Neue Standards – alles gut?

Jürgen Pagel

Neue Standards – alles gut?

Zurzeit ist im Bereich der Fotografie viel in Bewegung.
Sony bringt das neue 24-50mm – Objektiv auf den Markt – angepriesen als der neue Standard. Fujifilm bringt die neue X100VI – angepriesen als der Retter der Fotografie und gleichzeitig kommt die neue Filmsimulation Reala Ace. Die Nikon Zf wird angepriesen mit einer Weltneuheit – einem getrennten S/W-Modus und neuen Filtereinstellungen, welche die Welt der Fotografie verändern. Im manuellen Modus lässt sich die Motiverkennung nutzen. Ebenfalls eine Neuheit. Die Canon R5 bietet 8K-RAW-Videos und die Sony A9III punktet mit einem bisher einmaligen Global Shutter.

Die Liste ließe sich für 2023/ 2024 beliebig fortsetzen. Schaut man jedoch genauer hin, entpuppen sich viele der sogenannten Neuerungen als nur für wenige Fotoenthusiasten wirklich nützliche Funktionen.
Ohne Zweifel ist die Rundum-Erkennung sämtlich vorstellbarer Motive bei Fujifilms X-T5 und der X100VI grandios. Allerdings hat auch die X-H2 bereits die Motiverkennung mit Ausnahme des Tieraugen-Autofokus. Und jeder Fotograf, der für eines dieser Modelle schwärmt, sollte sich ehrlich fragen, wie oft er vorbeifahrende Autos fotografiert und als Nicht-Wildlife-Fotograf den Tieraugen-Autofokus vermisst hat.
Die Nikon Zf ist ohne Frage eine großartige Kamera. Aber dass man zu Gunsten des Retrodesigns auf einen nutzbaren Griff verzichtet hat, ist in meinen Augen ein übler Fehler. Was nutzt die beste Kamera, wenn man sie nicht in den Händen halten kann und Krämpfe in den Fingern bekommt, weil man sich ständig der Angst ausgeliefert sieht, sie aus der Hand zu verlieren. Das lässt sich zwar mit einem Zusatzgriff optimieren – dem Retrodesign allerdings wird das nicht gerecht, zumal der Griff 45 Euro kostet. Auch einen zusätzlichen Batteriegriff sucht man vergeblich. Nahezu alle Nutzer bemängeln die schlechte Griffigkeit der Belederung. Auch so ein Lapsus.
Ob ein neues Sony-Objektiv mit einer ungewöhnlichen Brennweite von 24-50mm tatsächlich der neue Standard ist, wage ich zu bezweifeln. Eine durchgehende Blende von f/2.8 ist gut, aber f/2.0 wäre besser gewesen. 1.300 Euro sind auch nicht gerade ein Pappenstiel.

Auf dem Markt existieren genug andere hochwertige Objektive von Drittherstellern, die diese geringe Range hervorragend abdecken und in der Abbildungsleistung kaum nachstehen.
Auch die Fujifilm X100VI – ähnlich gehypt wie seinerzeit die X100V bietet außer dem 40MP-Sensor und dem verbesserten Autofokussystem gegenüber dem Vorgängermodell nur wenig nutzbares Neues. Und für das Akku-System der X-T4, X-T5 und der X-H-Serie hat der Platz nicht mehr gereicht, so dass der Nutzer ein zweites Ladegerät mitführen muss. Schade eigentlich. Es wäre auch zu schön gewesen. Die Filmsimulation Reala Ace ist auch nicht neu, sondern findet sich in allen anderen Modellen von der X-T4, über die X-T5 bis zur X-H-Serie.
Nikon hat die Filmsimulation mit Sicherheit nicht erfunden. Das ist und bleibt die Domäne von Fujifilm, die dieses System nahezu perfektioniert haben. Auch die anderen Nikon-Modelle besitzen bereits vergleichbare Einstellmöglichkeiten und dass man einen extra Schalter für die S/W-Fotografie belegen kann, ist durchaus gut. Aber das lässt sich in den anderen Modellen auch entsprechend belegen. Einzig die Motiverkennung im manuellen Modus ist eine Besonderheit, die allerdings nur bei Objektiven mit elektronischen Kontakten funktioniert. Beim Altglas bleibt alles beim Alten.
Der Global Shutter der Sony A9III ist ein echtes Highlight – für jeden Sportfotografen. Der Portrait- oder Landschafts-Fotograf zieht daraus keinen Nutzen, denn Flimmern gibt es in der Natur nicht und bei Portraits habe ich bisher mit keiner Art meiner externen Belichtung jemals die Flimmerreduzierung gebraucht.

