Recht und Unrecht in der Straßenfotografie

Jürgen Pagel

Streetphotography vs. Fotografie in einer Straße

Disclaimer
Zunächst eines zu Beginn, ich bin weder Anwalt noch führe ich Rechtsberatungen durch. Die Informationen in diesem Artikel basieren auf Recherchen zu der Thematik der Straßenfotografie und berufen sich auf die Quellen, die ich am Ende des Artikels verlinkt bzw. angegeben haben.

Die Straßenfotografie ist ein besonderes Genre im großen Themenfeld der Fotografie. Wikipedia schreibt dazu: „Bereits Eugène Atgets zu Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Aufnahmen von Paris und seinen Vororten können der Straßenfotografie zugerechnet werden.

Die Blütezeit begann in den 1930er Jahren mit den Möglichkeiten der schnelleren und kompakteren Kleinbildkameras, dem Aufkommen der Illustrierten und dem gesteigerten Interesse am Alltagsleben und dessen Facetten. Gerade das Genre der Straßenfotografie hat herausragende Bildbände hervorgebracht, darunter beispielsweise Henri Cartier-Bressons Images à la sauvette (1952), Robert Franks The Americans (1959), Hildegard Ochses Café Mitropa (1980) oder in jüngerer Zeit Bruce Davidsons Subway (1986) sowie Saul Leiters Early Colors (2006).“

Ich bin ziemlich sicher, dass sich Ende des 19. Jahrhunderts noch niemand, der auf Bildern abgelichtet wurde, irgendwelche Gedanken darüber machte, ob er nun auf das Bild wollte oder nicht. Zumal das Fotografieren aus der „Hüfte“ seinerzeit technisch nicht möglich war und einigermaßen verwackelungsfreie Bilder eher ein Zufallsprodukt waren.

Umso mehr ist dies im 21. Jahrhundert ein echtes Thema geworden und nur durch Corona zwischenzeitlich etwas entspannter wurde – mit einer FFP2 oder einem MNS erkennt man die Person dahinter sowieso nicht mehr.

Um was geht es eigentlich?
Im Grunde dreht sich alles um das Recht am eigenen Bild. Um den Schutz der Persönlichkeit und die sich daraus ergebenen Rechte hinsichtlich des Urheberrechts.

Diese Thematik möchte ich im Folgenden näher beleuchten, ist doch schließlich die Fotografie das Malen mit Licht.

Datenschutz
Art. 1 (2) DSGVO Diese Verordnung schützt die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht und Schutz personenbezogener Daten.

Die Rechtsanwälte Thum und Richert schreiben dazu 1):
[…] Besondere Aufmerksamkeit ist bei der Streetfotografie schließlich auch stets der Abbildung von Personen zu widmen.

Hierbei sind nunmehr seit 2018 – jedenfalls im Bereich der Digitalfotografie – insbesondere die Vorgaben der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten. Die Verwertung von Personenfotografien bedarf danach stets einer Berechtigung (Art. 6 DSGVO). Neben der Einwilligung und der Vertragserfüllung kennt die DSGVO vor allem eine Rechtfertigung bei Vorliegen berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO). 

Ob „berechtigte Interessen“ vorliegen, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung festzustellen. Gegenüberzustellen sind die Interessen des Abgebildeten am Schutz seiner personenbezogenen Daten und die Interessen des Fotografen im Rahmen seines Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit. Zur letzteren zählen auch journalistische, wissenschaftliche, literarische oder eben auch künstlerische Zwecke.

