Lohnt sich das?

Jürgen Pagel
Manchen Autoren aus der Fotobranche scheint nicht immer klar zu sein, was sie da bisweilen so schreiben.
Einerseits empfehlen sie Kameras mit 40 MP und mehr, ja „hypen“ diese geradezu – andererseits schreiben sie vom Einsatz einer gezielten Unschärfe als gestalterisches Element. Warum brauche ich eine Kamera mit 40 Megapixel, wenn ich bewusst die Unschärfe einsetze?

Das führt mich zu meinem Vergleich der Vor- und Nachteile einer Kamera mit mehr als den bisher üblichen 30 Megapixeln.

Verwendungszweck

Zunächst hängt das vom Verwendungszweck ab. Bist Du Hobbyfotograf und druckst maximal auf Hochglanzpapier am heimischen Drucker Deine Bilder aus (ob ein Bild erst dann fertig ist, wenn es ausgedruckt wurde, ist eine philosophische Betrachtungsweise), dann reicht Dir bei 300 DPI eine Auflösung von 3508 x 2480. Das entspricht ca. 8,7 Megapixel. Für die eine einzige Ausnahme im Jahr, bei der Du ein DIN A0 mit 14.043 x 9933 – also 139 Megapixel – in Auftrag gibst, lohnt sich die Anschaffung einer bis zu 10.000 Euro teuren Kamera sicher nicht.
Somit kannst Du mit 20 Megapixeln im Grunde alles drucken, was relevant ist.


Crop
Das gilt so lange, wie Du Dein Bild nicht beschneidest. Dann nämlich verlierst Du schnell an Auflösung, weil Du die Kantenlängen gegenüber dem Original beschneidest. Multiplizierst Du die Kantenlängen und dividierst den Betrag durch 1.000, erhältst Du Deine Dir tatsächlich zur Verfügung stehende Auflösung in Megapixel.

Wenn Du allerdings bei der Bildkomposition entsprechende Sorgfalt walten lässt, lassen sich kräftige Beschneidungen vermeiden.


Speicherkarten

Deine Speicherkarten werden Dir auf jeden Fall die Verwendung einer 20-26 MP-Kamera danken. Eine 128 GB-Karte fasst bei Verwendung in einer Vollformat-Kamera mit durchschnittlich 24 MP ca. 5.500 Bilder im RAW-Format. Bei einer 100 MP-Kamera sind das nur noch etwas mehr als 1.800 Bilder, weil die einzelne Bilddatei bis zu 60 MB groß werden kann. Wer also mit hoher Auflösung unterwegs ist, braucht definitiv einige Speicherkarten in der Reserve.


Bis diese große Datenmenge bei entsprechend hoher Auflösung kameraintern verarbeitet werden kann, bedarf es entsprechend schnellen Prozessoren. Die sind natürlich verbaut, sonst würde der Hersteller solche Kameras nicht anbieten. Aber der Puffer wird hoch belastet. Das erzeugt nicht nur Wärme, sondern benötigt zum Schreiben auf die Karte nach dem Erzeugen von Bildserien auch Zeit. Im JPEG-Format ist das kein Problem. Aber im RAW-Format kann das schon mal 10-20 Sekunden dauern. Auch das ist kein Problem. Man muss es nur wissen.


Anforderungen an die Hardware

Dateien in der Größe einer 40 MP-Auflösung und mehr im PC bzw. im Mac zu verarbeiten, kann – bei unzureichender Lese- und Schreibgeschwindigkeit – zum Datenstau führen, der nicht nur deutlich mehr Zeit kostet, sondern im ungünstigsten Fall auch zum Absturz des PC bzw. Mac führen kann.
Dem lässt sich nur mit einer optimierten Hardware entgegentreten. Wer sich für einen schnellen Mac interessiert, wird hinsichtlich der Preisentwicklung überrascht sein. 2.500 Euro sind der Einstieg in die schnelle Welt – auf einer nach oben offener Skala. 


Somit wird nicht nur die Kamera teurer, sondern auch das Equipment, um diese Bilder verarbeiten zu können. Und das geht beim Drucker weiter. Was nutzt die beste Auflösung, wenn der vorhandene Drucker dieser nicht gerecht wird. Wenn wir dann schon beim Equipment sind, darf nicht unerwähnt bleiben, dass die beste Kamera mit höchster Auflösung ihren Zweck nicht erfüllen kann, wenn die (bisher) verwendeten Objektive nicht für diese hohe Auflösung gerechnet wurden? Also kommen zu den bisherigen Kosten noch die für den neuen Objektivpark hinzu.


Das ist alles nicht schlimm. Nur solltest Du vor der Anschaffung einer solchen Kamera eine Kosten-Nutzen-Rechnung machen. All der Aufwand lohnt nicht, wenn Du nicht wirklich professionell unterwegs bist und die Kosten an Deine Kunden weitergeben kannst.
Mit den heute üblichen 20 bis 30 MP-Kameras bist Du selbst im semiprofessionellen Umfeld gut bedient, denn mehr Megapixel machen definitiv keine besseren Bilder. Und Unschärfen in Deinen Bildern werden mit 100 MP nicht weniger.


Wann und warum werden dann teure 41 bzw. 61 MP-Kameras, wie sie gerade von Sony angeboten werden, angezeigt?
Eigentlich nur für verrückte Hobbyisten, die nicht wissen, wohin mit ihrem vielen Geld – was ihnen gegönnt sei. Vor allem aber für Profis, die 4K mit 120 FPS für Zeitlupenaufnahmen benötigen, weil die sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen (müssen). Wer nie oder selten filmt, benötigt diese Spezifikationen nicht.


Und die Vorteile?

Jetzt mag der aufmerksame Leser feststellen, dass ich bisher nur vermeintliche Nachteile beschrieben habe, ohne auf die Vorteile eingegangen zu sein. Nüchtern betrachtet (was zu der Uhrzeit passt, zu der dieser Artikel beschrieben wurde), gibt es keine Vorteile.
Die Kameras sind deutlich teurer, zumeist schwerer, benötigen zusätzlich hohe Investitionen in Objektive – liefern dafür einen sehr guten Autofokus, der jedoch auch bei Modellen mit geringerer Auslösung kaum schlechter sein kann und das Gefühl, das allerneueste zu besitzen. Letzteres ist die Absicht, die hinter dem ausgeklügelten Marketing steckt, mit dem beispielsweise ein uraltes OM-System von Olympus als revolutionär und einmalig beworben wird – mit allen Nachteilen, die MFT-Sensoren nun einmal haben.


Wer also gezielte Unschärfe als gestalterisches Element fordert, sollte sich nicht allzu optimistisch über die Notwendigkeit hochauflösender Kameras äußern – ein Widerspruch in sich, der auch bei näherer Betrachtung nicht aufzulösen ist.


Warum schreibe ich das alles?

Weil ich „nur“ eine Nikon Z6II mit 26MP mein Eigen nenne? Oder eine Fujifilm X-T4 mit ebenfalls 26MP? Nein, ich gönne jeden seine teure Kamera (wobei die X-T4 und die Z6II jeweils deutlich über 2.000 Euro Anschaffungspreis lagen) von Herzen. Nein, ich möchte vor allem vor den (vollkommen legitimen) Versprechend er Hersteller und Vertriebler warnen, die nur eines im Sinn haben: Dein Geld. Auch das ist legitim. Und ich gebe zu, selbst immer wieder kurz davor zu sein, darauf hereinzufallen, mit einer Nikon Z7II genauso zu liebäugeln, wie mit einer Fujifilm X-T5. Aber realistisch betrachtet ist das selbst für mich als professionellen Fotografen ungefähr so, wie wenn man Perlen vor die Säue wirft – also sinnbefreit.


Fazit
Investiere lieber in sehr gute und herausragende Objektive, in gute Beleuchtung und in leistungsstarke Blitzgeräte. Hohe Auflösungen lassen sich heutzutage mit der m.E. exzellenten Software Topaz AI nahezu spielerisch erzielen – mit herausragenden Ergebnissen, die einem hochauflösenden Sensor in nichts nachstehen. Für die ein- bis zweimal pro Monat, in denen eine Auflösung von mehr als 30MP benötigt wird, sind ca. 200 Euro für die komplette Vollversion – kein Abonnement, sondern ein einmalig zu zahlender Betrag - der Software, gut angelegtes Geld.

Denke darüber nach. Wenn Du für Dich Vorteile entdeckst, die eine Investition in eine Kamera mit höherer Auflösung rechtfertigen, dann kaufe sie. Zögere nicht. Mach‘ einfach. Die Hersteller und die Händler werden es Dir danken. Wenn Dir Zweifel kommen, dann überlege Dir genau, warum Du das willst und welchen Mehrwert sie Dir bietet.


©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design


Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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