Welche ist Deine nächste Kamera?

Jürgen Pagel

Welche Kamera ist Deine Nächste?
Ein klitzekleiner Einkaufsführer

Beitrag zum Downlod als PDF
Je nach Quelle gibt es derzeit zwischen 80 und 100 verschiedene Kameramodelle mit gängigen Sensoren (MFT, APS-C, Vollformat, Mittelformat). Da fällt die Auswahl nicht leicht, wenn man sich nicht zuvor eingehend mit der Materie befasst hat.

Für Einsteiger in die Fotografie ein schwieriges Unterfangen – oder auch nicht, wenn man eine Vorstellung davon hat, für welchen Einsatzweck die Kamera gedacht ist. Aber gerade das wissen viele Anfänger eben noch nicht. Ein Lieblings-Genre stellt sich meist erst mit ein paar Jahren Erfahrung ein.

Erste Erfahrungen
Und die erste Kamera, die man kauft, ist selten diejenige, die einen bis zum Lebensende begleitet. Irgendwann steht ein Neukauf an und dann die Suche wieder los. Auch bei mir war das ähnlich. Ich fing mit einer Canon EOS 1300D an. Es folgte eine gebrauchte Canon 80D (mit zwei Objektiven). Dann eine Sony A7III, weil mich der Teufel ritt und es unbedingt Vollformat sein musste. Weil diese relativ groß war, musste noch eine Sony A6100 her. Gefolgt von einer Fujifilm X-E4 und einer X-T30. Mittlerweile betreibe ich die Fotografie professionell und bin endlich angekommen – mit meinem Markenmix, bestehend aus einer Fujifilm X-H2 und einer Nikon Z6II für den professionellen Einsatz, einer Fujifilm X-T4 und einer Fujifilm X-S10 für den All-Day-Einsatz.
„Ja, geht’s noch“ wird man fragen wollen. „Du wechselst ja Deine Kameras schneller, als andere ihre Unterhosen“ sagt ein anderer.
Tatsächlich war ich zu Beginn meiner Fotografie im Jahre 2016 schon fast fanatisch unterwegs. Bücher gelesen, Praktika bei namhaften Fotografen gemacht, Fortbildungen und Workshops besucht – immer beseelt von dem Gedanken, bessere Bilder zu machen. Das dies mit Hilfe neuer oder anderer Kameras nicht gelingt, war mir lange Zeit nicht bewusst. Das erwähnt der Verkäufer in einem Fotofachgeschäft auch nur äußerst selten, weil der zunächst mal seine Kameras und seine Objektive verkaufen will.

Zwischenzeitlich weiß ich natürlich, dass neue oder andere Kameras keine besseren Bilder machen. Ein viel wichtigerer „Schlüssel“ dazu sind die Objektive, das Verständnis für die Fotografie selbst, die Fähigkeit des eigenen fotografischen Sehens, das „Auge“ für Motive und für den Bildaufbau. Aber all das mag man zu Beginn weder Hören noch Sehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass – hätte das alles vorher gewusst - ich nicht weniger Lehrgeld bezahlt hätte. Wahrscheinlich gehört das dazu.

Viel entscheidender ist aber die zweite Phase. 
Man beginnt, sich Gedanken über das Handling zu machen. Gedanken über den wirklichen Einsatzzweck. Das kristallisiert sich heraus. Man fotografiert sehr viel bewusster, intensiver und merkt unter Umständen, dass das vorhandene Arbeitsgerät dazu weniger gut geeignet ist. Und genau über diese Phase habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, die ich gerne mit Dir teilen möchte.

Mindmap zum Download


1. Zunächst gilt es einige grundsätzlichen Ansprüche zu definieren.

a.       Da wären beispielsweise die Qualität (Geschwindigkeit und Genauigkeit) des Autofokus. Benötigst Du einen Tierautofokus, schränkt das die Auswahl von vorne herein auf wenige Modelle ein.

b.       Ein bewegliches Display bietet viele Vorteile, denn erlaubt Dir, über Kopf oder in Bodennähe zu fotografieren, ohne dass Du dafür zuvor ein Beweglichkeitstraining absolvieren musst. Auch das Fotografieren im Hochformat fällt damit deutlich leichter.

c.       Ein Bildstabilisator ist selbstverständlich kein Muss, aber er erlaubt Dir in LowLight-Situationen oder bei der Verwendung von Telebrennweiten deutlich längere Verschlusszeiten. Ein großer Vorteil gegenüber nicht stabilisierten Sensoren.