Diese Aufzählung erinnert dabei zwar an die deutsche Regelung des Kunsturhebergesetzes (§§ 22f. KUG). Es ist derzeit jedoch sehr umstritten, ob die Regelungen des KUG nach Inkrafttreten der DSGVO überhaupt noch anwendbar sind. Auf die Einzelheiten soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. (Hierüber berichteten wir schon im Beitrag: "Personenfotos nach DSGVO - was muss ich als Fotograf beachten"). Auch wenn die grundsätzlichen Wertungen des KUG sowie der „alten“ deutschen Rechtsprechung zum KUG die zukünftigen Entscheidungen der deutschen Gerichte beeinflussen werden, steht jetzt schon fest, dass die Letztentscheidung der Europäische Gerichtshof treffen wird. Denn die DSGVO ist europäisches Recht. […]

Das Urheberrecht
Sie schreiben weiter: […] 1)Eine der bekanntesten dieser Regelungen ist die sogenannte Panoramafreiheit in § 59 UrhG. Hiernach dürfen Fotografien von urheberrechtlich geschützten Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, nicht nur angefertigt, sondern auch nahezu uneingeschränkt kommerziell verwertet werden („zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben“). Die Verwertungsfreiheit nach § 59 UrhG gilt dabei für Bauwerke und Kunstwerke im öffentlichen Raum gleichermaßen.

Zu beachten ist allerdings, dass die Fotos grundsätzlich nur aus der Perspektive eines Fußgängers auf der Straße gemacht werden dürfen. Sofern der Fotograf hingegen Hilfsmittel wie einen Kran, eine Drohne oder auch eine Verlängerungsstange verwendet, auf Bäume steigt oder aus anderen Gebäuden heraus fotografiert, werden die so angefertigten Fotografien nicht mehr von der Panoramafreiheit erfasst. Und die Nutzung abgebildeter Bau- oder Kunstwerke wird, soweit keine anderen Ausnahmen greifen, unzulässig.

Auch gilt die Panoramafreiheit grundsätzlich nur für Werke, die sich bleibend im öffentlichen Raum befinden. Hieran fehlt es, wenn Werke nur vorübergehend im öffentlichen Raum präsentiert werden. Dies war zum Beispiel beim verhüllten Reichstag von Christo und Jeanne-Claude der Fall. Da es sich nur um eine vorübergehende Präsentation handelte, durften Fotografien vom verhüllten Reichstag nicht auf Postkarten verwertet werden (BGH, 24.01.2002 - I ZR 102/99). Auch Fotografien anderer im Rahmen zeitlich beschränkter Aktionen und Ausstellungen sichtbarer Kunstwerke, etwa auf Plakaten, werden somit von der Panoramafreiheit nicht umfasst, auch wenn sie sich im öffentlichen Straßenraum befinden. Lediglich dann, wenn sich die zeitliche Beschränkung allein aus der natürlichen Lebensdauer eines zerfallenden Kunstwerks ergibt, wie es zum Beispiel bei Straßenmalereien, Eis-, Sand- oder Schneeskulpturen der Fall ist, wird das Merkmal „bleibend“ als erfüllt und die Verwertung entsprechender Abbildungen als zulässig angesehen.

Andererseits ist „bleibend“ nicht gleichbedeutend mit „ortsfest". So durften Fotografien des Kussmunds der Aida-Kreuzfahrtschiffe – als einem urheberrechtlich geschützten Werk der angewandten Kunst – aufgrund der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG frei verwertet werden (BGH, 27.04.2017 - I ZR 247/15). Entscheidend und ausreichend war, dass sich Kreuzfahrtschiffe ihrer Bestimmung nach grundsätzlich an öffentlichen Orten befinden (z.B. Häfen und Wasserstraßen) und der Kussmund daher dauerhaft von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann, ihr somit zeitlich uneingeschränkt „gewidmet“ ist.

Schließlich deckt die Panoramafreiheit grundsätzlich auch das Ablichten von Werken ab, die sich zwar nicht selbst auf bzw. an einem öffentlichen Ort befinden, die aber von einem solchen öffentlichen Ort aus von Passanten gesehen werden können. Alles, was zum öffentlichen Straßenbild zählt, kann grundsätzlich abgelichtet und verwertet werden. Die Panoramafreiheit dient insoweit dem Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straßenbildes und ist der zentrale Grundpfeiler jeglicher professioneller Straßenfotografie.

