Ist fotografieren kompliziert? (Teil 2)

Jürgen Pagel

Fotografie - komplex und dennoch beherrschbar

Nachdem wir uns im ersten Teil mit den Einstellungen und Mythen befasst haben, ist es im zweiten Teil m.E. Zeit, sich dem erforderlichen Equipment zuzuwenden.

Dein Equipment


Wie viele andere Einsteiger auch, verfiel ich dem Irrglauben, dass es einer herausragenden Ausrüstung bedarf. Das kostet nicht nur sehr viel Geld, sondern auch viel Arbeit, weil man das ganze Zeug nach spätestens einem Jahr wieder verkaufen muss, darf oder sollte. Sicher geht das eine oder andere Stück in die Vitrine, aber in den Händen eines ebenfalls schlauer gewordenen Menschen, ist es deutlich besser aufgehoben.


So kommen wir zum ersten Punkt.

  1. Neu oder Gebraucht? Das ist so etwas wie eine Glaubensfrage. Wer viel gebrauchte Artikel kauft, schwört darauf. Wer stets Neuware bevorzugt, hält von gebrauchten Artikel nicht viel. Alles hat natürlich seine Vor- und Nachteile.
    Neu hat den Vorteil einer in aller Regel umfassenden Garantie. Das ist nicht verkehrt. Allerdings gehen die meisten Sachen erst nach der Garantie kaputt. Dieses vermeintliche Argument ist also Keines.
    Auch kannst du bei der Neuware nicht 100%ig sicher sein, dass der Artikel noch nie benutzt wurde. Rückläufer werden wieder originalverpackt versandt und erwecken den Eindruck des Unbenutzten.
    Bei Kameras hätte man noch eine Kontrollmöglichkeit - nämlich das Auslesen der Auslösungsanzahl. Das funktioniert jedoch bei Canon serienmäßig gar nicht - man benötigt dazu eine spezielle App. Und bei manchen Kameras geht das grundsätzlich nicht. Auch nicht mit einer separaten Software. Bei Objektiven lässt sich das sowieso nicht feststellen. Gehen wir jedoch davon aus, das es sich um einen Händler deines Vertrauens handelt, wäre das auf jeden Fall ein Argument.

    Bei gebrauchten Artikeln kann der Verkäufer über den tatsächlichen Zustand täuschen. Ja, das kann er. Denn bestellt du bei eBay, weißt du definitiv nicht, was du tatsächlich am Ende des Kaufprozesses in der Hand hältst. Ausnahme: Du kaufst ausschließlich bei ausgewiesenen Händlern. Diese müssen nicht nur fehlerhafte Ware wieder zurücknehmen, sondern auch eine Garantie gewährleisten. Da kannst du dann schon das eine oder andere Schnäppchen machen. Unternehmen wie MediaMarkt verkaufen ihre Vitrinenstücke fast ausnahmslos über eBay. Sie standen oder lagen nur herum und sind beim Verkauf in aller Regel originalverpackt.
    Ich persönlich habe bei eBay noch keine schlechten Erfahrungen gemacht und ganz ehrlich - ein Objektiv für 150 Euro gebraucht, statt für 400 Euro neu ist schon ein schlagendes Argument. Selbst meine Fujifilm X-T30 sowie meine Fujifilm X100F habe ich auf diesem Wege erstanden. Beide waren absolut top, wenig bis selten genutzt und in der Originalverpackung. Innerhalb von drei Tagen.

    Hüte dich allerdings vor Käufen aus China, Japan, USA oder anderen fernen Ländern. Eine Rückabwicklung kann extrem aufwendig und teuer werden.


  2. Welche Kamera und welche Objektive?
    Puhhh, da mag ich eigentlich gar nichts dazu schreiben, weil das andere sicher in ihren Videos besser machen.
    Nicht wirklich spricht etwas gegen APS-C-Format. Die Sensoren moderner Systemkameras sind sehr gut. Den echten Vollformat- oder Mittelformatlook gibt es meist sowieso nicht. Auch mit MFT (Micro-for-Thirds) kannst du tolle Bilder machen. Bedenke jedoch, je weniger du zum Einstellen hast, desto länger dauert es, bis du Fotografie verstehst. Wenn du immer im Automatikmodus fotografierst und der Kamera alle Einstellungen überlässt, lernst du es nie. Und wenn du weiterhin nur herumknipsen willst, brauchst du für eine hochwertige Kamera kein Geld ausgeben.

