Vom Pre-Shooting bis zur Nachbearbeitung (2)

Jürgen Pagel

Teil 2 - Das Shooting

Im ersten Teil haben wir uns mit dem Pre-Shooting befasst. Nun geht es an's Eingemachte. Das Shooting selbst. Da es sehr viele Arten eines Shootings gibt, möchte ich das Allgemein halten, so dass du möglichst viel für dich umsetzen kannst.

Du hast bereits eine konkrete Vorstellung von dem, was und wie du es fotografieren möchtest. Dank des Pre-Shootings und der Besichtigung der Location hast du bereits die entscheidenden Schritte für ein perfektes Shooting gemacht.

Jetzt ist der Tag gekommen. Es gibt ein paar nahezu banale Dinge, die anzusprechen mir fast peinlich ist. Aber die Erfahrung der letzten Jahren zeigt, wie wichtig diese Punkte sind. Sie öffnen dir Türen. Türen, die dir den Zugang in eine Welt der Professionalität gewähren.

1. Sei pünktlich. "10 Minuten vor der Zeit, ist des Soldaten Pünktlichkeit". Ich weiß, abgedroschen. Aber das mit dem akademischen Viertel ist wirklich Käse. Es gibt für einen Kunden wirklich nichts Schlimmeres, als Unpünktlichkeit. Die Leute, mit denen du es zu tun hast, haben ihre Zeit auch nicht gestohlen. Sie haben zweifelsfrei Besseres zu tun, als auf den Fotografen zu warten, weil der nicht rechtzeitig in die Puschen gekommen ist. Plane bei längeren Autofahrten Staus und andere Unwägbarkeiten mit ein. Und wenn sich es doch einmal abzeichnen sollte, dass du nicht pünktlich erscheinen kannst, dann rufe wenigstens bei deinem Kunden an. Deswegen notierst du dir im Pre-Shooting alle Kontaktdaten deines Kunden! Erstens nimmt das den Stress aus der Sache und zweitens verhilft das zu deutlich mehr Gelassenheit.

2. Sei freundlich. Freundlichkeit ist überhaupt der größte aller Türöffner. Wir sind jeden Tag von einer Vielzahl unfreundlicher und griesgrämiger Menschen umgeben. Da tut jeder gut, der gutgelaunt, lachend und frischen Mutes den Raum betritt. Und wenn es dir selbst an diesem Tag noch so besch........ gehen sollte - dein Kunde trägt daran keine Verantwortung.

3. Vergesse nichts. Nichts, aber auch gar nichts ist nerviger, wenn du ein Stativ oder deine Ersatz-Akkus vergessen hast. Oder einen LED-Strahler oder womöglich sogar deine Backup-Kamera. Je nach Anfahrtsweg ist ein Zurückfahren nicht mehr möglich. Zumindest nicht, um noch einigermaßen pünktlich zu sein. Und das hatten wir ja bereits beim ersten Punkt.

Und wenn du doch einmal etwas vergessen hast, dann lasse es dir nicht anmerken und improvisiere. Das ist immer noch besser, als den Verzweifelten zu spielen. Der Kunde gewährt dir einen großen Vertrauensvorschuss. Enttäusche ihn nicht. Und wenn du im Nachhinein auch nicht über deine Fehler oder Missgeschicke redest, merkt das in aller Regel niemand.

Und damit genau das alles kein Thema ist, hast du einen Checkliste vorbereitet, die du am Abend vor deinem Termin abhakst.


4. Verschaffe dir, wenn irgend möglich alle Freiheiten, die du brauchst. Wenn du ständig irgend jemanden fragen musst, dich nicht frei bewegen kannst und die Zuständigkeiten nicht geklärt sind, kostet es dich und letztendlich den Kunden viel Zeit. Und Zeit ist schließlich Geld. Übrigens ein Punkt, der im Pre-Shooting-Termin vorab geklärt werden kann.


