Grundlegende Elemente der Bildgestaltung

Jürgen Pagel

Grundlegende Elemente der Bildgestaltung

Im zweiten Teil der Fotoschule geht es um die grundlegenden Elemente der Bildgestaltung.
Was ist Bildgestaltung eigentlich? Bildgestaltung ist ein Überbegriff für mehrere Werkzeuge, die ein Bild dem Betrachter gegenüber auf eine bestimmte Art zur Geltung bringen. Dazu gehören unter anderem die unten aufgeführten Komponenten. Sicher mag der eine oder andere für sich noch weitere Gestaltungselemente finden. Diese dürfen gerne hinzugefügt werden.

A. Die sechs grundlegenden Elemente der Bildgestaltung sind

1. Helligkeit/ Licht
2. Bildformat
3. Linien
4. Farben
5. Flächen/Negativflächen
6. Kontraste

B. Ergänzende Elemente können sein

1. Muster
2. Textur
3. Bewegung
4. Reflexion
5. Pose

A.1 Helligkeit/ Licht
Zweifelsfrei ist das Licht eines wesentlichen Gestaltungselemente, denn Fotografieren heißt „Malen mit Licht“. Überbelichtete Bilder sind auch in der digitalen Fotografie unrettbar verloren. „Ausgebrannte“ Bereiche enthalten keinerlei Bildinformation mehr. Unterbelichtete Bereiche sind in der digitalen Fotografie je nach Sensor und Kamera durchaus nutzbar und können mit Verlusten (meist entsteht ein Rauschen) wieder auf ein normales Helligkeitsmaß angehoben werden.
Letzteres kann man sich zu Nutze machen, wenn die kurze Verschlusszeiten im Vordergrund stehen, man die ISO nicht zu hoch einstellen will und ein weiteres Öffnen der Blende nicht gewollt oder nicht möglich ist.
Licht ist nicht alles, aber alles ist ohne Licht nichts.


A.2 Das Bildformat (klassisch 3:2, 5:4, 16:9, 1:1 u.a.) kann eine Bildaussage unterstützen oder sie negieren – abhängig vom Motiv und vom Zweck, der mit dem Bild erreicht werden soll. So wirkt ein quadratisches 1:1 aufgeräumt, weil das Längen- und Breitenverhältnis gleich ist. Ein 3:2 wird schnell langweilig, weil das ein klassisches, oftmals verwendetes Format darstellt. 16:9 wirkt hervorragend bei weiten Landschaften oder wenn die Absicht besteht, einen großen negativen Raum zu erzeugen, der das Motiv besser zur Geltung kommen lässt. Hier bleibt die Qual der Wahl beim Fotografen und seiner beabsichtigen Bildwirkung. Nachteil: im 1:1 fotografiert, wird im Nachhinein schwerlich ein 3:2 daraus. Dagegen lässt sich einem 3:2-Format allerlei erzielen – vorausgesetzt die Sensorauflösung ist für einen Beschnitt des Bildes ausreichend groß. Ansonsten muss beispielsweise mit Topaz AI nachgeholfen werden.


A.3 Linien sind wie das Licht ein führendes Element in der Fotografie. Linien geben einem Bild Struktur und lenken den Blick – zum Objekt hin oder von ihm weg.


A.4 Farben bestimmen unser Leben. Jeder konnte das an sich selbst schon beobachten, wie Farben Stimmungen, Aussagen und Gefühle beeinflussen. Dies funktioniert in beide Richtungen. Farben können Emotionen verstärken, aber auch abschwächen. Farben haben einen wesentlichen Anteil an der Bildaussage. Deswegen gilt die Fotografie in Schwarz-Weiß als sehr herausfordernd, weil sich dabei des Elements Farbe nicht bedient werden kann. Es kommt also einzig auf das Motiv und den damit verbundenen Kontrast an.

In Bezug auf Farben hat sich die Farbenlehre nach Itten durchgesetzt. Der von Johannes Itten 1961 veröffentlichte Farbkreis mit 12 Farben ist heute wohl das am häufigsten genutzte Ordnungsinstrument für Farben. Ihm gelang es, die Zusammenhänge zwischen den Farben mit seinem Farbkreis leicht verständlich abzubilden.


A.5 Ein Bild kann grundsätzlich in zwei wesentliche Räume aufgeteilt werden. Der positive oder negative Raum definiert, auf was in einem Bild die Aufmerksamkeit liegt. Hier den Begriff Fokus zu verwenden, wäre falsch. Es kann gewollt sein, den positiven Raum in der Unschärfe zu belassen, während Objekte im negativen Raum klar fokussiert sind. Letztendlich ist auch dabei wieder entscheidend, welche Bildaussage getroffen werden soll. 

Welche Teile des Bildes ziehen die meiste Aufmerksamkeit auf sich? Welche sind eher hintergründig?

  • Der positive Raum ist jeder Teil des Fotos, der aus seiner Umgebung heraussticht. Dazu können z.B. das Motiv und andere bemerkenswerte Detailbereiche sein.
  • Negativer Raum ist das Gegenteil des positiven Raums. Nämlich die Teile eines Bildes, die nicht so viel Aufmerksamkeit erregen, den positiven Raum umgeben oder sich von ihm abgrenzen.

Bilder ohne eine solche räumliche Trennung wirken schnell überfrachtet, unruhig oder unausgeglichen – man sieht im wahrsten Sinne des Wortes den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Dagegen betonen Bilder mit einem hohen Maß an negativem Raum ein Motiv besonders.