2. Dann kommt die alles entscheidende Frage: Für welchen Einsatzzweck möchtest Du die Kamera verwenden?

a.       Bist Du Hobbyist? Dann sind in erster Linie die Größe und der Preis entscheidend. Die Kamera sollte klein, handlich und leicht sein – eine Immer-dabei-Kamera. Wechselobjektiv kann, muss aber nicht sein und das Ganze zu einem vernünftigen Preis. So um die 600 bis 1.000 Euro bekommst Du gute und qualitativ hochwertige Kompaktkameras bzw. DSLM – auch auf dem Gebrauchtmarkt. Dabei wäre es durchaus eine Überlegung wert, das bereits vorhandene Smartphone zu benutzen. Die Regeln der Fotografie lassen sich damit genauso umsetzen, wie mit einer „großen Schwester“ und es gibt ausreichend App’s auf dem Markt, die auch das Fotografieren im RAW-Modus ermöglichen. Günstiger wird es allemal, weil Du das Smartphone schon iin der Tasche hast bzw. gerade im Moment in der Hand hältst.

b.       Du planst den professionellen Einsatz? Mit professionell meine ich, dass Du mit der Fotografie Deinen Kühlschrank füllen möchtest. Dann sind die Ansprüche andere. Einige wenige Fotografen bekommen das auch mit dem Smartphone hin, aber der Einsatzbereich ist dann doch sehr begrenzt.

i. Zwei Speicherkartenplätze.
Im Profi-Segment ein unbedingtes Muss. Nichts ist peinlicher, wenn Du nach oder während einem aufwendig inszenierten Shooting feststellst, dass sich auf der Karte keine Bilder befinden und Deine Kamera Dir diesen Fehler nicht angezeigt hat. Oder die Karte wird aus irgendeinem Grund beim Wechsel beschädigt. Möglichkeiten des Missgeschicks gibt es viele. Mit einem Backup auf der zweiten Karte kannst Du solchen Situationen gelassen entgegenblicken.

ii. Witterungsschutz
Sollte es während eines Outdoor-Shootings zu regnen beginnen, wäre ein Abbruch wegen Deiner nicht regenfesten Kamera ebenso fatal, wie der Verlust der Bilder. Dabei achtest Du im Idealfall nicht nur auf eine Abdichtung der Kamera, sondern auch auf eine ebensolche bei den Objektiven.

iii. Akkugröße
Das ist eher das kleinere Problem, denn Ersatzakkus sind schnell beschafft und auch schnell getauscht (wenn man sie nicht zu Hause vergessen hat). Dennoch erleichtert ein Akku mit mindestens 24.000 mAh das Arbeiten erheblich, vor allem dann, wenn der Stromverbrauch der Kamera selbst gering ist. Vor allem bei Videoaufnahmen werden kleine Akkus schnell nervig und das Wechseln lästig.

c.       Diese drei vorgenannten Aspekte sind m.E. bedeutsam. Mit vielen anderen Dingen drumherum kann man mehr oder weniger gut leben. Sie lassen sich durch entsprechendes Zubehör beheben und erlauben dennoch eine professionelle Fotografie.

3. Wofür benutzt Du Deine Kamera?
Auch das ist tatsächlich noch eine der grundsätzlichen Fragen. Fotografie, Video oder Hybrid?

a.       Fotografie
Nutzt Du Deine Kamera professionell und überwiegend für die Fotografie, dann sollte sie über mindestens

                        i. 24 bis 30 MP (das ist m.E. der Sweat-Spot),

                        ii. über Vollformat (oder hochwertige APS-C/ MFT wie die Fujifilm X-H2, X-H2s o.ä.)