5. Gehe planvoll und strukturiert vor. Autos in einem Showroom halten in aller Regel still. Die stehen auch eine Stunde später noch an der gleichen Stelle. Arbeitet du jedoch mit lebenden Models, dann werden die ungeduldig, wenn du chaotisch von A nach B rennst und die einfach planlos herumstehen. Es macht also durchaus Sinn, sich einen Ablaufplan zu erstellen. Beispielsweise ein Moodboard. Wenn es dann doch einmal anders kommt, holst du den Plan B aus der Tasche (ein zweites Moodboard). Sollten alle Stricke reißen, so hast du auch das geplant. Struktur und Ordnung in deinem Vorgehen sind einfach nur professionell. Es gibt so ein paar Events, da geht sowieso immer alles schief. Hochzeiten gehören beispielsweise dazu.


6. Checke vorher noch einmal ALLE Funktionen deiner Kameras. Stelle für Portraitaufnahmen dein Programm schon einmal vorab auf den Continous- und den Aperture-Mode. Reinige deine Objektive und kontrolliere den Sensor auf Verunreinigungen. Es ist einfach eine Riesenarbeit, wenn du in der Nachbearbeitung auf jedem Bild drei Sensorflecken entfernen musst (Zeit = Geld, in diesem Fall dein Geld, denn der Kunde kann für deinen verschmutzten Sensor nichts).

7. Achte auf die korrekte Lichtsetzung. Mache einige Probebilder und schaue sie dir genau an. Am Besten ist es tatsächlich, wenn du die Bilder kurz auf dein Tablet überspielen kannst. Beim iPad brauchst du dazu noch nicht einmal eine Bluetooth-Verbindung. Diese Spielereien dauern zu lange und sind häufig mit Fehlern behaftet. Karte aus der Kamera, rein in das Lesegerät des iPad und in Lightroom öffnen. Hier siehst du sofort die Situation, kannst ausgebrannte Stellen entdecken und belichtungstechnisch dagegen steuern. Auch das erspart dir in der Nachbearbeitung viel Zeit. Gleichzeitig kannst du im RAW prüfen, welchen Bearbeitungsspielraum du hast.


8. Achte ebenso darauf, dass nichts im Bild ist, was nicht hineingehört. Bei extrem langen Belichtungszeiten verschwinden durch das Bild laufende Personen. 100%ig verlassen würde ich mich darauf aber nicht wollen. Überhaupt Belichtungszeiten. Unbewegte Motive mit Stativ zu fotografieren, ist einfach ein Muss. Selbst mit Objektiv- oder Kamerastabilisatoren habe ich in der Nachbearbeitung Unschärfen entdeckt, die mir beim Fotografieren nicht aufgefallen sind. Und solche Bilder sind dann eben Ausschuss. Im schlimmsten Fall sind wesentliche Bestandteile deines Shooting für die Tonne. Vor allem kannst du deine ISO niedrig halten, was dir in der Nachbearbeitung die Rauschminderung erspart und du nicht Gefahr läufst, dass die Bilder matschig wirken. Fotografierst du aus der Hand, dann verwende wenigstens Verschlusszeiten von mindestens 1/125 im Serienbildmodus. Und es ist definitiv kein Fehler, Belichtungsreihen anzufertigen. Dann hast du in der Bearbeitung immer noch eine Auswahl. Überhaupt sind Serienbildmodus und Belichtungsreihen ausgesprochen praktisch und bringen dich auf die sichere Seite.


9. Finde und wähle außergewöhnliche Aufnahmepositionen. Auf Augenhöhe kann jeder. Soll etwas Größer erscheinen? Fotografiere von unten nach oben. Kleiner? Dann eben von oben nach unten. Bist du im Portraitshooting? Dann probiere es mal mit und mal ohne Lachen. Gebe klare Anweisungen, was dein Model tun soll. Verändere auch hier die Lichtsetzung und schaue, was für eine Wirkung du erzielst und vor allem, was für eine Wirkung dein Model erwartet. Und erzähle deinem Model nicht, dass du jetzt mal etwas "ausprobierst". Niemand mag in einem professionellem Shooting (das sind solche, wo du Geld bekommst) gerne Versuchskaninchen sein. Diese Phase solltest du durch geeignete Praktika abgeschlossen haben, bevor du Geld für etwas nimmst, was du (noch) nicht kannst.

