gegenüber seine Wertigkeit. Wir zeigen ihm, dass er/ sie uns etwas bedeutet. Und wir bekommen dieses Wertigkeitsgefühl auch zurück. Ich habe das ehrlich gesagt in dieser ganzen Coronazeit vermisst. Nicht schmerzlich, aber vermisst.

Gerade im Dienstleistungsbereich geht es um Wertigkeit, um Vertrauen. Schließlich vertraut der Kunde dem Auftragnehmer bisweilen "intime" Details aus seinem Geschäfts- oder Privatleben an. Wir als Fotografen brauchen diese Detail, um uns ein Bild von unserem gegenüber machen zu können. So können wir seine Wünsche und Vorstellungen wesentlich besser verstehen, uns darauf einlassen (oder auch nicht) und eben genau diesen Vorstellungen entsprechen. Wir schätzen unser Gegenüber wert. Genauso erwarten wir auch die Wertschätzung uns und unserer Arbeit.

Sie ahnen schon, auf was ich hinaus will? Mit Klatschen alleine ist es nicht getan. Das hat in den schlimmsten Phasen der Corona-Pandemie ebensowenig geholfen, wie es einer Altenpflegerin hilft, wenn die alten Damen und Herren im Altersheim klatschen, sie aber von der verantwortlichen Pflegeheimleitung wenig Lohn bekommt - so wenig, dass sie davon alleine nicht leben kann. Das gibt es nicht, wird der eine oder die andere sagen. Ich versichere Ihnen, das ist die Regel. Immer noch. Oder gerade im Moment wieder besonders häufig.

So ist also nicht nur der Handschlag ein Zeichen der Wertschätzung, sondern auch die anständige Bezahlung für eine erbrachte Leistung.

Es ist in unseren Kreisen üblich geworden, von Stundenlöhnen zu sprechen. Alles dreht sich um die Zeit. "Der Kollege hat drei Stunden gearbeitet. Aber zufrieden bin ich mit der Leistung nicht." Ein anderer: "Nach nur einer Stunde war er fertig. Tolle Leistung." Im Ergebnis erhält der Kollege, der nicht zufrieden stellende Leistung abgeliefert hat, den dreifachen Betrag gegenüber dem Kollegen, der hervorragend schnell, zu verlässt und umfassend seinen Auftrag erfüllt hat. Und allzu oft wird der Zeitaufwand hinter der eigentlichen Arbeit nicht WERT geschätzt.
Pre- und Postproduction, Anfahrt, Abfahrt, Anschaffungskosten, Verschleiß, Reparaturen, auftragsfreie Zeit und viele andere Dinge mehr, finden beim Kunden kaum Beachtung. Selbst diejenigen, von denen man meinen sollte, das sie auf Grund ihrer eigenen Selbstständigkeit über ausreichend Erfahrung auf dem Gebiet der Wertschätzung haben sollten, lassen das sehr häufig vermissen.

Deswegen mein Tipp: Lösen Sie sich von dem Stundenlohn-Gedanken.
Natürlich kalkulieren Sie Ihren Preis (pro Stunde). Aber dem Kunden gegenüber verkaufen Sie Wertigkeit, Wertschätzung und das Gesamtpaket.

Letztendlich ist das sehr viel schwieriger zu kalkulieren, als der bloße Stundenlohn, denn Sie müssen unbedingt den Wert einbeziehen, den das fertige Endprodukt für den Kunden hat.
Nehmen wir als Beispiel den Kauf eines Autos. So ein Teil auf vier Rädern, mit dem man von A nach B bei Wind und Wetter, über schmutzige und mit Schlaglöchern übersäte Straßen fährt, kostet - bis auf wenige Ausnahmen - mittlerweile hoch fünfstellig. Für 35.000 Euro, die 1999 (ca. 70.000 DM - dafür bekam man in Nordfriesland ein kleines Bauernhaus) noch ein kleines Vermögen waren, bekommt man heute fast nichts. Da fehlen dann an den hinteren Türen die elektrischen Fensterheber und auf den Heckscheibenwischer wird man auch verzichten müssen. Trotzdem werden diese Autos gekauft und zwar so häufig, das Wartezeiten von zwei Jahren und mehr die Regel sind. Und das liegt nicht nur an den Chips aus China, sondern vor allem daran, dass im Besonderen in Deutschland immer noch eine Menge Leute mit einer Menge Geld herumlaufen - beziehungsweise fahren. Warum? Weil es ihnen das Wert ist! Soviel wert, als das bis zu einem Drittel und mehr des monatlichen Einkommens für das Auto ausgegeben werden. Weil die Hersteller es verstehen, genau dieses "Das-ist-es-mir-Wert-Gefühl" zu erzeugen - letztendlich nichts anderes, als eine Emotion. Nichts anderes als "Man gönnt sich ja sonst nichts".

Und was machen wir? Wir verkaufen Fotos nach Stundenlohn (natürlich nicht alle, aber viele). Verstehen Sie den Unterschied?


Fazit

Machen Sie Ihre Arbeit zu etwas Wertvollem. Zu etwas, das nicht so leicht zu ersetzen ist. Verkaufen Sie die Emotion, das Erlebnis, das Einmalige lesen, was Sie zu leisten in der Lage sind. Geben Sie alles und mehr. Dann ist es das auch wert und der Preis wird (hoffentlich) zur Nebensache.

Selbst wenn Sie in Ihrem Leistungskatalog Stunden- bzw. Tagessatz angeben, so dienen diese der groben Orientierung und als Filter, damit diejenigen, die eine Hochzeit für 500 Euro fotografiert haben wollen, sich gar nicht erst bei Ihnen melden. Aber Ihre Stunden- oder Tagessätze spielen bei der letztendlichen Verhandlung keine Rolle mehr, wenn Sie es schaffen, das Gefühl der Wertigkeit bei Ihrem Gegenüber zu erzeugen. That's it.


Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer neuen Wertigkeit.


©2022 Jürgen Pagel

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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