Kostenlos oder umsonst?

Jürgen Pagel

Leistungen bieten - kostenlos oder umsonst?

Immer wieder liest man in diversen Fotografie-Foren, dass man Leistungen nicht umsonst abgeben sollte. Das erscheint zunächst richtig, denn "umsonst" ist der Tod und selbst der "kostet" das Leben.

Was bei „kostenlos“ eindeutig ist, ist es bei „umsonst“ allerdings nicht. Denn das Wort „umsonst“ ist mehrdeutig, hat also mehrere mögliche Bedeutungen.
 Die erste Bedeutung ist im gleichbedeutenden Sinne wie die Wörter „kostenlos“, „unentgeltlich“ und „gratis“.
 Die zweite Bedeutung ist „ohne Zweck“ beziehungsweise „zwecklos“ (auch „zweckfrei“) – auch „grundfrei“.

„Umsonst“ im Sinne von „kostenlos“ bedeutet „unentgeltlich“ = Leistung zunächst ohne Gegenleistung. Dennoch wird diese erwartet.
Beispiel: Du bietest ein Familien-Shooting kostenlos an. Ziel dieser Kampagne ist es, eine positive Rezension über die Qualität Deines Shootings zu bekommen, weitere Empfehlungen zu erhalten oder/ und Deine Reputation für das Thema „Familien-Shooting“ zu optimieren.
Somit entsteht ein Nutzen für beide Seiten. Die Familie erhält ein für sie kostenloses Shooting und Du als Fotograf bekommst auf diesem Weg Bilder für Deine Reputation oder ein paar Empfehlungen für Aufträge, die dann natürlich nicht mehr kostenlos sind.

Ein lukratives Geschäft – auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Hierbei ist der Begriff „kostenlos“ positiv assoziiert.

Anders schaut das bei der Bedeutung von „umsonst“ im Sinne von „grundlos“ aus. Dabei lässt sich konstatieren, dass es ein Etwas ohne Grund gar nicht gibt.
Beispiel: Du willst mit Deiner Arbeit kein Geld verdienen. Dennoch Fotografierst Du. Aus Spaß, aus purer Freude am Fotografieren, weil Du es Bekannten zeigen willst, weil Du Dich mit der Kameratechnik vertraut machen willst. Es gibt also immer einen Grund, etwas zu tun. Wer etwas grundlos macht, benötigt dringend einen Therapeuten.

„Zwecklos“, ohne jeden Zweck – nun wird jemand einwerfen wollen, dass Zweck und Grund die gleiche Bedeutung haben. Dem ist mitnichten so.
Hierzu zwei Beispiele.

Beispiel 1: „Wegen der Hitze springt Emil in das kühle Wasser.“ 
Warum springt Emil in das kühle Wasser? → Wegen der Hitze
Wenn Du mit warum? nach einem Grund fragen kannst, handelt es sich um eine adverbiale Bestimmung des Grundes.
Sie gibt Dir in diesem Satz mehr Informationen darüber, warum Emil in das kühle Wasser springt. Die Präposition wegen zeigt Dir auch an, dass es um einen Grund geht.

Beispiel 2: „Zur Abkühlung springt Emil in das kühle Wasser.“
Wozu springt Emil in das kühle Wasser? → Zur Abkühlung
Wenn Du mit wozu? nach einem Zweck fragen kannst, handelt es sich um eine adverbiale Bestimmung des Zwecks.
Sie gibt Dir in diesem Satz mehr Informationen darüber, wozu Emil in das kühle Wasser springt. Die Präposition zu zeigt dir auch an, dass es um einen Zweck geht.

Umsonst im Sinne von „vergebens“ würde gem. dieser Definition weder einen Nutzen bringen noch einen Zweck verfolgen.

Beispiel: Du machst ein Familien-Shooting aus dem Grund, daraus für Dich einen Nutzen ziehen zu können. Diesen Nutzen definierst Du für Dich aus der Empfehlung der Kunden.
Der Zweck ist also ein kostenloses Shooting gegen eine unbare Leistung.
Nun erhältst Du nach Deinem Shooting genau diese Empfehlung nicht – weil der Kunde keine Lust darauf hat, weil er es vergessen hat und auch auf eine Erinnerung nicht reagiert. Dann war die Aktion zwar nicht „grund“-, dennoch „zwecklos“.

Letzteres ist der GAU – der größtmögliche anzunehmende Umstand und dennoch geschieht es. Genau genommen passiert das nicht einfach so, sondern hat einen triftigen Grund: mangelnde Kommunikation. Sehr wahrscheinlich hast Du gegenüber dem potenziellen Kunde, dem Du eine kostenlose Leistung offerierst, nicht eindeutig kommuniziert, was Du für Deine Leistung erwartest. Und wenn Du ihm das nicht sagst, woher soll er das wissen?

Damit Deine kostenlosen Shootings ihren Zweck erfüllen, solltest Du in der Kommunikation mit Deinen künftigen Kunden einige Regeln beherzigen.
  • Wecke keine Erwartungen, die Du nicht erfüllen kannst.
  • Kommuniziere klar und eindeutig, was Du als Gegenleistung erwartest.
  • Arbeite mit Affiliate-Marketing. Beim Affiliate-Marketing muss der Affiliate (also Dein potenzieller Kunde, dem Du eine kostenlose Leistung anbietest) in Kontakt mit anderen potenziellen Kunden treten und sie von Deinem Produkt (Deiner Fähigkeit, Familien-Shootings professionell durchzuführen) überzeugen. Für jedes weitere vom Affiliate erfolgreich beworbene und zum Abschluss gebrachte Shooting, erhält er als Gegenleistung eine Provision (z.B. 10% des Originalpreises).
  • Definiere genau Deine Zielgruppe, sonst läufst Du Gefahr, dass viele vermeintlich potenzielle Kunden Deine kostenlose Leistung abgreifen, dafür aber keine Gegenleistung erbringen. Begrenze also Dein Angebot
    • Räumlich – beispielsweise im Umkreis von 20 Kilometer
    • Zeitlich – nur gültig für drei Tage oder eine Woche oder einen Monat
    • Persönlich – abhängig von Deiner Zustimmung nach vorherigem Gespräch
  • Auch ein Mensch, der eine kostenlose Leitung in Anspruch nimmt, ist ein Kunde. Er wird genauso professionell „bedient“, wie ein zahlender Kunde.
  • Auch kostenlose Leistungen sind Höchstleistungen. Du gibst stets Dein Bestes.


©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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