Wie wir die Dinge sehen

Jürgen Pagel

Geht es nach dem Willen der Sensorhersteller, Marketingabteilungen der Kamerahersteller und nicht zuletzt auch dem Kunden und Verkäufer, brauchen wir immer mehr Megapixel in den Kameras. 

Die Nachteile werden selten hinterfragt, die Vorteile dagegen beworben: es sind größere Ausdrucke im Posterformat möglich und man kann bequem am Rechner unwichtige Bildteile wegschneiden, interessante dagegen vergrößern. Dabei wird vergessen, wie wir Bilder sehen und was das menschliche Auge eigentlich leisten kann. (Benjamin Kirchheim)

Der erste Fehler, der gemacht wird, ist Megapixel und Auflösung gleich zu setzen. Idealerweise ist das zwar tatsächlich so (und in der Argumentation auch sehr praktisch), real sind sie aber mitnichten identisch. Dazu muss man verstehen, wie ein Bild eigentlich entsteht. Zunächst ist dort ein Objektiv, das eine reale Szene möglichst fehlerfrei auf einer kleinen Fläche – dem Bildsensor bzw. früher dem Film – abbilden soll. Ein solches Objektiv hat Fehler. Von Verzeichnungen und Randabschattungen mal abgesehen, betrifft das vor allem die Auflösung, die nicht unendlich ist, sondern begrenzt. Am höchsten ist diese nur in einem sehr beschränkten Kreis in der Bildmitte, zum Rand hin fällt sie naturgegeben immer weiter ab. Wie stark dieser Abfall ist, hängt von der Qualität des Objektivs ab, er kann aber nie Null sein. Zugegeben, neueste Objektive hoher Preisklassen und von überragenden Güte, lassen solche "Fehler" nur durch das geübte Auge oder mittels entsprechender Technik erkennen.

Das zweite Problem ist der Bildsensor. Einzelne Pixel sind nur helligkeitsempfindlich, können aber keine Farbe unterscheiden. Um dieses zu umgehen, legt man einen Farbfilter vor die Pixel, so dass die Hälfte der Pixel nur noch grün und je ein Viertel nur noch rot und blau sehen können.

Wenn sich auf einem kleinen Sensor von 13.2 x 8.8mm 20 Megapixel tummeln, findest du auf jedem Quadratmillimeter 170.000 Pixel. Die gleiche Menge an Fotodioden, hat auf dem Halbformatsensor viel mehr Platz. Dort finden Sie pro Quadratmillimeter nur 65.000 Stück.

Jede Fotodiode hat einen vorgeschalteten Farbfilter, welche die Helligkeitswerte für die Farbe Grün, Rot oder Blau ermitteln. Das Licht wird durch kleine Mikrolinsen auf die Dioden gelenkt. 
Um nun zu einem Bild mit Echtfarbpixeln zu kommen, muss die Digitalkamera interpolieren, dafür zieht sie die Farbinformationen der jeweils umliegenden Pixel mit heran. In der Summe ergibt sich bei einer Durchschnittskamera aufgrund von Objektivfehlern und Interpolations- bzw. Farbfilterverlusten eine reelle Auflösung, die bei 80 % (in der Bildmitte) bis 60% (in den Randbereichen) der idealen Auflösung (den Megapixeln) liegt. Das ist erst einmal ernüchternd.

Auf der anderen Seite steht das menschliche Auge, das sich in Jahrmillionen der Evolution entwickelt hat. Auch das Auge besitzt keine Zellen, die für alle Farben empfindlich sind und diese unterscheidet, sondern vier verschiedene, sehr spezialisierte Sehzellentypen.


Der größte Teil unserer Netzhaut besteht aus den Stäbchen, wovon es etwa 120-130 Mio. gibt. Sie sind für das Hell/Dunkel-Sehen verantwortlich, reagieren am empfindlichsten auf blau-grünes Licht von etwa 500 nm (Nanometer) Lichtwellenlänge und sind etwa 30-mal lichtempfindlicher als die Zapfen, die für das Farbsehen zuständig sind. Von ihnen gibt es lediglich 6 Mio., wobei die "Blauzapfen" auf rund 420 nm Lichtwellenlänge am empfindlichsten reagieren, die Grünzapfen hingegen auf 540 nm und die Rotzapfen schließlich auf 560 nm. Horizontal umfasst das Blickfeld des Auges rund 170°, vertikal sind es 110°.

Aber wirklich scharf sehen wir nur mit einem ganz kleinen Bereich der Netzhaut, dem sogenannten gelben Fleck, der lediglich 2° des Blickwinkels abdeckt.


Hier tummeln sich ausschließlich ca. 70.000 Zapfen. Beim Sehen macht das Auge allerdings ständig minimalste Bewegungen, das Gehirn setzt die scharf gesehenen Informationen zu einem Bild zusammen – man könnte das mit einem Panoramabild vergleichen, das erst im Computer zu einem großen Bild zusammengesetzt wird.

In der Summe nimmt das Auge auf diese Weise im wesentlichen horizontal rund 40° wahr, vertikal 30°. Die Auflösung beträgt dabei rund 1 Bogenminute, was horizontal 2.400 Spalten und vertikal 1.800 Zeilen entspricht.


Das sind – Auflösung und Megapixel gleichgesetzt – 4,32 Megapixel.


Unter der Berücksichtigung, dass eine Kamera nur 60 % bis 80 % der Megapixel wirklich als Auflösung nutzen kann, kommt man auf eine Sensorauflösung von 5,4 bis 7,2 Megapixel. Alles, was darüber ist, löst höher auf, als wir "auf einen Blick" mit dem Auge wahrnehmen können.

In Anbetracht dieser Erkenntnisse kann man in Bezug auf die Bildbetrachtung ähnliche Schlüsse ziehen. Man kann problemlos aus einem Bild einer 6-Megapixel-Kamera ein großes Poster anfertigen.


Sofern man den physiologischen Betrachtungsabstand einhält, das ist der Abstand, aus dem man das Bild noch als Ganzes wahrnimmt, ist diese Auflösung völlig ausreichend. 


Anders sieht es selbstverständlich aus, wenn wir näher an das Bild herangehen, um einzelne Details zu sehen. Das setzt aber nicht nur eine höhere physikalische Auflösung voraus, sondern auch entsprechend gute Objektive, Bildsensoren und Bildverarbeitung. Der größte Knackpunkt sind dann die Objektive mit begrenzter Auflösung, auch durch die Objektivblende (siehe weiterführende Links) sowie die zu kleinen Bildsensoren, die bei einer zu hohen Auflösung an Bildqualität verlieren. Selbst wenn das Objektiv etc. die hohe Auflösung hergeben, sind für eine gute Bildqualität dann noch andere Dinge zu beachten.


Du "siehst" also, eine hohe Auflösung ist bei weitem nicht alles. Nicht Megapixel um jeden Preis. Das Vorgenannte führt übrigens auch zu der Erkenntnis, dass eine neue Kamera mit mehr Megapixel keineswegs bessere Bilder macht. Vielmehr entscheidet eine Komposition, das Beachten von Regeln - allem voran das Belichtungsdreieck - darüber, wie das Bild auf den Betrachter wirkt.


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Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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