Die Basis der Food-Fotografie

Jürgen Pagel

Die Basis der Food-Fotografie

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Ziel ist und muss es sein, ein Gericht so einzufangen, dass der Betrachter Lust darauf bekommt. Im besten Fall läuft ihm im wahrsten Sinne des Wortes „das Wasser im Mund zusammen“.

Wie immer spielt die Kamera dabei nur eine untergeordnete Rolle. Ob Vollformat, APS-C oder MFT ist zunächst unbedeutend. Natürlich hat jeder Kameratyp seine Vorteile.
Hochauflösende Vollformatkameras haben beispielsweise den Vorteil, dass selbst nach einem Crop noch genügend Auflösung vorhanden ist. Außerdem sind große Sensoren mit einer geringeren Pixeldichte unempfindlicher, was schlechte Lichtbedingungen angeht und neigen nicht so schnell zum Rauschen. Aber dank modernster Technologien sind die Unterschiede beim fertigen Bild selbst von einem Profi kaum zu erkennen. Der Betrachter sprich Kunde selbst, wird keinen Unterschied feststellen.

Selbst mit einem Smartphone lassen sich großartige Food-Fotos erstellen. Allerdings sollten hierzu entweder neuere Modelle Anwendung finden oder Applikationen verwendet werden, die eine Einstellung der Schärfentiefe zwecks Freistellung des Motivs zulassen.

Aber Vorsicht! Ein fertiges Gericht vor dem Verzehr aufgenommen ist noch lange kein Food-Foto. Die Food-Fotografie ist ein Genre, dass Planung und Strategie bei der Vorgehensweise auszeichnet. 


Kamera

Grundsätzlich ist jede Kamera geeignet. Manche bevorzugen den A-Modus, andere wiederum schwören auf den M-Modus. Letztendlich spielt das keine Rolle, denn es kommt stets auf das Endergebnis an und dem sieht man den Aufnahmemodus nicht an.

 

Brennweite

Zunächst kommt es auf den möglichen Abstand zum Motiv und die Art der Freistellung an. Zoomobjektive neigen dazu, aus physikalischem Grund, den Hintergrund zu komprimieren und größer erscheinen zu lassen. Ob das sinnvoll erscheint, hängt vom davon ab, ob das Bild im Kontext der Zubereitung entstehen soll. Wichtig ist auch die Naheinstellgrenze des Objektivs. Zu beachten gilt, dass Zoomobjektive in der Regel eine deutlich höhere Naheinstellgrenze haben als Festbrennweiten bis 50mm. Darüber hinaus sind mindestens 85-90 cm erforderlich. Das muss vor dem Fotografieren berücksichtigt werden.

85mm f/1.2 vermitteln eine sehr geringe Schärfentiefe, vermögen jedoch den Blick auf Details hervorragend zu lenken. 85mm f/5.6 gestatten auf Grund der größeren Schärfentiefe die Darstellung im Kontext der Zubereitung oder einzelner, dekorativ platzierter Nahrungsmittel.

Mit besagten 50mm (im Kleinbild-Äquivalent) kommt man fast immer gut zurecht. Das entspricht an APS-C einem ca. 35mm- und an MFT einem ca. 25mm-Objektiv. Ich würde so beginnen und dann, je nach Ausgangssituation, entweder eine größere oder kleinere Brennweite wählen.

Wer flexibel bleiben möchte und sich den Objektivwechsel ersparen will, ist mit eine Zoombereich von 24-70mm und durchgehender Lichtstärke von f/2.8 gut bedient.



Food-Styling

Hierbei gilt: Weniger ist bisweilen mehr. Achte auf Besteck und Geschirr. Alles muss zueinander passen. Kommt eine Pizza aus dem Steinofen, sind Pappteller sicher die falsche Wahl. Wird das Essen in einem Imbiss frisch zubereitet, dürfen Holzteller oder Pfannenabdeckungen gerne mit auf das Bild. Nicht jedes Bild muss immer eine Geschichte erzählen. Ist das jedoch beabsichtigt, müssen die Speisen, die Deko und Teller zusammenpassen. Gleiches gilt für die verwendeten Flat-Lays. Diese gibt es in unterschiedlichen Größen, Formen und Farben. „Wilde“ Muster bei gemusterten Tellern, lenken den Blick schnell in die falsche Richtung. Ein rustikales Essen sollte auf ebenso rustikalen Flat-Lays oder anderen Untergründen präsentiert werden. Dazu eignen sich beispielsweise Flat-Lays in Holzoptik. Für edle Speisen in vornehmer und gepflegter Umgebung, sind Marmor- oder schlichte andere Optiken die bessere Wahl.


Licht

Wie immer in der Fotografie ist das Licht ausschlaggebend für das Endergebnis.

Ich bin kein Freund von grundsätzlichen Aussagen wie „immer mit Tageslicht“ oder „immer mit Blitz“. Es kommt darauf an. Sollen die Lichtbedingungen Tageszeitunabhängig und/ oder an wechselnden Locations kontrolliert werden, sind Blitzlicht oder LED-Panels, Reflektoren und Abschatter unumgänglich. Gerade in Gaststätten und Restaurants haben wir es mit wechselnden Lichtbedingungen und viel Mischlicht zu tun. Das ist ohne Blitzlicht kaum bis gar nicht zu kontrollieren. Dabei sollte das Umgebungslicht so weit wie möglich reduziert werden, um in der späteren Bildbearbeitung die besten und vor allem einheitliche Ergebnisse zu erzielen. Vieles lässt sich zwar mit entsprechender Farbgebung korrigieren, aber der Aufwand bei Mischlicht ist schier unendlich. Bei 10 Bildern ist das noch händelbar. Bei 100 und mehr Bildern bedeutet das jedoch einige Stunden Mehrarbeit.

