Lohnt es sich heutzutage noch, Fotograf zu werden?

Jürgen Pagel

Lohnt es sich heutzutage noch, Fotograf zu werden?

Das Kleingedruckte vorweg: Ich gendere in solchen Artikeln und Beiträgen nicht. Weil es das Schreiben erheblich erschwert, weil es die Sprache teilweise unmöglich macht und weil ich jedem Geschlecht oder was auch immer jemand sein möchte, genügend Respekt entgegenbringe, dass sich der-, die- oder dasjenige fühlen kann, was immer es sein möchte – v.a. deshalb, weil sich das jährlich ändern kann. Mir ist das völlig egal, solange es nicht abstrus wird und man nicht versucht, mich in eine Ideologie hineinzuziehen, in die ich nicht hineingezogen werden möchte. Punkt. Diese Meinung kann man teilen oder nicht. Das ist mir egal. Wer sie teilt, kann weiterlesen und wer nicht, kann hier selbstverständlich aufhören und Kommentare dazu brauche ich nicht, weil sie nichts ändern werden.

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Es kommt darauf an (würde Radio Eriwan antworten). Wer Fotografie als eine Art von Kunst betrachtet, wird den Weg eines jeden Künstlers gehen müssen. Mit viel Fleiß, mit einer großen Portion Leidensfähigkeit, mit Glück den einen oder anderen Auftrag nach langen Durststrecken ergatternd und sich Kritik von Leuten ausgesetzt sehend, die Kunst als etwas vollkommen Überflüssiges betrachten und obwohl sie keinerlei Ahnung davon haben, immer und überall ihren Senf dazugeben müssen.

Wer die Fotografie als etwas Darstellendes sieht, als Zeitgeschichte, Zeitzeuge sein möchte und alles festhält, was bedeutsam ist bzw. bedeutsam sein könnte, wer viel Spaß am Ausprobieren und am Lernen von Neuem hat, der ist sicher gut aufgehoben. Sich der Kritik stellend, davor nicht scheuend und stets auf der Suche nach Interessantem, nach lohnenden Motiven, sich Aufgaben stellt und Projekte konsequent umsetzt, der ist auf einem guten Weg. Ob es der Richtige ist, vermag nur derjenige selbst zu beurteilen.

Wer Fotografie als Hobby sein Eigen nennt, ist bestens damit bedient und kann es jederzeit wieder sein lassen, wenn es zu mühselig, zu umfangreich oder gar lästig wird. Er kann Pausen einlegen, muss sich vor kreativen Löchern nicht fürchten und kann tun und lassen, was er will (dessen sollte man sich als Hobbyist durchaus bewusstwerden und sich nicht auf den Weg des Fanatismus verführen lassen).

Wer die Fotografie zum alleinigen Broterwerb auserkoren hat, dem stehen große Investitionen bevor. Auch wenn manche das negieren mögen, sind im Laufe von zwei, drei Jahren Beträge von 20-30K keine Seltenheit und manche schaffen sicher auch mehr. Denn eines ist die „richtige“ Fotografie niemals – billig. Weder billig in Bezug auf die Ausrüstung noch was die Motivwahl oder das Genre anbelangt. Eine nackte Frau „billig“ zu fotografieren, ist weder Kunst noch anspruchsvolle Fotografie. Das kann jeder. Eine Frau so zu fotografieren, dass jemand minutenlang das Bild betrachtet, nach Details Ausschau hält, diese aber nicht wirklich findet, sondern nur erahnen kann und das Ganze auch noch hohe handwerkliche Ansprüche erfüllt, das ist Fotografie, ja vielleicht sogar Kunst (siehe oben). Bis es so weit ist, dauert das sehr lange. Fotografie ist ein Marathon und definitiv kein Sprint. Wer die Geduld nicht aufbringt, sich der Fotografie hinzugeben und damit zu leben, dass es Jahre und vieler tausend Bilder bedarf, bis etwas Anerkennenswertes dabei herauskommt, sollte ich für das Füllen seines Kühlschrankes einen anderen Beruf aussuchen. Beispielsweise könnte man die Fotografie auch professionell als Neben- oder Zweitberuf betreiben und in seinem Hauptberuf verbleiben. Wenn dann nach Jahren des Wirkens und Schaffens die Fotografie dominiert, kann man sich immer noch für diese entscheiden. 

Ich fotografiere fast mein ganzes Leben lang – mehr oder meist weniger bewusst und intensiv und erst seit 2018 von dem Wunsch bzw. der Absicht beseelt, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und das, ohne einem dieser supertollen und geilen Coaches anheim zu fallen, für deren Marketingtricks tausende von Euro zu bezahlen (mit ihren abartigen Honoraren kommen sie stets als Allerletztes um die Ecke) notwendig ist, um am Ende festzustellen: Ohne Arbeit und viele Stunden täglich geht es nicht. Work-Life-Balance war gestern und wenn die Familie nicht mitspielt, wird das sowieso nichts. Das ist die Wahrheit. Es ist mühselig – normalerweise. Sicher gibt es auch Glückskandidaten, denen das in den Schoß zu fallen vermag. Aber die sind an den Fingern von einer Hand zu zählen und stellen sicher nicht die Regel dar. Alle anderen sprechen üblicherweise nicht über die Mühseligkeit, nicht über die vielen Steine, die ihnen täglich in den Weg geworfen werden und die es gilt, mit den eigenen Händen wegzuräumen, um den Platz für kreative und ansprechende Fotografie zu bereiten. Auf die Frage, wie es ihnen geht und wie die Geschäfte laufen, antworten mehr als 80% (es gibt tatsächlich Studien dazu): Super, prima, könnte nicht besser sein. Auch wenn es schlecht läuft und der Kettenhund des Finanzamtes bereits von der Leine ist.
Irgendwie erinnert mich das an die Fitnessszene. Ich habe mal behauptet, dass in keiner Szene so sehr gelogen wird, wie gerade in der Fitnessbranche. Für diese Aussage musste ich einige Prügel einstecken. Am Ende jedoch haben mir Brancheninsider absolut Recht gegeben.