                        iii. und einen digitalen Hot Shoe verfügen, damit Du Blitzgeräte oder Funksender nutzen kannst.

b.       Video
Bei überwiegendem Videoeinsatz sollte die Kamera mindestens über

                        i. 4K,

                        ii. 4K + 60 FPS (für geschmeidige Zeitlupen-Aufnahmen)

                        iii. kein Aufnahmelimit und keine Überhitzungsprobleme und

                        iv. einen Audio-Anschluss zur Tonkontrolle verfügen.

c.       Hybrid
Bei den Hybriden sollten wenigstens

                        i. 4K und

                        ii. 24 MP an Bord sein.

4.       Nicht ganz so wichtig (abhängig vom eigentlichen Einsatzzweck) sind

a.       hohe Bildrate (für den „normalen“ Fotografen mit Ausnahme der Sportfotografen),

b.      extrem kurze Belichtungszeiten

c.       Speicherkartentyp

i. CF-Express – der Mehrwert ist nur dann gegeben, wenn die Kamera die hohe Schreibgeschwingkeit einer CF-Expresscard auch tatsächlich verarbeiten kann.

                       ii. SD-Karte, die in der Regel (Ausnahme hohe Video-Bildraten) ausreicht.


Mit einem derartigen Wissen ausgerüstet wird der Gang in das nächste Fotofachgeschäft zu einem Kinderspiel – unter Umständen sehr zur Freude des Verkäufers, weil endlich mal ein Kunde kommt, der weiß, was er oder sie will. Und auf dem Gebrauchtmarkt hast Du damit eine eindeutige Vorgabe dessen, was Du wirklich brauchst und was es beim Kauf zu beachten gilt.

Verfalle nicht dem Hype um irgendwelche Kameramarken. Jeder Fotograf wird Dir die Kamera empfehlen, deren Marke er gerade nutzt - bei mir sind das Fujifilm und Nikon. Fujifilm haben erstaunlich wenige auf dem "Schirm". Viele Anfänger (so zumindest der Eindruck aus den einschlägigen Foren) starten mit einer Canon-Kamera, um dann mit verhaltenem Erstaunen festzustellen, dass die Objektive sehr hochpreisig sind und vor allem keine kostengünstige Auswahl an Objektiven von Drittherstellern besteht, da Canon im Gegensatz zu anderen Marken seinen Mount nicht freigegeben hat. Fujifilm verfügt über eine große Auswahl an nativen Objektiven, aber auch viele Objektive von Drittherstellern sind erstklassig (günstig und gut) und stehen den nativen Objektiven in Nichts nach. Aber all das ist nebensächlich, wenn Du weißt, was Du wirklich brauchst und willst.


Ich hoffe, dass ich Dir bei Deiner nächsten Entscheidung, welche Kamera Du kaufen solltest, helfen konnte.
Wenn ja, lass es mich gerne wissen.