Umgekehrt kann demnach alles, was nicht mehr zum Straßenbild zählt, auch nicht unter dem Mantel der Panoramafreiheit abgelichtet und verwertet werden. So endet die Panoramafreiheit insbesondere am Hausrecht von Gebäudeinhabern. Weder Fotografien in Innenräumen noch von Personen, die sich in den Gebäuden aufhalten, werden von ihr gedeckt. Einerseits haben Grundstückseigentümer nach geltender höchstrichterlicher Rechtsprechung die umfassende Befugnis, die Anfertigung und Verwertung von Fotografien von ihrem Grundstück aus zu regeln und zu verbieten (BGH, 17.12.2010 - V ZR 44/10; BGH, 20.12.2018 - I ZR 104/17). Andererseits kann insbesondere das Anfertigen sowie Verwerten von Fotoaufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich sogar strafbar sein (§ 201a StGB). […]


[…] Zweite Säule professioneller Streetphotography ist die sogenannte „Beiwerk“-Regelung in § 57 UrhG. Nach dieser Regelung darf man Fotografien, auf denen fremde Werke abgebildet sind, anfertigen und umfassend verwerten, wenn die abgebildeten fremden Werke nur unwesentliches Beiwerk neben der eigentlichen Verwertung (kurz: der Fotografie) darstellen. Bei unbefangener Betrachtung scheinen damit auch sämtliche Werke im öffentlichen Straßenraum abgebildet und verwertet werden zu können, die sich entweder nur vorübergehend im öffentlichen Raum befinden oder die zwar öffentlich sichtbar sind, aber nicht zum Straßenbild gehören und damit nicht der Panoramafreiheit unterfallen.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein auf einer Fotografie abgebildetes Werk nur dann unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG ist, wenn es überhaupt keine Rolle für die Bildaussage spielt und frei austauschbar ist (ohne dass es auffällt). Das Werk dürfe also in keiner Weise „erkennbar stil- oder stimmungsbildend […] oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend […] in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen sein, einen dramaturgischen Zweck erfüll(en) […] oder sonst charakteristisch“ sein. Diese Aussagen traf der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit einer Fotografie in einem Möbelkatalog, in dem für die Produktpräsentation einer Wohnlandschaft ein zu diesem Zweck gezielt ausgewähltes Gemälde über eine Sofalandschaft gehängt und mit abgebildet worden war (BGH, 17.11.2014 - I ZR 177/13).

Auch wenn der konkreten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass die Ausnahme für „unwesentliches Beiwerk“ nicht ein gezielt für die Produktpräsentation einer Sofalandschaft aufgehängtes Gemälde erfasst, zuzustimmen ist, sollten die im Zusammenhang mit einem kommerziellen Möbelkatalog aufgestellten Grundsätze auf die Streetfotografie jedoch nicht unreflektiert übertragen werden.

Denn da Streetfotografie gerade davon lebt, Atmosphäre und Geschehen eines öffentlichen Ortes in Momentaufnahmen einzufangen und somit nahezu jedes sichtbare (fremde) Werk stimmungsbildend für die konkrete Fotografie ist, liefe die Beiwerksregelung nach § 57 UrhG im Bereich der Streetfotografie im Ergebnis ansonsten leer. Es sollte daher zwischen dem gezielten Arrangement im Rahmen einer kommerziellen Produktpräsentation einerseits und dem künstlerischen Einfangen eines zufällig vorgefundenen Moments, wie er für die Straßenfotografie charakteristisch ist, unterschieden werden. Der Straßenfotograf greift nicht dramaturgisch in das Geschehen ein, sondern er fängt einen vorgefundenen dramaturgischen Moment mit der Kamera ein. Soweit daher urheberrechtlich geschützte Werke, die nicht ohnehin der Panoramafreiheit nach § 59 UrhG unterfallen, auf einer Straßenfotografie mit abgebildet sind, sollte die Beiwerksregelung nach § 57 UrhG im Lichte der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz weiter ausgelegt werden als bei einem Möbelkatalog. Denn da das Wesentliche einer Straßenfotografie das (vorgefundene) Straßenbild als Ganzes ist, mögen die Einzelheiten und auch ein mit abgebildetes Kunstwerk zwar „stimmungsbildend“ sein, sie sind jedoch als solche nicht wesentlich. Wesentlich ist die Straßenfotografie in ihrer künstlerischen Gesamtheit. Somit sollte die Verwertung einer künstlerische Straßenfotografie nach § 57 UrhG immer dann zulässig sein, wenn nicht das mit abgebildete Kunstwerk, sondern das Straßenbild als solches wesentlicher Bildinhalt ist. Rechtsprechung hierzu steht jedoch noch aus. Als Faustregeln sollte man jedenfalls im Hinterkopf behalten: die Beiwerksregelung könnte  grundsätzlich dann zur Anwendung kommen, wenn sich Objekte nur vorübergehend im Straßenraum befinden. Gezielte Arrangements (des Fotografen) unterfallen jedoch nicht der Beiwerksregelung. […] 1)

