Low Budget

Jürgen Pagel

Sparen ist angesagt ...

Wie auch immer die Sache in der Ukraine ausgehen möge - vor diesem aktuellen Hintergrund sollte jedem zwischenzeitlich klar geworden sein, dass die Luft auch in Europa zunehmend dünner wird. Alle das, was dort tragischerweise geschieht, wird einen nachhaltigen Einfluss auf unsere gesamtwirtschaftliche Entwicklung nehmen. Und damit auf jeden Einzelnen von uns.

Strom, Gas, Lebensmittel werden exorbitant teurer - schneller, als Gehaltssteigerungen möglich sind und schneller, als es unserer Industrie - von "fetten" Jahren verwöhnt - lieb sein kann. Ein nicht unerheblicher Absatzmarkt ist ebenso weggebrochen, wie die Werke von Firmen in Russland und in der Ukraine. Wann sich diese Märkte erholen werden, steht in den Sternen. Dazu kommt der weltweite Chipmangel, dessen Ursache allerdings weiter zurückliegt, als manche vermuten. Aber das soll hier nicht thematisiert werden.
Viele Kamerahersteller sind nicht mehr in der Lage, aktuelle und vor allem neue Produkte so auf den Markt zu bringen, wie es zur Steigerung der Umsatz- und Gewinnzahlen erforderlich wäre. Wir werden also auf unabsehbare Zeit mit dem klarkommen müssen, was wir bereits unser Eigen nennen.

Ist das schlimm?
Ich meine nicht, denn wir haben zwischenzeitlich schon sehr gutes Equipment. Das nennt man übrigens "Jammern auf extrem hohem Niveau".
Tatsächlich nimmt die Zahl analoger Kamerafans täglich zu. Das erkennst Du deutlich an den gestiegenen Preisen für gebrauchte analoge Schätzchen. Allein der Preis für meine Rollei 35TE (Mitte der 60er Jahre) hat sich in zwei Jahren mehr als verdreifacht. Mitte 2020 für 80 Euro aus dem Nachlass einer verstorbenen Fotografie-Liebhaberin mit nur einem Dutzend Auslösungen gekauft, werden dafür heute 250 Euro und mehr geboten. Und da reden wir über eine Mikrokamera, bei der die Entfernung zum Motiv grob geschätzt werden musste (also ohne Autofokus). Eine topgepflegte und funktionierende Minolta X-D7 ist kaum noch unter 230 Euro zu bekommen und wir reden da immerhin von einer SLR aus dem Jahre 1977. Gleiches gilt für eine generalüberholte X 500 (siehe Bild). Selbst für ein Helios 44-3 aus den russischen Werken KMZ legt man - wenn es gut erhalten und frei von Pilz und Öl ist - gerne mal zwischen 70 und 100 Euro hin. Das sind Preise, die waren vor zwei, drei Jahren undenkbar.

Was also spricht gegen eine "Low Budget - Strategie"?

Nichts. Im Grunde nichts. Denn viel wichtiger, als das Equipment sind die - das haben wir schon so oft gehört und gelesen - 30 cm hinter der Kamera. Wir kaufen uns vollautomatische Kameras mit unzähligen Funktionen und bekommen ständig zu hören: "Nutze die manuellen Einstellungen". Jetzt haben wir endlich mit Elektronik vollgestopfte Teile und laufen immer noch mit einem manuellen Belichtungsmesser herum. Der kostete übrigens 1980 ca. 50 Deutsche Mark - neue Geräte liegen heutzutage bei 240 Euro und mehr auf der nach oben offenen Richter-Skala.

Wir müssen deswegen nicht gleich "Back to the Roots", aber was nutzt uns diese ganze Elektronik modernster Machart, wenn wir sie nicht nutzen?


Noch vor ein paar Jahren war man nur dann ein "guter" Fotograf, wenn die Kamera möglichst dick, groß und fett war. Am Besten noch mit einem zusätzlichen Batteriegriff und einem waffenscheinpflichtigem Objektiv - die Sportfotografen mit ihren riesigen Teleobjektiven stets vor Augen. Wobei das durchaus seine Berechtigung hat, denn es sieht halt echt komisch aus, wenn der Fotograf während eines Fußballspiels auf dem Feld herumrennt, um einen Fußballer in Aktion "auf Zelluloid" zu bannen.