Hierbei in Kenntnis der Ausgangssituation entsprechend zu planen, rechtfertigt im professionellen Bereich ein Pre-Shooting bzw. den Transport von Stativen und Blitzanlagen bzw. zwei bis drei LED-Panels.

Auch muss und soll das Licht keineswegs immer diffus sein. Manche Speisen verdienen besondere Aufmerksamkeit durch das Setzen von Highlights. Das ist unter Tageslichtbedingungen bisweilen recht schwierig umzusetzen. Geht es in die Abendstunden hinein, finden wir in der Regel gedämpftes, schummriges Licht vor, dass nicht nur auf Kosten der ISO, sondern auch auf Kosten der Schärfe geht.

Vermieden werden müssen bei der Lichtsetzung auf jeden Fall harte Schatten. Diese lassen alles künstlich aussehen und beeinflussen die Stimmung im Bild enorm. Das in der Bildbearbeitung zu korrigieren, ist nahezu unmöglich und bedingt den umfangreichen Einsatz von Photoshop. Wer also viele Bilder schnell und zuverlässig bearbeiten muss, tut gut daran, eine detaillierte Planung dem Shooting vorangehen zu lassen.



Studio

Ob die Bilder nun in einem Studio mit eigener Küche entstehen oder in einem Restaurant vor Ort, halte ich nicht für relevant. Natürlich hat man im Studio weniger Zeitdruck – keine Laufkundschaft, mehr Zeit für die Dekoration, kontrollierbares Licht (Tageslicht ODER Kunstlicht), aber das entspricht selten der Realität. Sind die Kunden überwiegend Restaurants und Imbisse, lässt sich ein Nachkochen der Gerichte im Studio nicht realisieren. Dabei muss man eben mit dem klarkommen, was man vor Ort vorfindet. Bisweilen ist das eine Herausforderung, aber der Mensch – so auch der Fotograf – wächst bekanntlich an seinen Aufgaben.


Wechsel die Perspektive

Gerichte werden nicht nur von oben fotografiert. Abgesehen von den Wünschen des Kunden und dem Zweck der Aufnahmen, sind perspektivische Ansichten mit unterschiedlichen Schärfebereichen deutlich emotionaler und vermitteln Räumlichkeit, eine bessere Vorstellung von Dimensionen und unterstützen die Vorstellungskraft. Fotografiere also auch in 20° bis 45° Winkeln.


Stativ oder Freihand

Fotografierst Du mit ausreichend Licht, dass es Dir erlaubt, die ISO niedrig zu halten und die Belichtungszeit einer Verdoppelung der Brennweite entspricht (bei 50mm mindestens 1/100 besser 1/125 oder bei 135mm mindestens 1/270 besser 1/300), steht dem Freihand-Fotografieren vor allem unter Einsatz eines Blitzlichts nichts entgegen. Bei schlechten Lichtverhältnissen und hohen ISO-Werten empfiehlt sich der Einsatz eines Stativs, wobei ich persönlich Freihand bevorzuge, weil das einfach mehr Mobilität und schnellere Positionswechsel erlaubt.



Bonus-Tipps


• Vorbereitung: Wer hungrig Essen fotografiert, hat das Gericht bis zum Shooting verzehrt. Esse und probiere also vorher. Was lecker schmeckt, wird auch besser fotografiert.


• Requisiten: Wähle Deine Requisiten mit Bedacht und thematisch passend zum Gericht. Nutze dazu beispielsweise die unverarbeiteten Lebensmittel, um Emotionen zu fördern.


• Timing: Überlege Dir im Vorfeld, was Du wie umsetzen möchtest, damit Dein Essen nicht an Frische und Attraktivität verliert. Soßen & Nudeln verlieren schnell an Glanz und der lässt sich nur durch eine frische Soße wiederherstellen.


• Nutzung von Messern: Wenn Du für Dein Foto etwas schneiden möchtest, achte auf scharfe Messer, damit Du keine Druckstellen hinterlässt. Ich nehme zu einem Shooting stets mein eigenes Kochbesteck mit. Die Messer sind handgeschärft und hinterlassen beim Schnitt keinerlei Spuren. Außerdem gehört eine große Pinzette zum „Werkzeug“. Sie dient der Optimierung der Dekoration oder von Speiseteilen.


• Simulierte Frische: Um Lebensmittel frischer darzustellen, eignet sich eine Sprühflasche mit Wasser. Für Flaschen und Gläser gibt es spezielle Sprays, die Tropfen länger haften lassen. Auch Speiseglanzspray ist geeignet, um Speisen frischer aussehen zu lassen. Achte jedoch darauf, dass Dir die Lichter in der Fotografie nicht ausbrennen. Tropfenhaftsprays gibt es bereits ab 16 Euro und Speiseglanzsprays ab 10 Euro bei großen Versandhändlern zu kaufen.


Fazit

Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.


©2024 Jürgen Pagel | Neunzehn58

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