10. Gebe deinem Auftraggeber das Gefühl der Sicherheit. Du hast alles im Griff. Geht nicht, gibt's nicht. Es geht alles, was nicht einen Straftatsbestand des Strafgesetzbuches (StGB) erfüllt. Du machst es möglich. Du diskutierst nicht über Probleme, sondern du findest und präsentierst Lösungen!


11. Nach erledigtem Auftrag führst du ein Abschlussgespräch. Mit den Models und/ oder mit deinem Auftraggeber. Ist er mit dem Ablauf zufrieden? Was hättest du besser machen können? Was ist besonders toll gelaufen? Wann bekommt der Kunde wie und auf welchem Weg die Bilder?


Hinweis: Du gibst niemals dem Kunden vorab die unbearbeiteten Bilder. Manche Kunden verlangen danach. Aber lass dich nicht darauf ein. In der Bildbearbeitung wird eine Fotografie erst zu deiner Visitenkarte. Der Kunde bekommt nur die fertig bearbeiteten JPEG's zu sehen. Nichts anderes. Du hast es sonst nicht mehr in der Hand, wer an DEINEN Bildern herumbastelt und was er danach damit anstellt. Und wenn du versprichst, bis zum Montag fertig zu sein, dann bist du auch am Montag fertig.


Fazit

Wie immer am Schluss das Fazit. Wenn du diese 11 Punkte beherzigst, kann zumindest einmal nichts oder nur sehr wenig schief gehen. Dann bist du auf der sicheren Seite. Jedes Meer hat ein paar Untiefen, die auf keiner Karte verzeichnet sind und schlussendlich ist das eine Frage der Routine. Die kommt mit der Zeit. Ich habe zu Beginn meiner professionellen Fotografie auch jede Menge Fehler gemacht (ich mache übrigens auch heute noch immer  Fehler). Solche, bei denen ich mir im Nachhinein mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen habe und solche, die einfach so passieren. Aus Unwissenheit oder weil ich genauso wenig wie du auf andere, die es besser wissen müssen, gehört habe. Ist halt so. Aber das soll dich nicht entmutigen. Das wird.