Besinnung

Es macht also durchaus Sinn - kleines Wortspiel, wieder zur Besinnung zu kommen und aus dem, was uns zur Verfügung steht, das Beste herauszuholen. Und da gibt es ein paar Dinge, die sind immer noch unglaublich wichtig.


  1. Dazu gehört zunächst einmal die Bildidee. Was soll denn überhaupt fotografiert werden? Das wird gerne und schnell vergessen. Speicherkarten mit Platz für 3.000 Bilder und mehr verführen dazu, einfach drauflos zu fotografieren und sich dann das Beste auszusuchen. Handy's sind heute im Stande, mit ultrakleinen Sensoren tolle Bilder zu machen. Auch hier sind dank Clouding unendlich viele Bilder möglich.
    Aber die Bildidee bleibt und das wird auch mit teuren Kameras und ebenso teuren Objektiven nicht anders.
  2. Das Licht. Ein vielbeschriebener Faktor - wenn nicht der absolut Entscheidende. Denn ohne Licht bleibt es auf dem Sensor genau so dunkel, wie auf einem analogen Film. Ein Aufsteckblitz, in einen Bowens-Adapter eingesetzt, erfüllt hierbei meist den gewünschten Effekt. Ein Schildchen, einen Reflektor und schon kann man tolle Bildchen machen. Es muss nicht immer ein aufwendiges Licht-Setup sein. Und Available Light funktioniert übrigens in den allermeisten Fällen auch sehr gut.
  3. Das Motiv. Zum Beispiel das Model. Ein toll aussehendes Model mit hässlichen, so kleinen, zu großen und farblich nicht abgestimmten Klamotten, trägt kaum zum Gelingen eines Bildes bei. Ein hässliches Haus bleibt ein hässliches Haus. Eine nichtssagenden Straßenszene bleibt ohne Bildidee eine nichtssagenden Straßenszene. Abgeschnittene Köpfe oder halbangeschnittene Füße machen es auch nicht besser. Bildeinteilung, Komposition und die Idee dahinter, die Planung bis zur Perfektion, die Geduld und das Warten auf den richtigen Moment sind viel entscheidendere Kriterien, als die Technik als solches.


Nicht nur vielleicht, sondern sicher sollten wir darüber mehr nachdenken, als dem Chipmangel hinterher zu trauern. Solange sich die Leute eine Fujifilm Insta Mini Eva für 200 Euro + 20 Euro pro 20 Prints leisten können, ist die Welt doch in Ordnung. 1 Euro pro Bild, Scheckkartengroß, von einer kaum zu unterbietenden Qualität aus einer Plastikkamera - aber bei der Entwicklung eines analogen Filmes sind 20 Cent pro Bild schon zu viel. Hahaha. Alles gut, wer's mag, soll's sich kaufen. Ich bin keineswegs gegen den Fortschritt. Im Gegenteil. Jeder muss für sich selbst entscheiden.


Fazit

Geiz ist geil - dieser im Oktober 2002 kreierte Slogan hat es sogar in Wikipedia geschafft - hat heute mehr denn je wieder an Bedeutung gewonnen. Seinerzeit als Skizzierung deutscher Kaufmentalität als Marketingspruch eines großen deutschen Handelsunternehmens gedacht, beschreibt es im Grunde das, was uns in Zukunft mehr oder minder ausgeprägt begegnen wird. Zurückhaltung ist angesagt. Eben mit dem klarkommen, was einem zur Verfügung steht und sich wieder auf das Wesentliche besinnen. Bildidee, Motiv und Licht für den kleinen Geldbeutel. Und wer es dann beruflich größer will, der kommt um ein entsprechendes Invest nicht herum - holt es jedoch durch seine Aufträge auch wieder hinein.

Alle Bilder wurden übrigens mit einer Fujifilm X-T4 und einem 23mm bzw. einem 56mm Viltrox f/1.4 aufgenommen. Ok, das ist jetzt auch nicht die billigste Kombi, aber es geht zweifelsfrei sehr viel teurer. Ob es dann besser wird, lassen wir dahingestellt. Fujifilm X-T4 (1.700 €), Viltrox 56mm f/1.4 (290 €), Viltrox 23mm f/1.4 (290 €), bei den Motorradaufnahmen zusätzlich noch ein 50 Watt LED-Panel von Rollei (2 Stück für 280 €). Und vorerst kommt mir auch nichts anderes in's Haus ;-).


© Jürgen Pagel 2020 LICHTWERK.DESIGN

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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