Ständig wird gefragt: Wohin geht die Reise mit der Fotografie? Ist das Ende der Fotografie eingeleitet? Löst die KI die Fotografie ab?
Was bei der Beantwortung dieser oder ähnlicher Fragen hilft, sind logischer und vor allem gesunder Menschenverstand, umfangreiche Kenntnisse innerhalb der Szene, ein wenig über Marketinggesetze und vor allem viel Wissen um und über Kundenwünsche bzw. deren Vorstellungen.
Und die Ergebnisse dieser Überlegungen dienen gleichzeitig dazu, die Frage zu beantworten, ob es sich heutzutage noch lohnt, den Beruf des Fotografen zu ergreifen.

Die KI ist nicht das Ende der Fotografie. Sie beeinflusst die Fotografie oder auch den Film maßgeblich. Das ist richtig. Sie verändert den Workflow, macht viele Schritte überflüssig und damit leichter. Vieles geht schneller und die Art und Weise, seine Bilder zu bearbeiten, verändert sich. Das ist jedoch alles kein Nachteil. 
Die KI fotografiert keine Hochzeiten. Sie hilft in der Produktfotografie, aber sie ersetzt nicht den Produktfotografen. Dafür ist dieses Genre viel zu individuell und anspruchsvoll. Sie fotografiert keine Models und keine Portraits. Sie erstellt keine Fashion-Fotos für ein Bekleidungsgeschäft mit Herrenjeans oder Damenunterwäsche.
KI kann vieles, aber eben bei Weitem nicht alles. Und das muss sie auch nicht.

Das Ende der Fotografie ist nicht in Sicht. Es ist ein gewisser Sättigungsgrad erreicht. Das lässt sich leicht an den neuen Kameramodellen erkennen. Nichts Aufregendes. Keine Sensationen. Teilweise eher sogar ein paar Schritte zurück. Neue Kameras, aber immer noch 24 MP und weniger Dynamikumfang. Neue Objektive, aber schon die „Alten“ war scharf wie Rasiermesser. Wer braucht schon 30 Bilder pro Sekunde? Hat sich eigentlich schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, wie viel Arbeit das Aussortieren bei 4.000 und mehr Bildern macht? Und wer den Speicherplatz dafür bezahlt? Euch ist schon klar, was eine 512 GB CF-Express kostet, oder?
Tatsächlich holt Pentax ein Halbformat aus der Kiste und will das als besonders nutzbringend vermarkten. Dabei ist das nicht mehr, als ein fast schon hilfloser Versuch, die analoge Fotografie wieder zu beleben – also bei allem Digitalen wieder einen Schritt zurückzugehen und verkauft das als „Entschleunigung“.
All das, was da in den vergangenen zwei, drei Jahren auf den Markt gekommen ist, scheint nicht geeignet, die Bilder, die Ergebnisse besser zu machen. Jede Kamera hat ihre Stärken und ihre Schwächen. Damit wird man auch in Zukunft leben müssen und das wird sich auch durch eine Vielzahl an Videos von unzähligen YouTubern nicht ändern. 
Mit Kameras und Objektiven ist das wie mit neuer Firmware. Immer erst einmal abwarten. Nicht gleich kaufen bzw. installieren. Siehe neues Firmwareupdate von Sony bzw. ausgerissene Halteösen bei der Nikon Z8. Es lohnt sich zu warten, bis die neuerdings anfänglich exorbitanten Preise niedrigere Sphären erreicht haben. Und oftmals stellt sich heraus, dass sich ein Umstieg nicht lohnt. Fakt ist, dass nur ein Bruchteil der Hobbyfotografen alle Funktionen ihrer Kamera kennt, so dass der Umstieg auf ein vermeintlich besseres Modell enttäuschend ausfallen muss. Das es dennoch gehypt wird, liegt an einem einfachen psychologischen Phänomen: Niemand gibt gerne zu, dass er gerade 3.000 Euro und mehr für etwas versenkt hat, das er eigentlich gar nicht braucht – er es auch vorher nie gebraucht hat. Folglich redet er sich das schön, damit er eine Rechtfertigung für das hat, was er nicht braucht. Und Kritikern dieser Aussage sei entgegnet: Ja, ich habe das in der Vergangenheit auch so gemacht und nein, ich mache es mittlerweile nicht mehr. Und nochmals ja. Es zeigt, dass das Marketing der Hersteller funktioniert. Ziel erreicht.

Ja, es lohnt sich. Die Fotografie bietet unzählige Genre. Da ist für jeden Profi etwas dabei. Wer Zeit und Geld aufbringt, Marketing betreibt und ein klares Ziel vor Augen hat; die Breitschaft mitbringt, zumindest die ersten Jahre mehr als 10 Stunden zu arbeiten und sei es am PC bzw. am Mac, wie ich gerade, der wird Erfolg haben und über kurz oder lang seinem Ziel gemäß Beträge verbuchen können, die zum Lebensunterhalt gereichen.
Wer anständig kalkulierte Angebote abgibt und eine saubere und perfekte Leistung abliefert, wird zwangsläufig Erfolg haben. Auch in Deutschland. Auch in diesen nicht einfachen Zeiten – die sind übrigens in Italien, Österreich, Schweiz und Spanien auch nicht anders. Selbst auf das vermeintlich bessere Wetter ist dort auch kein Verlass mehr.

©2024 Jürgen Pagel
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