Verwackelte Bilder und ihre Ursachen

Jürgen Pagel

Verwackelte Bilder, deren Ursache und Praxistipps

Etwas, was sich mit der Software nicht mehr oder nur sehr schwer korrigieren lässt, sind Unschärfen, die durch die Bewegung der Kamera entstehen. „Gewollte“ Bewegungsunschärfe des Motivs ist hier nicht das Thema.

Die umgekehrte Brennweitenregel
Die Regel besagt, dass die bei Aufnahmen „aus der Hand“ einzustellende Belichtungszeit nicht länger sein sollte als 1/Brennweite.
Bei einem Objektiv mit einer Brennweite von 50mm sollte also die Belichtungszeit nicht kürzer als 1/50 Sekunde sein.

Dazu gibt es einige Einschränkungen, die es zu beachten gilt:
  1. Diese Regel stammt aus der Zeit analoger Kameras.
  2. Damals gab es fast ausschließlich nur Filme mit ASA 100 oder ASA 400.
  3. Die Auflösung des damaligen Filmmaterials war auf Grund seiner Grobkörnigkeit sowieso gering.
  4. Die Objektive lösten seinerzeit nicht so hoch auf, wie die heutigen Objektive. Selbst günstige Objektive aus dem Third-Party-Sektor lösen besser auf, als Objektive aus den 60er Jahren – Ausnahmen gibt es natürlich immer.
  5. Die Regel bezog sich ausschließlich auf das 35mm Kleinbildformat.
  6. Die Möglichkeiten zur adäquaten Beleuchtung am Set bzw. in der Natur waren sehr eingeschränkt. Es gab kaum Beleuchtungen, die in der Lage waren, der Sonne entgegenzuwirken und für ausreichend Belichtung zu sorgen. Und wenn, dann waren diese sehr teuer und nur den Profifotografen vorbehalten.
  7. Die Formel ist eine sogenannte Daumenregel, die sich an keinem physikalischen Naturgesetz orientiert und die eher als statistische Wahrscheinlichkeit angesehen werden kann. Diese Daumenregel sagt aus, dass man bei ihrer Anwendung mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von +/- 80% keine sichtbar verwackelten Bilder mehr erhält. Was aber nicht zwingend bedeutet, dass man bei längerer Belichtungszeit ausschließlich verwackelte und damit unscharfe Fotos erhält.
Wer mit einer kürzeren Belichtung arbeitet, kann dennoch verwackelte Bilder erhalten, aber eben mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit.

Empfehlung
Ich würde Ihnen mit den heutigen Vollformat- bzw. APS-C-Kamera mit Auflösungen von 26 MP und mehr den Faktor 2 im Nenner empfehlen. Das entspräche dann bei einer 50mm-Brennweite 1/100, besser 1/125 Sekunde.

Dabei gelten folgende Grundregeln
  1. Je schneller sich ein Objekt bewegt, desto größer wird die Gefahr der Bewegungsunschärfe => Belichtungszeit verkürzen.
  2. Je näher sich ein Motiv an der Kamera befindet, desto stärker wirken sich Bewegungen der Kamera oder des Motivs aus => Belichtungszeit verkürzen oder Abstand vergrößern.
  3. Je unregelmäßiger sich ein Objekt bewegt, desto weniger kann sich die Elektronik der Kamera bzw. der Fotograf darauf einstellen und umso größer ist die Gefahr von ungewollter Bewegungsunschärfe => Belichtungszeit verkürzen.
  4. Je kälter es ist, um mehr zittert der Fotograf => warme Kleidung und Handschuhe.
  5. Langanhaltende Muskelanspannung sorgt meist für zunehmende Fibrillation (feinstes Muskelzittern) und das nicht nur an Armen und Händen, sondern am ganzen Körper => schnell ansetzen, ruhige und tiefe Atmung.
  6. Je leichter und kleiner eine Kamera ist, umso größer ist die Gefahr von Verwackelungen. Schwere Kameras „ruhen“ besser in der Hand, weil sie eine höhere Massenträgheit besitzen => kompakte und kleine Kameras erhöhen die Mobilität, aber wenn es um scharfe Bilder geht, sind schwere Kameras die bessere Wahl.
  7. Die Ergonomie einer Kamera ist von entscheidender Bedeutung. Je besser sie in der Hand liegt, umso geringer ist die Gefahr des Verziehens bei der Betätigung des Auslösers => ggf. Zusatzgriff verwenden bzw. gleich beim Kauf der Kamera auf eine gute Ergonomie achten.
  8. Je kleiner der Sensor, desto größer die Gefahr von Verwackelungen. Somit ergibt sich u.U. eine ungünstige Konstellation bei kleinen APS-C-Kameras: kleines Gehäuse, leichte Kamera plus kleinerer Sensor als bei einer Vollformatkamera => Vollformat oder Belichtungszeit verkürzen.
  9. Lange Belichtungszeiten erhöhen das Risiko der Unschärfe. Vor allem, wenn mit eingeschaltetem IBIS und Stativ ausgelöst wird => bei Verwendung eines Stativs die Stabilisation des Objektivs und der Kamera ausschalten.
  10. Blitzlicht reduziert die Gefahr von Unschärfen => bei schlechten Lichtverhältnissen entweder die Belichtungszeit verkürzen oder Blitzgerät verwenden.
  11. Auch das Alter des Sensors bzw. der Kamera kann zu Unschärfen beitragen.
  12. Das Risiko von Bewegungsunschärfe nimmt mit zunehmender Auflösung des Sensors zu => Haben ist besser als brauchen – aber wer nur fürs Internet fotografiert, braucht keine 50 oder mehr Megapixel.
Noch ein Wort zu IBIS bzw. OBIS: Objektiv- bzw. Sensorstabilisierung ist klasse. Ohne jeden Zweifel und sie ermöglicht eine bedeutend längere Belichtungszeiten, als sie ohne Stabilisation möglich wäre. Ob das immer gemäß den Herstellerversprechen bis zu sieben und mehr Blendenstufen sind, ist fraglich. Unter Laborbedingungen mag das sein. In der Praxis zeigt sich, dass vier Blendenstufen schon ein hervorragender Wert sind und in der Regel ausreicht.

©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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