Mit anderen Worten – Kameras werden heutzutage mehr denn je über Emotionen verkauft und da ergibt es durchaus Sinn, technische, vermeintliche Heilsbringer besonders hervorzuheben, um sich wenigstens in einem Punkt von der Konkurrenz zu unterscheiden. Ob man das in der Praxis tatsächlich zu nutzen weiß, ist ein ganz anderes Thema. Vor allem jedoch sind solche vermeintlichen Neuerungen, die in Wirklichkeit selten welche sind, vor allem ein gutes Argument, die deutlich steigenden Preise zu rechtfertigen. So kostet die Nikon Zf gleich mal 2.500 Euro, die Fujifilm X100VI stolze 1.800 Euro, eine Sony A9III gar 7.000 Euro und eine Canon R5 ist mit 3.500 Euro auch nicht gerade ein Schnäppchen. Alle Modelle ohne Objektive versteht sich. Die Folgekosten sind also entsprechend hoch. Für all diese Modelle günstige Objektive zu finden, ist nicht leicht. Für einen breit aufgestellten und für alle Gelegenheiten gerüsteten Objektivpark kommen leicht noch einmal 3.000 bis 4.000 Euro dazu (mit Ausnahme der Fujifilm X100VI, die ein fest verbautes Objektiv hat). Das wird gerne vergessen und manche sich im Bestand befindenden Objektive aus einem 24MP-System sind für 40 MP nicht gerechnet und haben demzufolge eine entsprechend reduzierte Wiedergabequalität.

Und das alles vor dem Hintergrund, dass ständig betont wird, dass eine neue Kamera keine besseren Bilder macht. Das allerdings würde ich tatsächlich einschränken wollen. Der Unterschied zwischen einer Fujifilm X-T4 mit 26MP und einer X-H2 mit 40MP ist schon deutlich. Die höhere Auflösung bietet viele Vorteile, aber eben auch den Nachteil der größeren Datenmengen, die verarbeitet und gespeichert werden wollen. Und wer dann noch das KI-Entrauschen in Lightroom nutzt, macht aus 50 MB schnell mal 160 MB. Da neigt sich dann der Speicher einer TB-Festplatte auch schnell dem Ende zu. Und wer dann noch mit einem alten Windows-System unterwegs ist, wird zum Kaffee-Junkie. Konsequenz: zusätzlich zur neuen Kamera, neuen Objektiven kommt nun auch noch ein neuer PC oder Mac.

Kamerahersteller weisen wohlweislich auf diese Umstände nicht hin. Das müssen sie auch nicht. Schließlich wollen und müssen sie ihre teuer entwickelten Produkte gewinnbringend verkaufen. Es bleibt also jedem Fotografen selbst überlassen, ob er dem G.A.S. verfällt oder nicht.

