Vollformat-Look?

Jürgen Pagel

Gibt es eigentlich einen Vollformat-Look?

Eine oft gestellte Frage, der ich an Hand einiger Beispiele einmal mähr nachgehen möchte.

In Ermangelung einer Vollformatkamera (ich habe meine Sony A7III Vollformat gegen eine Fujifilm X-T4 APS-C getauscht) nutze ich dazu Beispiel aus dem Programm DOF - einer Software zur Simulation der Tiefenschärfe.

Bild 1 zeigt die Einstellungen für ein Vollformat (35mm), Brennweite 50mm, f/1.4 aus einer Distanz von 2 Metern.

Bild 2 zeigt das gleiche Model mit einer APS-C-Kamera aufgenommen aus einer Distanz von 1,87 Meter mit einer äquivalenten Brennweite von 33mm bei f/1.4.

Wie Sie sehen, sehen Sie (fast) nichts. Also zumindest keinen nennenswerten Unterschied. Selbstverständlich müssen Sie Ihren Abstand anpassen (13 cm), selbstverständlich müssen Sie das Äquivalent zum Vollformat anpassen. Aber das war's dann auch schon. Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man einen kleinen Unterschied bezüglich der Hintergrundschärfe - der ist nämlich beim 33mm Brennweite geringfügig schärfer als bei 50mm, was physikalisch auch vollkommen logisch ist. Aber wer nicht weiß, mit welcher Kamera das aufgenommen wurde, bemerkt diese Differenz garantiert nicht. Es gibt einige Videos in YouTube, die das eindrucksvoll belegen.

Auch bezüglich des viel gepriesenen Rauschverhaltens der Vollformatsensoren gibt es keine nennenswerten Unterschiede. Auf Grund ISO-invarianter Sensoren, wie sie mittlerweile bei Fujifilm-, Nikon- und Sony-Kameras verbaut sind, ist zwar die ISO-Einstellung nicht obsolet geworden, erlaubt jedoch sehr viel mehr Spielraum, als das noch vor Jahren der Fall war.

Fazit

Gute Nachrichten für APS-C-Kamera-Besitzer (lustige Wortschöpfung): Ihr braucht Euch nicht zwingend eine Vollformat-Kamera kaufen. Diese macht Eure Bilder nicht besser, schöner oder ansehenswerter. Spart Euch das Geld für eine wesentlich teurere Kamera mit noch viel teureren Objektiven. Der Umstieg lohnt tatsächlich in den allerwenigsten Fällen.

Argumente für eine Vollformatkamera und deren Gegenargumente

  1. Besseres Rauschverhalten - Erledigt. Stimmt so nicht. Auch APS-C-Kameras neuerer Bauart zeigen exzellente Rauschverhalten. Die sogenannte native ISO liegt in aller Regel bei mindestens 3.200 bis 6.400. Lasst die ISO sogniedrig wie möglich. In Lightroom oder anderen Programmen lässt sich die Belichtung ohne große Probleme für bis zu 6 Blendenstufen hochziehen.
  2. Dynamikumfang - Erledigt. Ich konnte bei der Fujifilm X-T4 noch keine nennenswerten Unterschiede hinsichtlich des Dynamikumfangs feststellen. Zumindest keine, die man nicht in Lightroom problemlos hätte optimieren können. Die Kameras bieten hierbei für fast alle Situationen ausreichenden Dynamikumfang. So viel, dass eine Mehrausgabe von mehreren tausend Euro nicht gerechtfertigt erscheint.
  3. Keine Veränderung der effektiven Brennweite - Das ist richtig. 50mm sind 50mm. Richtig ist aber auch, dass 50mm durchaus durch ein Äquivalent ersetzt werden können und nicht mit signifikanten Verlusten punkto Bildqualität gerechnet werden muss.
  4. Gestaltung mit der Schärfentiefe - Hmmm. Die Schärfentiefe wird primär nicht durch die Sensorgröße bestimmt, sondern durch die Objektivwahl, sprich Lichtstärke eines Objektivs. Mit einem 50mm (sprich 80mm APS-C-Objektiv) lässt sich genauso mit der Schärfentiefe im Millimeter-Bereich spielen, wie mit einem Vollformat-50mm-Objektiv. Ein 23ziger oder 35ziger ist nun mal nicht zwingend für ausgeprägten Schärfentiefen ausgelegt. Funktioniert. Keine Frage. Aber das ist eher eine Stärke von 50mm aufwärts mit Blenden von f/1.2 aufwärts. Und das geht mit einer APS-C-Kamera ohne Einschränkungen hervorragend.
  5. Professionelle Kamera, professionelle Eigenschaften - Erledigt. Eine Fujifilm X-T4 ist nicht weniger professionell. Professionalität wird nicht durch die Kamera erzeugt, sondern durch die Wahl der Objektive sowie vor allem durch den Fotografen selbst. Die Welt der Profi-Fotografen mit herausragenden Bildern steht diesem Argument entgegen. Magnesium im Gehäuse ist übrigens kein Markenzeichen, dass ausschließlich Vollformat-Kameras vorbehalten bleibt. Auch APS-C-Kameras verfügen heutzutage über ausgezeichnete Materialien.


Das Hersteller ihre Produkte an den Mann bzw. die Frau bringe wollen, ist nicht nur selbstverständlich, sondern verpflichtend. Letztendlich muss sich jeder Fotograf fragen, für was er seine Kamera braucht und welche Vorteile durch tausende Euro Mehrausgabe zu erwarten sind. Und da - liebe Fotofreunde - wird die Luft einmal mehr richtig dünn. Abschließend also auf die Eingangs gestellte Frage: Nein. Es gibt nicht den Vollformat-Look. Es gibt auch keinen APS-C-Look und wer keinen Vergleich zu identischen Bildern mit zwei verschiedenen Kameras hat, wird den Unterschied nicht feststellen können!


© Jürgen Pagel 2022 LICHTWERK.DESIGN

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
Weitere Beiträge
Share by: