Lass‘ doch mal Fünfe gerade sein!

Jürgen Pagel

Lass‘ doch mal Fünfe gerade sein!


Ein Plädoyer für den Verzicht auf Perfektion. Zumindest für den Verzicht auf Perfektionismus in seiner schon nahezu krankhaften Form.

Es gibt keine allgemeingültige Definition für Perfektionismus – auch nicht in der Fotografie. Die 300fache Vergrößerung, die Suche nach noch so kleinen Fehlern im Bild kann perfektionistisch sein, muss es aber nicht.

Perfektionismus kann dennoch sehr hinderlich sein. Er versperrt den Weg zu unterschiedlichen Lösungsansätzen sowie zu kreativen Möglichkeiten. „Viele Wege führen nach Rom“ ist eine Devise, die dem Perfektionismus entgegensteht. Für den Perfektionisten gibt es oft nur einen einzigen Weg und wenn dieser Weg – aus welchem Grund auch immer versagt bleibt – gilt ein Projekt als gescheitert. Diese Angst vor dem Versagen treibt solche Menschen immer tiefer in den Perfektionismus – eine unglückliche Verkettung, die bis zur Aufgabe des eigentlichen Ziels führen kann.

In der Fotografie erleben wir das häufig. Die Hersteller bringen – zumindest gefühlt – jeden Monat ein neues Modell auf den Markt. Das schürt die Angst etwas zu verpassen und vermittelt das Gefühl, ständig etwas Neues kaufen zu müssen. Damit geht die Rechnung für die Hersteller auf. Der Käufer allerdings stellt fest, dass der vermeintliche Fortschritt, den er sich für teures Geld erkauft, im Grunde gar keiner ist. Quantensprünge sind bei dem derzeitigen Stand der Technik keine zu erwarten. Wer das Erscheinen der neuen Sony A9 mit dem revolutionären Global Shutter verfolgt hat, wird feststellen, dass der wenige Wochen andauernde Hype schnell vorbei war und mittlerweile kaum noch jemand über diese Kamera spricht. Offenbar war oder ist der Markt dafür deutlich kleiner, als sich das Sony erhofft hatte.

Immer mehr potenzielle Fotografinnen und Fotografen erkennen, dass mehr Megapixel und höhere Auflösungen teuer erkauft werden müssen. Nicht nur das mehr Speicherplatz erforderlich wird, sondern auch die Arbeitsspeicher der Computer müssen dieser Entwicklung standhalten können. Längst nicht alle auf dem Markt befindlichen Objektive sind für die hohen Auflösungen gerechnet und niemand weiß genau (ohne das aufwendig getestet zu haben), welches Objektiv aus dem eigenen Bestand da noch mithalten kann. Folglich werden auch gleich neue Objektive angeboten, die weitere, enorme Investitionen zur Folge haben.
Für Perfektionisten der GAU. Stecken sie nicht nur viel Geld in neue Kameras, sondern auch in die Erweiterung ihres Objektivparks – allzu oft ohne jede Not. Um dann enttäuscht festzustellen, dass weder ihre Bilder signifikant besser werden noch die vermeintliche bessere Ausstattung von anderen gebührend gefeiert und durch mehr Beachtung belohnt wird. Das Gegenteil ist häufig der Fall, was den Frust erhöht und den Perfektionisten noch tiefer in den Perfektionismus treibt.

Solange Dein Perfektionismus Dich und andere nicht stört, wirst Du keine Veranlassung haben, daran etwas zu ändern. Perfektionismus kann jedoch schnell lästig (und gerade in der Fotografie) sehr teuer werden. Spätestens dann solltest Du gegensteuern.

Fotografie – egal ob als Hobby oder beruflich betrieben – soll und muss Spaß machen. Die Freude daran, etwas fotografieren zu dürfen, muss stets überwiegen. Wird daraus ein Zwang, ist Schluss mit lustig. Wenn Du Dir jedes Deiner Bilder in 300% Vergrößerung anschaust, Du das geringste Rauschen künftig zu vermeiden suchst oder mittels Software eliminierst, hat der Perfektionismus bei Dir Einzug gehalten. Es entwickelt sich nach und nach eine regelrechte Sucht, alles 110%ig zu gestalten, um keinerlei Ansatz für Kritik zu bieten und kommt die dennoch, reagierst Du äußerst dünnhäutig und empfindlich. 

