Verwendung von „Altglas“ an modernen DSLM-Kameras

Jürgen Pagel

Verwendung von „Altglas“ an modernen DSLM-Kameras

Viele schwören darauf, manche lehnen sie kompromisslos ab. Sehr wahrscheinlich haben beide Gruppen unrecht. Nur weil das Objektiv alt ist, ist es nicht zwangsläufig gut. Wenn eines seinen eigenen Charakter an einer Fujifilm X-T5 entwickelt, muss das an einer Nikon Z8 nicht unbedingt auch funktionieren. Richtig ist, dass sich am technischen Vorgang der Fotografie wenig geändert hat. Richtig ist aber auch, dass die Objektive aus den 50er bis in die frühen 90er Jahre in erster Linie für analogen Film entwickelt und gefertigt wurden. Und oftmals sind sie als Massenprodukt millionenfach hergestellt worden, ohne dass man Wert auf eine herausragende Qualität gelegt hat, denn auch nach 1950 saß das Geld nicht locker und wer sich schon für ein paar hundert Mark eine Kamera leisten konnte, dem kam die Industrie mit einigermaßen günstigen Objektiven entgegen.

So gibt es vom Swirley-Bokeh produzierenden Helios-44 mit 58mm f/2.0 aus ehemals russischer Fertigung mindestens ein Dutzend verschiedene Ausführungen, von denen jedoch nur eine Modellreihe aus dem Hause KMZ ( Krasnogorski Mechanitscheski Sawod) tatsächlich sowohl hinsichtlich der Mechanik als auch der Abbildungsleistung wirklich gut ist.

Wer sich für die Verwendung von Altglas interessiert, kommt nicht umhin, sich mit den verschiedenen Modellen auseinanderzusetzen und umfassend zu recherchieren. Von 20 Euro in miserablen Zustand bis zu 800 und mehr Euro für sehr gut erhaltene und hochwertige Optiken ist alles möglich. Und der Preis sagt nicht unbedingt etwas über die Bildwirkung an einer Kamera aus.

So müssen Fehlkäufe eingerechnet werden. Ich persönlich habe ca. 20 solcher Objektive, von denen die meisten das klassische M42-Gewinde haben und tatsächlich war bisher nur eines davon ein Reinfall.
Das Adaptieren an moderne Kameras ist problemlos möglich. Solche Adapter kosten ca. 20-40 Euro je nach Hersteller. Bedenken sollte man jedoch, dass es sich ausnahmslos um manuell zu fokussierende Objektive handelt – zumindest dann, wenn sie an einer DSLM zum Einsatz kommen. Es gibt keinerlei elektronische Übertragung von Daten. Bevor man sich also solchem Altglas zuwendet, sollte man das manuelle Fokussieren, das heutzutage durch das Fokus Peaking erheblich vereinfacht wurde, auseinandersetzen und probieren, ob einem das liegt.
Mit etwas Übung geht das schnell und zuverlässig von der Hand und steht bis auf die Geschwindigkeit des Fokussierens dem Autofokus in nichts nach. 

Zwar stellt sich die Frage, warum man ein steinaltes Objektiv, das dazu auch noch manuell fokussiert werden will, an einer viele tausend Euro teuren Hightech-Kamera verwendet, aber da muss man als Nutzer drüber stehen und vielleicht reicht ein „weil’s gut aussieht“ oder ein “weil’s cool ist“ aus. Wenn nicht, ist es auch egal. Manchmal muss man auch mal unvernünftige Dinge tun.


Das sind die wahren Gründe:


1. Einzigartiger Bildlook / Charakter

Altglas erzeugt Bilder mit einem sehr charakteristischen Look – oft mit weicheren Kontrasten, cremigem Bokeh und manchmal auch interessanten Abbildungsfehlern (z. B. Lens Flares, chromatische Aberrationen oder Vignettierung). Diese kleinen "Unvollkommenheiten" verleihen den Fotos eine organische, künstlerische Anmutung, die mit modernen, klinisch perfekten Linsen oft schwer zu erreichen ist. Übrigens heutzutage schon fast ein Problem: die meisten Objektive sind zu scharf. Viele Fotografen verwenden mittlerweile sogenannte Black Mist Filter, um dem Bild die Schärfe zu nehmen und einen natürlichen „Glow“ zu erzeugen.