©Jürgen Pagel 2021
LICHTWERK.DESIGN

Neunzehn58

von Jürgen Pagel 06 Mai, 2024
Jeder Fotograf kennt Phasen, in denen man seine Kamera am liebsten in irgendeiner verstauben lassen möchte. Frust baut sich auf, die Motivation ist auf dem Tiefpunkt angelangt.
05 Mai, 2024
Warum ein Wasserzeichen bzw. eine Signatur? Grundsätzlich ist jede Fotografie urheberrechtlich geschützt. Daran ändert auch ein Verkauf des Bildes nichts. Das Urheberrecht verbleibt beim Eigentümer, dem Ersteller der Fotografie. Wird das Bild gegen den Willen (außerhalb eines Vertragswerkes) des Eigentümers verwendet, stellt dies einen Verstoß gegen das Urheberrecht dar. Der Rechteinhaber ist somit berechtigt, einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Spanne liegt nach geltender Rechtsprechung zwischen 50-375 Euro pro Bild - je nachdem, ob das Bild gewerblich genutzt wurde oder lediglich der Urheber nicht genannt worden ist. Allerdings handelt es sich in der Rechtsprechung jeweils um Einzelfälle. Eine anwaltliche Beratung ist in jedem Fall vorzuziehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Bild durch eine Signatur geschützt wurde oder nicht, denn dieser Umstand ändert nichts am Urheberrecht.
von Jürgen Pagel 29 Apr., 2024
Folgende beiden Aussagen finden sich im Netz und hört man in diversen Workshops immer wieder mit der sicherlich guten Absicht, einem Anfänger den Spaß an der Fotografie nicht zu vermiesen. Aber stimmt das wirklich oder ist nur die halbe Wahrheit. Wie so oft lautet die Antwort des vielzitierten Radio Eriwan*): „Im Prinzip ja. Aber es kommt darauf an …“. Auf was es ankommt und unter welchen Voraussetzungen diese „Weisheiten“ eine unbefriedigende Antwort darstellen, möchte ich dem nachfolgenden Beitrag erläutern.
von Jürgen Pagel 23 Apr., 2024
Die Darstellung des Hintergrundes wird maßgeblich durch die Brennweite beeinflusst. Bei gleicher Blende (hier f/2.8), die für Schärfentiefe verantwortlich ist, verändert sich die Bildwirkung bei verschiedenen Brennweiten maßgeblich.
von Jürgen Pagel 22 Apr., 2024
Ich bin mir bewusst, dass dies ein langer Text ist und viele das nicht gerne lesen. Aber keiner kann sagen „Das habe ich nicht gewusst“. Ich bin auch kein Freund von Aussagen wie „dieses Objektiv musst Du haben“ oder „das ist das Beste“ oder „kaufe diese Kamera oder keine“. Das ist alles sehr vielschichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und bedarf sorgfältiger Überlegungen, um nicht in die Kostenfalle zu tappen oder dem G.A.S. (Gear Acquisition Syndrome) zu verfallen.
von Jürgen Pagel 21 Apr., 2024
Food-Fotografie ist kein Hexenwerk. Jedem können großartige Food-Fotos gelingen. Statt mehrere Flat-Lays zu kaufen – diese sind im Verbund teuer (ca. 400 Euro für 5-8 Stück), reicht auch eine Tischlerplatte, die entsprechend lackiert werden kann. Anleitungen dazu finden sich im Internet. Abschatter und Reflektoren gehören zur Ausrüstung eines jeden Fotografen. Und wer sich an das Blitzen nicht herantraut, fotografiert mit Tageslicht. Der Einstieg ist einfach. Mit der nötigen Übung und immer besser werdenden Ergebnissen kommt die Professionalität.
von Jürgen Pagel 17 Apr., 2024
Im Prinzip gilt ein allgemeines Betretungsrecht der freien Landschaft. Doch das bedeutet nicht, man darf überall und jederzeit herumspazieren. So sind Naturschutzgebiete ebenso tabu wie dauerhaft genutzte Flächen, etwa Weinberge oder Obstkulturen. Das heißt, sie dürfen nur auf Wegen betreten werden. Felder, Wiesen und Weiden sind tabu, wenn sie in einer Nutzung sind. Das heißt, zwischen Aussaat und Ernte beziehungsweise bis zur Mahd hat außer dem Landwirt niemand etwas auf den Flächen zu suchen. Das gilt auch, wenn kein Zaun und kein Schild extra darauf hinweisen. Auch gilt – das ist in den Landesverordnungen geregelt – in der Brut- und Setzzeit eine Leinenpflicht für Hunde.
von Jürgen Pagel 11 Apr., 2024
Spontan ist prima. Spontan ist spannend. Aber selbst spontane Fotos bedürfen in der Kamera einer gewissen Grundeinstellung, damit es schnell geht, wenn es darauf ankommt.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
Aus "Lichtwerk.Design" wird Neunzehn58. Dieser ungewöhnliche Name hat mein Geburtsjahr als Hintergrund und findet im Internet in diesem Zusammenhang keine Verwendung - außer als Domain für den Relaunch. Das ist gut so. Nicht so gut waren häufige Verwechslungen mit dem Namen Lichtwerk.Design, den sich offensichtlich viele zu eigen gemacht haben. Meine Homepage ist (aus technischen Gründen) weiterhin auch unter https://lichtwerk.design erreichbar. Neunzehn58 wird auf diese Page weitergeleitet, so dass Sie mit beiden Webadressen zum gleichen Ziel kommen.
von Jürgen Pagel 09 Apr., 2024
… so ein paar Dinge, die müssen einfach raus. Ihr kennt das, oder? Was mir in der letzten Zeit in der Fotografieszene echt auf den Zeiger geht (inspiriert von Cliff Kapatais).
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