    Wenn du es wirklich ernst meinst und tatsächlich am Anfang stehst, entscheide dich für
    eine APS-C oder eine MFT. Vor allem für Erstere gibt es eine Vielzahl an Objektiven und anderes Equipment auch von namhaften Drittherstellern. Das spart Geld. Nimm eine Kamera aus den Jahren 2018 bis 2020. Die sind relativ günstig zu bekommen, den ersten Preisschock haben die schon hinter sich und von der Technik her sind sie auf dem neuesten Stand. Bei den Objektiven spannt der Bogen weiter. Ich habe einiges an Altglas von Minolta, vornehmlich Minolta-Rokkor-Objektive nahezu aller Brennweiten. Sie haben keinen Autofokus, kommunizieren nicht auf elektronischem Wege mit der Kamera, das macht sie aber keinesfalls schlechter. Du musst natürlich manuell fokussieren, aber das geht dank Focus-Peeking (dabei werden die Kanten des Motivs im Falle der 100%igen Schärfe farbig angezeigt) sehr gut. Und es entschleunigt. Diese Objektive bekam man bis Anfang vergangenes Jahres meist unter 100 Euro. Mittlerweile (wahrscheinlich haben pandemiebedingt viele das Fotografieren begonnen) sind sie teurer geworden, aber immer noch günstiger, als die meisten AF (Autofokus)-Objektive. Und von hervorragender Qualität. Lass dich also nicht durch das Alter täuschen. Auch in den späten Sechzigern, war man im Objektivbau sehr gut. Aber du solltest das ggf. an deiner Kamera ausprobieren können, denn diese Objektive wurden für die damaligen Vollformat- bzw. Kleinbildkameras gerechnet. Das muss also nicht immer passen. Und adaptieren musst du sie auch. Du solltest also gleich 30-40 Euro für einen passenden Adapter einkalkulieren. Ein Hinweis: gebrauchte Objektive sollten in einem tadellosen Zustand sein. Vollkommen staubfrei ist eine Rarität. Der stört aber nicht, solange kein Dunst entsteht. Was sie auf keinen Fall haben sollten, ist ein Fungus. Dieser Pilz, der durch feuchte Lagerung entsteht, zerstört die Vergütung und frisst sich langsam zur Bildmitte durch. Auch beschädigte Vergütungen sind keine Seltenheit. Also Finger weg - auch wenn es noch so günstig angepriesen wird. Vorsicht bei Wohnungs- oder Hausauflösungen. Wenn jemand versucht, Konglomerate zu verkaufen, kommen die allzu häufig aus den Tiefen eines Kellergewölbes und das ist für Kameras und Objektive eine ganz schlechte Umgebung.

    Oftmals werden Kameras mit sogenannten Kit-Objektiven verkauft, die in der Kombination mit der Kamera zumeist deutlich günstiger sind, als wenn du sie alleine kaufen würdest. Häufig hört oder liest man Kommentare wie "so ein Kit-Objektiv kannst du vergessen" oder "die sind immer Schrott". Nein, Schrott sind sie nicht. Leider sind sie allerdings fast immer gänzlich aus Kunststoff, mit Kunststoff-Bajonett (der Teil des Objektivs, mit dem es an die Kamera verbunden wird) versehen und sehr einfach gehalten - was den Aufbau des Linsen-Systems angeht. Das muss aber keineswegs schlecht sein. Für den Anfänger haben sie einen Riesenvorteil - du kannst gleich loslegen. Akku aufladen und zack, sind die ersten Fotos im Kasten.
    Für diejenigen, die technisch nicht so sehr versiert sind, empfehle ich eine Beratung. Das kann ein guter Freund sein (oder natürlich auch eine gute Freundin) oder ein Kollege, der schon seit ein paar Jahren fotografiert. Ladengeschäfte sind selten eine gute Wahl, denn die wollen vor allem eines und das ist verkaufen. Verständlich und legitim. Es gibt sicher löbliche Ausnahmen, aber ein Verkäufer, der beim Beratungsgespräch gleich sein Topmodell aus der Vitrine holt, führt selten Gutes im Sinn.