©2024 Jürgen Pagel | Lichtwerk.Design

Neunzehn58 Photographie

Kamera von Fujifilm
von Jürgen Pagel 12. Juni 2025
Ich bin immer wieder überrascht (nein, nicht wirklich), wie YouTuber und damit wirklich fast alle YouTuber gemeint, die sich mit Kameras und Fotografie beschäftigen, sich mit Meldungen über ein neues Kameramodell geradezu überschlagen. Kaum ist es veröffentlicht, findet man in den kommenden 14 Tagen keinen Kanal, in dem nicht genau über diese Kamera, auf die angeblich alle gewartet haben, gesprochen wird. Diesmal ist es die Nachfolgerin der Fujifilm X-E4, die Fujifilm X-E5. Die X-E4 war kein Flop, sondern eher ein Liebhaberstück mit kleiner, aber treuer Fangemeinde. Sie verkaufte sich solide, aber nicht in dem Maße, dass Fujifilm sie weitergeführt hätte. Daher kann man sagen: kein „Verkaufsschlager“ im Mainstream, aber ein Achtungserfolg unter Kennern. Nun ist der Vorhang für das Nachfolgemodell gefallen.
Frau auf E-Scooter
von Jürgen Pagel 7. Juni 2025
Nur zwei Wochen mit dem E-Scooter (Segway Ninebot Max G3) zeigen mir als Radfahrer wichtige Unterschiede hinsichtlich Agilität, Lenk- und Bremsverhalten auf, die VOR der ersten Fahrt oder dem ersten Bodenkontakt wichtig wären zu wissen.
Ski fahrende Kinder
von Jürgen Pagel 2. Juni 2025
Anfänger erhalten viele Empfehlungen, die nur schwer umzusetzen sind, weil sie ein Mindestmaß an technischem Verständnis voraussetzen. Ok, das Belichtungsdreieck sollte tatsächlich verinnerlicht sein. Aber vieles andere überfordert. Die Folge ist häufig misslungene Bilder, die trotzdem den Weg in die sozialen Medien finden – mit der Konsequenz teils harscher Kritik, welche nicht gerade dazu motiviert, weiter zu fotografieren. Deswegen habe ich fünf Tipps für Dich als Einsteiger und Anfänger in der Fotografie, die Dir helfen werden, Dich mehr mit Deinen Bildern und Deiner Kamera auseinanderzusetzen und die dazu geeignet sind, Deine Bilder mit der Kamera besser zu machen, die Du gerade zur Hand hast.
E-Scooter in Reih und Glied
von Jürgen Pagel 2. Juni 2025
Ein kurzes Resümee nach hundert Kilometern. Ich habe mir den E-Scooter von Segway nicht gekauft, um umweltschonend unterwegs zu sein. Denn der muss mit Strom geladen werden, der zwar aus meiner Öko-Steckdose kommt, aber ich habe weder eine Solaranlage auf dem Dach, noch erzeuge ich den Strom dafür durch Treten auf dem Fahrrad-Hometrainer. Und hergestellt werden musste er ja auch - mit Aluminium, seltenen Erden und anderem mehr.
Fantasy Göttin
von Jürgen Pagel 1. Juni 2025
Diesmal geht es um die Aussagen, die häufig als Lösung für das „richtige“ Fotografieren oder für Krisensituationen verkauft werden. Eine kritische Betrachtung tut Not und jeder, der sich in einer fotografischen Krise befindet, sollte sich bewusst sein, dass Phrasen schnell gedroschen sind und meist dazu dienen, schnelle, universelle und dennoch selten funktionierende Lösungen zu verkaufen. Deswegen beachtet bitte, dass ich keine Tipps geben möchte, was richtig oder falsch ist. Es ist stets eine individuelle Betrachtung erforderlich, um Ratschläge zu geben und die eigenen Erfahrungen müssen nicht zu dem passen, was Du im Besonderen erwartest.
Frau auf E-Scooter
von Jürgen Pagel 21. Mai 2025
Als Fotograf mobil unterwegs: Warum ein E-Scooter wie der Segway Max G3 D ein echter Vorteil im Fotoalltag ist. Flexibler arbeiten, neue Locations erreichen und Gelenke schonen – erfahre, wie moderne Mobilität die Fotografie verändert.
Drachen Mythos
von Jürgen Pagel 18. Mai 2025
Mythen sind traditionelle Erzählungen, die sich Menschen seit Jahrhunderten erzählen, um die Welt, das Leben oder bestimmte Phänomene zu erklären. Sie stammen oft aus frühen Kulturen und Religionen und haben meist einen symbolischen, belehrenden oder erklärenden Charakter. In der Fotografie halten sich viele Mythen hartnäckig. Sie stammen überwiegend aus einer Zeit, in der die Kamera- und die Technik des Fotografierens in den Kinderschuhen steckte, wie beispielsweise „Wenn die Sonne lacht, nimm‘ Blende 8“.
Jubelndes Publikum im gleißenden Scheinwerferlicht
von Jürgen Pagel 5. Mai 2025
Eine Sigma BF ist kein Gamechanger. Wenn ein Hersteller die Einstellungsmöglichkeiten seiner Kamera deutlich reduziert und dieses als wichtige Essenz der Fotografie verkauft, wird das angesichts des Preises von 2.400 Euro zum Marketing-Gag. Die Specs sind bescheiden und jede Einsteigerkamera für unter 1.500 Euro verfügt über die Leistung, die eine Sigma BF erbringt. Das diese aus einem Aluminiumblock gearbeitet, gefräst und geschliffen wurde, mag beeindruckend sein, aber einen Nutzen hat davon kein Fotograf. Eine Fujifilm GFX100RF begeistert mich tatsächlich auf Grund der Bildqualität und über 5.000 Euro sind für eine Mittelformat-Kamera schon fast ein Schnäppchen. Dennoch ist sie kein Gamechanger, weil sie die Motivsuche, die Bildkomposition und das Können des Fotografen zwar im positiven Sinn unterstützt, aber eben nicht ersetzen kann. Man muss sehr gut fotografieren können, um mit einer Kamera aus dieser Klasse (ohne IBIS), großartige Bilder zu erzeugen.
Fujifilm GFX100RF
von Jürgen Pagel 3. Mai 2025
Eine der meines Erachtens besten Neuerscheinungen im Jahr 2025 ist die Fujifilm GFX100RF, eine kompakte Mittelformatkamera mit einem festverbauten Objektiv.
Sony Vollformatkamera
von Jürgen Pagel 30. April 2025
Die kurze Antwort: Nicht immer. Ob ein Vollformatsensor tatsächlich einem APS-C-Sensor überlegen ist, hängt stark vom Anwendungsfall ab. Es gibt objektive Unterschiede zwischen den Sensorformaten, aber „besser“ ist nicht automatisch gleich „Vollformat“.
Weitere Beiträge