2. Haptik & Verarbeitungsqualität

Die meisten Objektive aus dieser Zeit sind aus Metall und Glas, fühlen sich hochwertig an und sind langlebig. Das manuelle Fokussieren ist durch den langen Fokusweg und präzise Mechanik oft ein haptisches Erlebnis, das moderne Plastiklinsen kaum bieten. Wobei nahezu alle Hersteller moderner Optiken auch Metallgehäuse produzieren. Diese sind in der Regel allerdings auch teurer.


3. Manuelle Fotografie fördert Kreativität

Ohne Autofokus und automatische Blendensteuerung wird man gezwungen, sich intensiver mit Licht, Schärfe und Komposition auseinanderzusetzen. Das entschleunigt den Prozess und kann die eigene fotografische Handschrift positiv beeinflussen. Wobei man mit alten Objektiven nicht zwingend vollständig manuell arbeiten muss. Es reicht völlig aus, die Kamera in den A-Modus zu versetzen, Zeit und ISO an die Blende automatisch von der Kamera anpassen zu lassen. Betrachte es als Gerücht, dass Profifotografen ausschließlich im M-Modus fotografieren. Dem ist 100%ig nicht so!


4. Günstiger Einstieg in hochwertige Optik

Viele Altglas-Objektive sind günstig zu haben, bieten aber eine exzellente optische Leistung. Vor allem, wenn man mit adaptierten Festbrennweiten arbeitet, kann man für wenig Geld eine ganz neue ästhetische Bandbreite entdecken.


5. Besondere Bokeh-Charakteristiken

Gerade ältere Porträtobjektive mit großer Offenblende (z. B. 50mm f/1.4 oder f/1.8) erzeugen ein sehr weiches, oft „swirly“ oder „bubble“-artiges Bokeh, das in der heutigen Objektivwelt selten geworden ist. Damit lassen sich sehr emotionale, verträumte Aufnahmen gestalten – ideal für kreative Projekte oder romantische Hochzeitsfotografie.


🔹 Klassiker aus der M42-Welt (sehr gut verfügbar, günstige Adapter)

1. Helios 44-2 58mm f/2

  • Besonderheit: Legendäres „Swirly Bokeh“, leicht verträumt, mit Vintage-Charme.
  • Look: Kontrastarm bei Offenblende, einzigartiger Bildstil.
  • Preis: ca. 50–170 €
  • Adapter: M42 → Fuji X


2. Carl Zeiss Jena Flektogon 35mm f/2.4

  • Besonderheit: Exzellente Nahfokus-Möglichkeit (quasi Makro), großartige Schärfe.
  • Look: Sehr plastische Darstellung mit weichem Fall-Off.
  • Preis: ca. 150–300 €
  • Adapter: M42 → Fuji X


🔹 Pentax K / M42 Klassiker

3. Pentax SMC Takumar 50mm f/1.4

  • Besonderheit: Legendäre Bildqualität, sehr schönes Bokeh.
  • Look: Warmes, weiches Rendering, perfekt für Porträts.
  • Preis: ca. 120–180 €
  • Adapter: M42 oder Pentax K → Fuji X


🔹 Canon FD-Serie

4. Canon FD 50mm f/1.4 SSC

  • Besonderheit: Guter Kompromiss aus Schärfe und Vintage-Flair.
  • Look: Etwas moderner als M42, aber mit viel Charakter.
  • Preis: ca. 100–150 €
  • Adapter: Canon FD → Fuji X


🔹 Minolta MD / Rokkor-Serie

5. Minolta Rokkor-X 50mm f/1.4

  • Besonderheit: Sanftes, cremiges Bokeh, sehr beliebtes Porträtobjektiv.
  • Look: Weich bei Offenblende, scharf abgeblendet.
  • Preis: ca. 80–150 €
  • Adapter: Minolta MD → Fuji X




Viel Spaß beim Ausprobieren wünscht Jürgen von Neunzehn58.


©2025 Jürgen Pagel

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