Ein Fall
[…] Es geht darum, dass eine Person aus einem PKW heraus, Fotografien von einer anderen Person vor einem Fahrradladen angefertigt hat, ohne Erlaubnis einzuholen. Das Mobiltelefon wurde polizeilich beschlagnahmt und der Fall ist vor Gericht gelandet. Interessant ist die Tatsache, dass eben die angeklagte Person von der Aufnahme im privaten Sinne spricht bzw. diese lediglich für private Zwecke angefertigt hat. Und noch viel interessanter. Die beklagte Person hat auch angegeben, dass die Aufnahmen “nicht” weiter verbreitet” werden sollten.

Und es gibt nun einmal die DSGVO Haushaltsausnahme, die die Aufnahmen im privaten / familiären Rahmen zulässt. Nun kam aber das AG in Hamburg und sagte: So ist das nicht. Der Betroffene hat das falsch interpretiert, wenn daraus die Schlussfolgerung erfolgt, dass es jedem frei steht, in der Öffentlichkeit Aufnahmen von fremden Personen anzufertigen. Der Datenschutzbeauftrage hat ergänzt, dass das Fotografieren fremder Personen in der Öffentlichkeit den privaten Rahmen verlässt. Familienfeier etc. sind quasi in Ordnung, aber keine heimlichen Aufnahmen fremder Personen in der Öffentlichkeit.

Was ist nun das Ergebnis. Ganz einfach. Es ist ein Verstoß gegen die DSGVO (Art. 83 Abs. 5 DSGVO), da es eben keine valide Rechtsgrundlage gibt. Außer er hätte in diesem Fall die Einwilligung eingeholt. Was das heißt könnt ihr auch hier lesen. Art. 83 DSGVO – Allgemeine Bedingungen für die Verhängung von… – dejure.org […] 2)

Fazit
Man könnte nun mindestens ein Dutzend weitere Beispiele anführen, in denen Richter bei identischen Ausgangssituationen vollkommen unterschiedlich geurteilt haben. Nicht umsonst heißt es: „Auf hoher See und vor Gericht, bist du in Gottes Hand“. Deswegen ist nahezu ausschließlich nur die Rechtsprechung des BGH (Bundesgerichtshof) relevant. Alle Entscheidungen des BGH3) lassen sich auf einer Übersichtsseite mittels einer Suchfunktion recherchieren – für den Fall, dass die Luft für euch einmal dünn werden sollte. Ich habe diese Seite im Quellenverzeichnis verlinkt.


Im Zweifelsfall sollte man es nicht darauf ankommen lassen, sich mit einer Richterin oder einem Richter auf einen Streit über das Recht einzulassen. Das erzeugt nicht nur Unmut, sondern in aller Regel auch eine Menge Geld, für das man einige gute Objektive hätte einkaufen können.

Es gilt also im Idealfall alle Hürden zu umschiffen und vor allem auf Kommunikation zu setzen.