Kinder lernen durch Bestrafung oder Ablehnung, sich an Regeln und Normen zu halten. Dieses Verhalten, das aus Angst vor Bestrafung entstanden ist, kann sich später im Erwachsenenalter in einer übertriebenen Genauigkeit äußern. Aber auch in einer perfektionistischen, fehlerfreien Arbeitsweise.

Solange Dich Dein Perfektionismus Dich und andere nicht stört, wirst Du keine Veranlassung haben, daran etwas zu ändern. Perfektionismus kann jedoch schnell lästig (und gerade in der Fotografie) sehr teuer werden. Spätestens dann solltest Du gegensteuern.

Fotografie – egal ob als Hobby oder beruflich betrieben – soll und muss Spaß machen. Die Freude daran, etwas fotografieren zu dürfen, muss stets überwiegen. Wird daraus ein Zwang ist Schluss mit lustig. Wenn Du Dir jedes Deiner Bilder in 300% Vergrößerung anschaust, Du selbst das geringste Rauschen künftig zu vermeiden suchst oder mittels Software eliminierst, hat der Perfektionismus bei Dir Einzug gehalten. Es entwickelt sich nach und nach eine regelrechte Sucht, alles 110%ig zu gestalten, um keinerlei Ansatz für Kritik zu bieten und kommt die dennoch, reagierst Du äußerst dünnhäutig und empfindlich.

Eine Möglichkeit, die dabei helfen kann, den Perfektionismus abzulegen, ist der Lernprozess, dass Perfektion nicht erreichbar ist. Stattdessen gilt es zu lernen, Fehler und Unvollkommenheiten auszuhalten, um mehr Handlungsspielraum zu bekommen. Frage Dich dabei: Was ist mir die Perfektion wert? Mache dazu eine Kosten-Nutzen-Analyse und notiere, was Du alles dafür in Kauf nehmen musst, diese zu erreichen.
Biete Deiner Kreativität die Chance, sich zu entwickeln, denn Perfektionismus ist der Feind jedweder Kreativität. Fotografie jedoch ist Kreativität in ihrer reinsten Form. Motive wachsen weder an Bäumen noch fallen sie vom Himmel – sie wollen gefunden und entwickelt werden. 
Kreativität ist Entfaltung, ist Fantasie, ist Offenheit für alles. Perfektionismus steht dem entgegen.