    Hast du dich für eine APS-C-Kamera entschieden, solltest du ein Zoom-Objektiv dein eigen nennen. Gängig sind hierbei 18-55 mm. Das deckt für den Anfang ganz viel ab. Als Ergänzung wären noch eine Festbrennweite mit 20 oder 25 mm (Weitwinkelbereich) und ein 50 mm-Objektiv gut. Alle diese Angaben musst du nun in das sogenannte Vollformat-Äquivalent umrechnen. Dazu hat jeder Hersteller seinen eigenen Crop-Faktor. Der beträgt beispielsweise bei Canon 1,6 und bei Fujifilm 1,5. Das bedeutet: verwendest du ein 23 mm Objektiv an einer APS-C-Kamera, entspricht dieses Objektiv im Äquivalent ca. 35 mm bei einem Vollformat. 35 mm APS-C entsprechen ca. 50 mm beim Vollformat. Das hat Auswirkung auf den sichtbaren Bildausschnitt.
    Der Vorteil von Zoom-Objektiven wie dem 18-55 mm ist der große Bereich, den es abdeckt. Nachteil ist in aller Regel die Lichtstärke von 2,8-5,6. Aufnahmen in der Dunkelheit benötigen also entweder eine hohe ISO oder ein Stativ. Lange Belichtungszeiten mit Stativ garantieren zwar verwacklungsfreie Bilder, sind aber bei bewegenden Objektiven wieder ungünstig, da du die Bewegung nicht einfangen kannst. Manchmal ist das sogar gewünscht, aber dazu später mehr. Zunächst ist das ein Nachteil. Da Festbrennweiten meist über eine höhere Lichtstärke 2,0 und besser verfügen, sind sie als Ergänzung gut geeignet.

  3. Was du sonst noch so brauchst - auf jeden Fall ein Stativ. Hier ist das Rollei C5i 135 preislich und von der Anwendungsfreundlichkeit sicher die beste Wahl. Eine entsprechende Aufnahmeplatte für die Kamera im AK Swiss-Format ist inkludiert. Solange du nur eine Kamera und ein oder zwei Objektive hast, brauchst du auch nicht zwingend einen Rucksack - eine Umhängetasche reicht für den Anfang vollkommen aus. Sinnvoll ist auch eine Handschlaufe oder ein Schultergurt. Es wäre doch echt schade, wenn dir das gute Stück aus der Hand fällt. Außerdem wird das bei längeren Spaziergängen echt lästig, wenn du die ganze Zeit die Kamera in der Hand halten musst. Entscheide dich von Anbeginn an für die Anchor Links von Peak Design. Hier der Link dazu https://www.enjoyyourcamera.com/Kameragurte/Kameragurt-Zubehoer/Peak-Design-Anchor-Links-Upgrade-Kit-fuer-markenfremde-Kameragurte::13616.html. So hast du ein einziges Verschluss-System und kannst daran jeden weiteren Kameragurt oder verschiedene Handschlaufen problemlos befestigen. Ersatzakkus - vergesse die Ersatzakkus nicht. Manche Kameras sind regelrechte Stromfresser. Und es ist einfach doof, wenn du zum Aufladen des Akkus die Kamera nicht benutzen kannst. Ein Ladegerät ist in aller Regel dabei (Ausnahme Fujifilm - da gibt es beim Kauf der Kamera keines mehr dazu). Ei oder zwei Akkus sollten reichen. Später kannst du natürlich jederzeit welche dazu kaufen.

Jetzt bis du schon gut ausgerüstet und es kann losgehen. Den ersten Bildern steht nichts mehr im Wege.


Fortsetzung folgt.


©Jürgen Pagel 2021 LICHTWERK.DESIGN

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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