Tipps zum lässigen und weitestgehend rechtssicheren Umgang mit der Straßenfotografie
1. Lasst die Finger von den Bildern anderer Fotografen. Fotografiert das, was ihr in euren eigenen Fotografien darstellen wollt selbst.


2. Wenn ihr doch – wider jeder Empfehlung – die Aufnahmen anderer nutzen wollt, dann fragt vorher. Per Mail, per Telefon, wie auch immer. Am Besten schriftlich. Und auch eine Genehmigung sollte im Idealfall schriftlich vorliegen.


3. Beachtet beim Fotografieren auf der Straße, die vorgenannten Regeln zur Panoramafreiheit (das Lesen kann ich euch nicht abnehmen).


4. Beabsichtigt ihr, die Bilder im Anschluss in den sozialen Netzwerken zu veröffentlichen, dann tut das mit der erforderlichen, unter Punkt 3. erworbenen Sachkenntnis. Im Zweifel lasst ihr es besser bleiben.


5. Personengruppen (mehr als 3 Personen) stellen fotografisch kein Problem dar. In der Soziologie und der Psychologie stellen mehr als 3 Personen eine Gruppe dar – wenn auch hierbei das Richter bisweilen anders sehen mögen.
Dennoch macht es auch beim Fotografieren einer Gruppe in einem Straßenbild durchaus Sinn, die Personen vorher zu fragen oder sie so aufzunehmen, dass die Gesichter für den Fall der Veröffentlichung unkenntlich bzw. nicht eindeutig zu identifizieren bzw. zuzuordnen sind.


6. Beachtet bitte: das Fotografieren einer Markt- bzw. einer marktüblichen Szene mit vielen Menschen an Marktständen ist unproblematisch. Das Fotografieren einer einzelnen Marktfrau jedoch stellt ein Porträt dar und bedarf derer Genehmigung.


7. Variiert die Belichtungszeit und wählt tendenziell längere Belichtungszeiten, die Einzelpersonen durch die Bewegung verwischen. Das erspart das Pixeln der Gesichter. Ich persönlich finde Bilder mit verpixelten Gesichtern nicht wirklich schön. Sie lenken sofort den Blick auf die Verpixelung und das macht den eigentlichen Charakter eines Straßenbildes zunichte.


8. KOMMUNIZIERT! Kommunikation ist wirklich Alles. Wer das nicht kann oder will, ist in der Straßenfotografie nicht gut aufgehoben und sollte sich einem anderen Genre zuwenden.

Entweder ihr verzichtet auf die Anwesenheit von Personen oder ihr braucht die Bereitschaft zur Kommunikation. Es gibt m.E. nichts dazwischen, keinen Kompromiss. Wenn ihr durch den Sucher schaut, fühlen sich viele (wirklich viele) Menschen „abgeschossen“. Der Fotograf versteckt sich hinter seiner Kamera, man sieht außer seinem Körper und seinen Händen, nichts von ihm. Das ist für viele Menschen irgendwie unheimlich. Sollte das dennoch eure Art zu Fotografieren sein, solltet ihr fernab einer oder mehrerer Personen „zielen“, habt aber insgeheim den Fokus schon auf die Personen gerichtet. So könnt ihr schnell und nahezu unbemerkt auslösen (für solche Situationen ist der manuelle Fokus mit einem bereits voreingestellten Schärfebereich sinnvoll – Blende 8 – 12 gibt ausreichend Spielraum). Bedenkt jedoch, dass ihr dann ausgesprochen lichtstarke Linsen braucht, damit ihr jeder Belichtungssituation gewachsen seid.
Werdet ihr erwischt (das gilt auch für das Fotografieren aus der Hüfte bzw. vor dem Bauch mit Klappdisplay), hilft wieder nur die Kommunikation. Und werdet ihr aufgefordert, das Bild zu löschen, unternehmt keine langen Erklärungsversuche, in dem ihr die DSGVO und das Urheberrecht auswendig zitiert, sondern löscht das Bild einfach. Freundlich lächelnd, um Entschuldigung bittend. Und manchmal kann man sich auf diesem Wege die Genehmigung nachträglich einholen. Alles andere gibt nur Ärger, kostet Zeit und beeinträchtigt den Spaß an der Sache nachhaltig.