©2024 Jürgen Pagel | Neunzehn58

Neunzehn58 Photographie

Frau auf E-Scooter
von Jürgen Pagel 7. Juni 2025
Nur zwei Wochen mit dem E-Scooter (Segway Ninebot Max G3) zeigen mir als Radfahrer wichtige Unterschiede hinsichtlich Agilität, Lenk- und Bremsverhalten auf, die VOR der ersten Fahrt oder dem ersten Bodenkontakt wichtig wären zu wissen.
Ski fahrende Kinder
von Jürgen Pagel 2. Juni 2025
Anfänger erhalten viele Empfehlungen, die nur schwer umzusetzen sind, weil sie ein Mindestmaß an technischem Verständnis voraussetzen. Ok, das Belichtungsdreieck sollte tatsächlich verinnerlicht sein. Aber vieles andere überfordert. Die Folge ist häufig misslungene Bilder, die trotzdem den Weg in die sozialen Medien finden – mit der Konsequenz teils harscher Kritik, welche nicht gerade dazu motiviert, weiter zu fotografieren. Deswegen habe ich fünf Tipps für Dich als Einsteiger und Anfänger in der Fotografie, die Dir helfen werden, Dich mehr mit Deinen Bildern und Deiner Kamera auseinanderzusetzen und die dazu geeignet sind, Deine Bilder mit der Kamera besser zu machen, die Du gerade zur Hand hast.
E-Scooter in Reih und Glied
von Jürgen Pagel 2. Juni 2025
Ein kurzes Resümee nach hundert Kilometern. Ich habe mir den E-Scooter von Segway nicht gekauft, um umweltschonend unterwegs zu sein. Denn der muss mit Strom geladen werden, der zwar aus meiner Öko-Steckdose kommt, aber ich habe weder eine Solaranlage auf dem Dach, noch erzeuge ich den Strom dafür durch Treten auf dem Fahrrad-Hometrainer. Und hergestellt werden musste er ja auch - mit Aluminium, seltenen Erden und anderem mehr.
Fantasy Göttin
von Jürgen Pagel 1. Juni 2025
Diesmal geht es um die Aussagen, die häufig als Lösung für das „richtige“ Fotografieren oder für Krisensituationen verkauft werden. Eine kritische Betrachtung tut Not und jeder, der sich in einer fotografischen Krise befindet, sollte sich bewusst sein, dass Phrasen schnell gedroschen sind und meist dazu dienen, schnelle, universelle und dennoch selten funktionierende Lösungen zu verkaufen. Deswegen beachtet bitte, dass ich keine Tipps geben möchte, was richtig oder falsch ist. Es ist stets eine individuelle Betrachtung erforderlich, um Ratschläge zu geben und die eigenen Erfahrungen müssen nicht zu dem passen, was Du im Besonderen erwartest.
Frau auf E-Scooter
von Jürgen Pagel 21. Mai 2025
Als Fotograf mobil unterwegs: Warum ein E-Scooter wie der Segway Max G3 D ein echter Vorteil im Fotoalltag ist. Flexibler arbeiten, neue Locations erreichen und Gelenke schonen – erfahre, wie moderne Mobilität die Fotografie verändert.
Drachen Mythos
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Mythen sind traditionelle Erzählungen, die sich Menschen seit Jahrhunderten erzählen, um die Welt, das Leben oder bestimmte Phänomene zu erklären. Sie stammen oft aus frühen Kulturen und Religionen und haben meist einen symbolischen, belehrenden oder erklärenden Charakter. In der Fotografie halten sich viele Mythen hartnäckig. Sie stammen überwiegend aus einer Zeit, in der die Kamera- und die Technik des Fotografierens in den Kinderschuhen steckte, wie beispielsweise „Wenn die Sonne lacht, nimm‘ Blende 8“.
Jubelndes Publikum im gleißenden Scheinwerferlicht
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Eine Sigma BF ist kein Gamechanger. Wenn ein Hersteller die Einstellungsmöglichkeiten seiner Kamera deutlich reduziert und dieses als wichtige Essenz der Fotografie verkauft, wird das angesichts des Preises von 2.400 Euro zum Marketing-Gag. Die Specs sind bescheiden und jede Einsteigerkamera für unter 1.500 Euro verfügt über die Leistung, die eine Sigma BF erbringt. Das diese aus einem Aluminiumblock gearbeitet, gefräst und geschliffen wurde, mag beeindruckend sein, aber einen Nutzen hat davon kein Fotograf. Eine Fujifilm GFX100RF begeistert mich tatsächlich auf Grund der Bildqualität und über 5.000 Euro sind für eine Mittelformat-Kamera schon fast ein Schnäppchen. Dennoch ist sie kein Gamechanger, weil sie die Motivsuche, die Bildkomposition und das Können des Fotografen zwar im positiven Sinn unterstützt, aber eben nicht ersetzen kann. Man muss sehr gut fotografieren können, um mit einer Kamera aus dieser Klasse (ohne IBIS), großartige Bilder zu erzeugen.
Fujifilm GFX100RF
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Eine der meines Erachtens besten Neuerscheinungen im Jahr 2025 ist die Fujifilm GFX100RF, eine kompakte Mittelformatkamera mit einem festverbauten Objektiv.
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Die kurze Antwort: Nicht immer. Ob ein Vollformatsensor tatsächlich einem APS-C-Sensor überlegen ist, hängt stark vom Anwendungsfall ab. Es gibt objektive Unterschiede zwischen den Sensorformaten, aber „besser“ ist nicht automatisch gleich „Vollformat“.
Computer mit Schreibkraft
von Jürgen Pagel 29. April 2025
Der Erfahrungsschatz langjähriger Fotografen gehört zu den kostbarsten und wichtigsten Ressourcen. Es muss also jedem, der an der Fotografie wirklich interessiert ist, sein eigenes Business betreibt oder betreiben möchte, in den Anfängen steht oder nach Jahren der Selbstständigkeit in alten Mustern festgefahren ist, Erfahrung und Kenntnisse von Experten möglichst ohne Umwege anzunehmen. Mithilfe von Mentoring sollen Ihre eigenen, wertvolle Erfahrungen bewahrt und erweitert werden.
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