©2024 Jürgen Pagel | Neunzehn58

Neunzehn58 Photographie

Jubelndes Publikum im gleißenden Scheinwerferlicht
von Jürgen Pagel 5. Mai 2025
Eine Sigma BF ist kein Gamechanger. Wenn ein Hersteller die Einstellungsmöglichkeiten seiner Kamera deutlich reduziert und dieses als wichtige Essenz der Fotografie verkauft, wird das angesichts des Preises von 2.400 Euro zum Marketing-Gag. Die Specs sind bescheiden und jede Einsteigerkamera für unter 1.500 Euro verfügt über die Leistung, die eine Sigma BF erbringt. Das diese aus einem Aluminiumblock gearbeitet, gefräst und geschliffen wurde, mag beeindruckend sein, aber einen Nutzen hat davon kein Fotograf. Eine Fujifilm GFX100RF begeistert mich tatsächlich auf Grund der Bildqualität und über 5.000 Euro sind für eine Mittelformat-Kamera schon fast ein Schnäppchen. Dennoch ist sie kein Gamechanger, weil sie die Motivsuche, die Bildkomposition und das Können des Fotografen zwar im positiven Sinn unterstützt, aber eben nicht ersetzen kann. Man muss sehr gut fotografieren können, um mit einer Kamera aus dieser Klasse (ohne IBIS), großartige Bilder zu erzeugen.
Fujifilm GFX100RF
von Jürgen Pagel 3. Mai 2025
Eine der meines Erachtens besten Neuerscheinungen im Jahr 2025 ist die Fujifilm GFX100RF, eine kompakte Mittelformatkamera mit einem festverbauten Objektiv.
Sony Vollformatkamera
von Jürgen Pagel 30. April 2025
Die kurze Antwort: Nicht immer. Ob ein Vollformatsensor tatsächlich einem APS-C-Sensor überlegen ist, hängt stark vom Anwendungsfall ab. Es gibt objektive Unterschiede zwischen den Sensorformaten, aber „besser“ ist nicht automatisch gleich „Vollformat“.
Computer mit Schreibkraft
von Jürgen Pagel 29. April 2025
Der Erfahrungsschatz langjähriger Fotografen gehört zu den kostbarsten und wichtigsten Ressourcen. Es muss also jedem, der an der Fotografie wirklich interessiert ist, sein eigenes Business betreibt oder betreiben möchte, in den Anfängen steht oder nach Jahren der Selbstständigkeit in alten Mustern festgefahren ist, Erfahrung und Kenntnisse von Experten möglichst ohne Umwege anzunehmen. Mithilfe von Mentoring sollen Ihre eigenen, wertvolle Erfahrungen bewahrt und erweitert werden.
Nest mit Eiern
von Jürgen Pagel 28. April 2025
Denn bei mir bekommst du keine Dumpingpreise, sondern eine wertvolle Arbeit, die dich und dein Business voranbringt. Denn bei mir erhältst du Qualität, Sorgfalt und erstklassige Arbeit, die ihr Geld WERT ist.
Apokalyptische Szene
von Jürgen Pagel 24. April 2025
Wenn Fotograf:innen extrem niedrige Preise verlangen (oft weit unter dem marktüblichen Niveau), kann das tatsächlich dazu führen, dass Kund:innen ein verzerrtes Bild vom Wert professioneller Fotografie bekommen. Das Resultat: Der Preis wird als wichtigstes Kriterium wahrgenommen – nicht die Qualität, die Erfahrung oder der Service. Das ist gefährlich für alle, die nachhaltig und professionell arbeiten möchten.
Sammlung alter Kameras und Objektive
von Jürgen Pagel 23. April 2025
Viele schwören darauf, manche lehnen sie kompromisslos ab. Sehr wahrscheinlich haben beide Gruppen unrecht. Nur weil das Objektiv alt ist, ist es nicht zwangsläufig gut. Wenn eines seinen eigenen Charakter an einer Fujifilm X-T5 entwickelt, muss das an einer Nikon Z8 nicht unbedingt auch funktionieren. Richtig ist, dass sich am technischen Vorgang der Fotografie wenig geändert hat. Richtig ist aber auch, dass die Objektive aus den 50er bis in die frühen 90er Jahre in erster Linie für analogen Film entwickelt und gefertigt wurden. Und oftmals sind sie als Massenprodukt millionenfach hergestellt worden, ohne dass man Wert auf eine herausragende Qualität gelegt hat, denn auch nach 1950 saß das Geld nicht locker und wer sich schon für ein paar hundert Mark eine Kamera leisten konnte, dem kam die Industrie mit einigermaßen günstigen Objektiven entgegen.
Blitzlicht alt
von Jürgen Pagel 21. April 2025
Einer meiner großen Vorbilder in Sachen Blitzlichtfotografie ist - wie ich schon in einem anderen Blogbeitrag erwähnte - Aki Moosmann. Am 21.04.2025 erschien ein neues Video auf seinem YouTube-Channel, dass sich wieder einmal mehr mit dem Einsatz eines Blitzes bei Outdoor-Shootings und in einer U-Bahnhaltestelle beschäftigt. gerne teile ich dieses Video mit Euch!
Portfolio Personal Branding Mann im speziellen Licht
von Jürgen Pagel 20. April 2025
Erfahre, wie Personal Branding Fotografie deine Marke stärkt. Tipps, Bildideen & Strategien für authentische Businessportraits, die wirklich wirken.
Gemüse mit Preisbeschriftung auf einem Markt
von Jürgen Pagel 20. April 2025
Lerne, wie du als Fotograf realistische und faire Preise kalkulierst. Inklusive Beispielrechnungen, Tipps zur Preisgestaltung & Stundensatz-Berechnung.
Weitere Beiträge