Ist Fotografieren langweilig?

Jürgen Pagel

Es war noch nie so einfach, tolle Bilder zu machen.

Zweifelsfrei eine ziemlich steile These. Gewagt. Ist das wirklich so? Wird deshalb das Fotografieren langweilig?
Nein, nicht langweilig, sondern einfach nur anders. Lass uns das einmal "beleuchten" (Beleuchtung ist beim Fotografieren nie verkehrt).

"Alte" Fotografie
[...] Die erste wirkliche Digitalkamera stellte 1991 die kalifornische Firma Dycam auf der Computerfachmesse CeBIT unter dem Namen Model 1 vor. Die Kamera war mit einem lichtempfindlichen CCD-Sensor sowie einem Speichermodul ausgestattet, das die direkte Übertragung der Bilder auf den Computer ermöglichte. Trotz des schwarz-weißen Aufnahmemodus und einer – aus heutiger Sicht geringen – Auflösung von 376 × 284 Bildpunkten[3] war die Fachpresse begeistert. Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Fortune wagte sogar folgende Prognose: „Ein Sturm technologischer Innovationen und neuer Produkte sammelt sich über der Welt der Fotografie an, der viel von dem wegblasen wird, was bis heute altbekannt ist. Filme, Chemikalien und Dunkelkammer werden ersetzt werden durch eine Technologie, die blendend und altbacken zugleich ist: den Computer.“ [...] Wikipedia

Vor 1991 wurde sozusagen analog fotografiert. Mit dem guten, alten Film. Mit vielen Variablen. Ich selbst nutze immer wieder gerne meine Minolta's (XD-7, X500) zur Schwarz-Weiß-Fotografie und entwickle die Filme im heimischen Keller. Diese analogen Spiegelreflexkameras haben maßgeblich zu meinem Verständnis der Fotografie beigetragen. Die Zusammenhänge von Belichtung, ISO und Blende wurden mir erst richtig durch die analoge Fotografie bewusst. Und ich weiß, seit ich digital Fotografiere und den "Fortschritt" in die analoge Richtung vollzog, warum meine Bilder seinerzeit nicht über das "Knips-Stadium" hinaus kamen.
Analoge Fotografie konnte nicht langweilig werden. Bedingt durch wenige Automatismen, durch manuelle Einstellungen und deren Einflüsse, durch Qualitätsunterschiede der Filme, durch sehr viel "try an error", war eigentlich jedes Bild ein kleines Abenteuer. Allein schon die Tatsache, dass sich belichtete Bilder nicht in der Kamera anschauen ließen, sondern die Überraschung nach der Entwicklung wartete, machte das Ganze irgendwie spannend (das geht mir übrigens heute noch so - große Spannung, was da aus der Entwicklungsdose kommt). Und bitte nicht vergessen: in analogen Zeiten der Fotografie gab es im Kleinbildformat (heute als Vollformat bezeichnet) maximal 36 Bilder. Dann war der Film voll. Man musste sich also hinsichtlich seiner Motivwahl Gedanken machen, was man abzulichten gedachte. Denn das war alles recht schnell endlich und mit hohen Kosten verbunden.

"Neue" Fotografie

Seit Einführung der digitalen Fotografie 1991 hat sich enorm viel getan. Fotografieren ist moderner geworden. Nicht unbedingt einfacher, sondern moderner - anders eben. Nahezu unendliche Speicherkapazitäten (128 GB entsprechen ca. 4.500 Bildern im JPEG- und im RAW-Format), ultraschneller Autofokus, Kamera- und/ oder Objektivstabilisierungen erlauben selbst noch mit Belichtungszeiten von 1/15 oder 1/8 Aufnahmen aus der Hand.