9. Fragen kostet nichts! Gehört ihr zu den kommunikativen und extrovertierten Menschen, dann sollte es euch leicht fallen, „Opfer“ für eure Portraits oder entsprechende Straßenszenen zu finden. Ob die vorherige Absprache tatsächlich noch als Straßenfotografie durchgeht, ist strittig. Im Sinne der Definition ist die vorherige Absprache bestenfalls ein Foto auf der Straße, jedoch keine Streetphotography mehr. Aber die Zeiten haben sich geändert. Das, was 1923 überhaupt kein Thema war, ist heute Allgegenwärtig. Vielleicht muss man deswegen die Defintionen der Straßenfotografie überdenken und entsprechend den heutigen Gesetzgebungen anpassen. Da die DSGVO Europarecht ist, gilt diese in allen Ländern, Städten und Gemeinden Europas. Es gibt keine Ausnahmen. Sicher mag man das in einem süditalienischen Bergdorf bei Weitem nicht so eng sehen. Aber besonders in Deutschland, dem Land der Blockwarte und der Rechtskenner, führt das immer wieder zu Konfliktsituationen. Deswegen erleichtert vorheriges Fragen das Vorhaben ganz erheblich.
Ein freundliches „Sie sehen sensationell aus, ich habe selten eine so schöne Frau gesehen“ oder ein „Sie haben ein überaus interessantes Gesicht, darf ich Sie zum Teil meiner Fotografie machen“ wirken wahre Wunder. Anschließend die Visitenkarte überreicht, um Kontakt gebeten, damit man das Bild zuschicken kann, eröffnet vollkommen neue Geschäftsbereiche. Aber eben nur, wenn ihr nicht mürrisch und schlecht gelaunt, Menschen eigentlich gar nicht mögend, durch die Straßen lauft.


10. Und der letzte Tipp: es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Alles – die Fotografie, aber auch die Kommunikation – kann man lernen. Wenn man will. Verzichtet auf „fette“ Objektive. Verzichtet auf „dicke“ Kameras (außer ihr seid auf der Jagd nach eindrucksvollen Portraits). Ich nehme z.B. sehr gerne meine Fujifilm X100F oder auch meine „alte“ Ur-X100 mit ihren 23mm Objektiven mit. Um den Hals gehängt, sieht man aus, wie ein Tourist und die fotografieren sowieso Alles und Jeden. Denen sieht man das sehr viel eher nach, als jemandem, der nach einem professionellen Fotografen ausschaut.


Und noch Eines: habt RESPEKT. Respekt vor allem, was euch vor die Linse kommt. Achtet die Rechte anderer. Respektiert, wenn jemand nicht Bestandteil eurer Komposition sein will. Habt Respekt vor anderer Leute Eigentum. Fotografiert nicht in Vorgärten herum, nicht in die Küchenfenster und nicht auf Terassen gerichtet, auch wenn diese aus dem öffentlichen Raum heraus sichtbar sind.


©Jürgen Pagel 2021 LICHTWERK.DESIGN



Quellenverzeichnis

1)     https://www.berufsfotografen.com/news/street-photography-und-recht-was-man-als-fotograf-wissen-muss

2)     https://pavido.blog/streetfotografie-keine-haushaltsausnahme-dsgvo/

3)     https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/list.py?Gericht=bgh&Art=en&Sort=12288&Datum=Aktuell


Bitte beachtet bei einer eigenen Recherche, dass im Internet noch jede Menge Artikel aus der Zeit vor 2018 (dem Datum der Einführung der DSGVO) existieren. Diese haben in Anbetracht der umfangreichen Gesetzesänderungen keine Relevanz mehr.


Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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