A.6 Kontraste sind das Salz in der Suppe der Fotografie. Kontraste sind Gegenüberstellungen. Sie erzeugen Interesse, Spannung. Die Hauptkontraste sollten sich dabei beim Hauptmotiv befinden. Da sich Farben in den drei Bereichen Farbton (hue), Sättigung (saturation), Helligkeit (brightness) unterscheiden, wirken die Kontraste umso stärker, je weiter die Einzelwerte in den drei Kategorien auseinander liegen.

Bei einem Farbkontrast betont jede Farbe die Wirkung der anderen. D.h. deren charakteristische Eigenschaften werden gegenseitig herausgestrichen. Treffen diese Kontrastfarben aufeinander so verstärken sie sich gegenseitig. Allein das Thema Kontraste füllt Bücher. Ich möchte es im Zuge dieser kleinen Fotoschule dabei belassen, die Grundkenntnisse zu vermitteln. Dabei ist in der Bildbearbeitung Vorsicht angeraten. Manche neigen dazu, der Einfachheit wegen, den Kontrastregler zu bedienen. Das führt schnell zur unnatürlichen Farbgebung und einer überzogenen Kontrastierung des gesamten Bildes.


B.1 Muster und Strukturen sind beliebte gestalterische Elemente in der Fotografie, Das menschliche Auge liebt es aufgeräumt und harmonisch. Für die Bildwirkung ist es allerdings wichtig, dass sich ein Muster nicht zu oft wiederholt, denn das erzeugt beim Betrachter schnell Langeweile. Dabei sind auch der Bildwinkel und der Bildausschnitt entscheidend.


B.2 Die Textur ist eine Beschreibung der Beschaffenheit von Oberflächen, die ursprünglich aus der Textilindustrie stammt. Als Beispiel seien hier etwa Baumrinde, Sand, Rost, Mauerwerk, Graffiti, Stoffe und Oberflächen im Allgemeinen genannt. Oft entdeckt man erst auf den zweiten Blick den interessanten und zum Teil sehr komplexen, vielschichtigen Charakter dieser Motive. Deutlich wird das vor allem dann, wenn man den Regler „Struktur“ beispielsweise in Lightroom zum Einsatz bringt. Dabei werden Kanten geschärft, der Kontrast verstärkt und Details hervorgehoben. Die Textur wird somit zu einem wesentlichen Gestaltungselement.


B.3 Bewegungen bringen Dynamik (nicht im Sinne der Reichweite von dem hellsten zum dunkelsten Bereich des Bildes) in ein Bild. Dabei bestehen zwei Varianten, die diese Bewegung verdeutlichen. „Mitzieher“ bewirken ein scharfes Hauptmotiv bei einem verwaschenen Hintergrund. Gehaltene Aufnahmen von sich bewegenden Motiven bewirken einen scharfen Hintergrund oder ein scharfes Hauptmotiv, je nachdem, auf was der Fokus liegt. Beides ist möglich, wo bei die sogenannten Mitzieher viel Übung erfordern und deswegen regelmäßig geübt werden sollten.


B.4 Reflexionen gibt es überall, aber man muss seine Augen dafür schulen und sich seiner Umgebung bewusst sein, um reflektierende Oberflächen zu finden, die sich für die Fotografie nutzen lassen. Einige reflektierende Oberflächen, wie Seen, Pfützen oder Fenster, sind unbeweglich. Das heißt, dass man sich bewegen muss, um den richtigen Winkel zu finden.

Bei jeder Reflexion kann man mit der perspektivischen Höhe spielen. Manchmal muss man tief in die Hocke gehen, um die Reflexion passend zum Hauptmotiv darzustellen.
Reflexionen machen ein Bild auf jeden Fall für den Betrachter spannend.


B.5 Die Pose spielt vor allem in der Portrait- und Peoplefotografie im Besonderen eine große Rolle für die Bildwirkung und kann als ergänzendes, gestalterisches Element den Ausdruck eines Bildes enorm beeinflussen. Breitbeinige Posings mit in der Taille abgestützten Händen vermitteln beispielsweise eher Stärke und Überlegenheit als Verträumtheit und spielerische Leichtigkeit.


Fazit

Jedes dieser Bildgestaltungselemente kann ein Bild in seinem Ausdruck, in dem, was damit dem Betrachter gegenüber erreicht werden soll, vollkommen verändern. Zum Positivem wie zum Negativem. Deswegen gehören die sechs Grundelemente der Bildgestaltung zum Handwerkszeug eines jeden Fotografen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Du mit dem Handy oder mit einer professionellen Kamera fotografierst. Auch das verwendete Objektiv ist dabei nur zweitrangig, denn es hat (bis auf bauartbedingte Besonderheiten) nur geringen Einfluss auf die Farbe, die Linien, die Kontraste und andere Gestaltungsmöglichkeiten.
Bevor Du also mit Deiner Kamera und/ oder Deinem Objektiv haderst, mit Deinen Bildern nicht zufrieden bist und Dich mit dem Gedanken trägst, Dir neues Equipment zuzulegen, solltest Du Dich eingehend mit den Gestaltungsmöglichkeiten befassen, um das Optimum aus Deinen Fotografien herauszuholen.


Hier findest Du den vollständigen Artikel zum Download als PDF.


©2023 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design


Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
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Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
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Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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