Eine nahezu ebenso unendliche Objektivauswahl hält für jeden Anwender etwas parat. Egal, ob Makro- oder Wildlife-Fotografie. Jeder Geschmack lässt sich mit tollen Qualitäten bedienen.
Von der Vielzahl der Kameras ganz zu schweigen. Selbst führende Hersteller wie Sony, Canon, Panasonic und Fujifilm bieten eine derart große Auswahl selbst in spezialisierten Segmenten, dass einem schwindelig wird. Ob diese Vielfalt immer erforderlich und sinnvoll ist, lassen wir dahin gestellt. Es ist nun mal so.
Das macht es für Einsteiger in den Amateur- bzw. semiprofessionellen Sektor schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen. Und ich würde mich so weit aus dem Fenster lehnen wollen, um zu behaupten, das dies von den Herstellern durchaus gewollt ist. Es gibt wohl kaum einen Bereich, in dem man so viel Geld liegen lassen kann, wie in der Fotografie. Und ich bin mir sicher, dass viele Leser schon die gleichen Erfahrungen gemacht haben bzw. machen mussten.

Aber ist Fotografie deswegen langweilig?

Nein. Im Gegenteil. Diese enorme Vielfalt an Möglichkeiten - die Fotografie mit Handy's, die ja auch immer besser werden und mobiles Fotografieren mit etwas, das man immer dabei hat, sei hier weitestgehend unerwähnt - ergibt auch eine ebenso enorme Vielfalt an Ergebnissen. Und klammert man einmal mehr die Millionen von Handyfotografen aus, wobei das nichts mit verminderter Qualität zu tun hat, dann bleiben in Deutschland immerhin ca. 35.000 professionelle Fotografen übrig, die mehr oder weniger regelmäßig die Foren auf Instagram, Facebook, Pinterest und Co. bedienen Grob über den Daumen sind das alleine in Deutschland mehr als 100.000 Bilder täglich (bei durchschnittlich drei veröffentlichten Bildern pro Tag) - Wahnsinn. Von Langeweile wohl keine Spur. Sicher ist da auch eine Menge Ausschuss dabei. Qualitativ schlecht gemacht, Hauptsache mal etwas gepostet ohne jeden besonderen Anspruch. Aber es bleibt genug übrig, sich Ideen zu holen, eigene Projekte umzusetzen, einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen und sich mit einem besonderen Stil einen Namen zu machen. Das ist mühselig, war aber vor 1991 noch viel schwieriger, weil die Verbreitung durch fehlendes oder sehr langsames Internet lange nicht so umfassend war, wie heute.

Ist es heute einfacher. tolle Bilder zu machen?

Im Grunde lässt sich das nicht ohne Weiteres mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Einerseits ja, weil das Equipment durchaus hilfreich sein kann, sich auf die Bildgestaltung konzentrieren zu können. Musste du zu Beginn der digitalen Fotografie noch mit 10 Fouspunkten klar kommen, bei denen keiner auf dem Auge blieb, sondern man mit sehr viel Geschick und Hirnschmalz den Fokus dahin "beamen" musste, wo man ihn haben wollte, ist das heutzutage überhaupt kein Problem mehr. Selbst im Kopfstand bleibt der Fokus auf dem Auge "festgenagelt". Das macht es tatsächlich einfacher. Aber die Vielfalt der Technik, das Verständnis dafür und das Ausnutzen aller dieser sich daraus ergebenen Möglichkeiten, setzt Zeit, Geduld und eine hohe Lernbereitschaft voraus. Da wird es dann schon schwieriger. Eine große Vielfalt heißt eben nicht zwangsläufig, das Alles einfacher wird.

Fazit

Die Fotografie ist nicht langweiliger geworden. Sie ist vielschichtiger, vielseitiger und sicher auch nicht minder spannend, als vor zwanzig Jahren. Und mittlerweile ist auch ein Ende der technischen Möglichkeiten abzusehen. Es wird weiterhin Spezialgebiete gebe, die 100 MP und mehr erfordern. Aber Sony's neues 70-200mm ist der beste Beweis dafür, das die Fortschritte nur noch sehr klein sind und ein Preis von 3.000 Euro für ein Objektiv keineswegs immer gerechtfertigt sind. Man wird sich also nicht von der Verpflichtung zu einer Bildkompensation befreien können. Und sich stets das Belichtungsdreieck vor Augen zu führen, damit das, was am Ende dabei herauskommt auch das Publikum bedient, wird nie langweilig!


©2021 Jürgen Pagel LICHTWERK.DESIGN



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